Noch ein SVT-Style-Overdrive? Tut das Not? Wer mit der Qualitätsware von Origin Effects bereits vertraut ist, wird die Antwort kennen: Absolut! Um für mehr Auswahl zu sorgen, gibt es außerdem noch ein weiteres Preamp-Pedal im Stile alter Fender Amps.
Die Effektschmiede aus UK ist nicht dafür bekannt, alle drei Wochen etwas Neues herauszubringen. Stattdessen lässt man sich mehr Zeit, um die handgefertigten Treter so perfekt wie möglich unter die Kunden zu bringen. Wer bereits einen ihrer Kompressoren unter den Füßen hatte, wird das Aufgehen dieser Philosophie bestätigen können. In diesem Fall sollen alte Fender Showman- und Bassman-Amps bzw. ein alter Ampeg SVT detailgetreu nachgebildet worden sein. Liebe zum Detail, (quasi) regionale Fertigung sowie absolute Kompromisslosigkeit haben natürlich ihren Preis.
Anzeige
ÜBERSICHT
Nicht nur wiegen die Geräte mit je 850g fast so viel wie ein kleinerer Class-D-Amp, sie kosten mit € 450 auch so viel. Dieses Geld erkauft allerdings nicht einfach „nur“ eine über jeden Zweifel erhabene Verarbeitungsqualität, sondern auch eine selten anzutreffende Detailverliebtheit in der Entwicklung. Es handelt sich bei den beiden Geräten in für den Hersteller typischen, gekanteten Blechgehäusen nicht einfach nur um auf Pedal-Format geschrumpfte Versionen der Verstärker-Vorstufen. Auch die, so viel nehme ich vorweg, wirklich gute Cab-Simulation am DI-Ausgang stellt an sich erst mal noch nichts allzu Außergewöhnliches dar.
(Bild: Dieter Stork)
Spannend und maßgeblich für ein mit Röhren-Tops vergleichbares Spielgefühl ist die Miniaturversion einer Gegentaktendstufe inklusive reaktiver Last. Zu Deutsch: Mittels Transistortechnik wird das Verhalten der Endstufe inklusive angeschlossenem Lautsprecher „simuliert“. Wobei Simulation hier nicht ganz zutreffend ist, denn es ist ja eine analoge Endstufe. Nur eben in klein. Wenn die Marketing-Abteilung recht behält, sollte sich das also in etwa so anfühlen und -hören, wie ein echter Amp. Aber der Reihe nach …
BEDIENUNG
Neben dem Gewicht fällt sofort die Wertigkeit der beiden Pedale auf. Die Potis mit den eloxierten Kappen lassen sich gerade schwer genug drehen, dass ein versehentliches Verstellen gut vermieden werden kann. Kippschalter und Buchsen sitzen passgenau im Gehäusedeckel und erfüllen gut erreichbar ihre Funktionen, ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Lediglich bei mit „Flunder“-Steckern bestückten Patchkabeln ist der Platz etwas zu eng. Dass dabei alle Buchsen, inklusive DI-Out an der Stirnseite sitzen, gefällt mir sehr, denn zum einen ist so potenziell mehr Platz auf dem Pedalboard und zum anderen lassen sich die Geräte so auch gut im Rack oder auf einer Box platzieren, ohne für Kabelsalat zu sorgen.
Aufgrund des Gewichts und der Gummifüße stehen die Kisten absolut stabil und werden auch von den steifsten Kabeln nicht weggedrückt. Mir persönlich hat der Fußtaster für den Bypass etwas zu viel Federkraft, aber so wird immerhin ein versehentliches „Mittreten“ bei dicht bepackten Boards vermieden. Bei beiden Geräten ist der Aufbau gleich und alle Regler ziemlich eindeutig beschriftet. Zu beachten ist, dass das über „Blend“ regelbare, trockene Basssignal zwar vom Output-Poti in der Lautstärke, jedoch nicht von den drei großen EQ-Reglern beeinflusst wird.
Die beiden unteren, äußeren Kippschalter beeinflussen das Verhalten des DI-Ausgangs. Während der Ground-Lift zuverlässig Masseschleifen auflösen kann, wird mit dem linken Schalter die Position der analogen Cab-Sim bestimmt. Dabei muss die Wahl getroffen werden, ob das Signal auch im Bypass durch die Cab-Sim laufen soll oder nur bei aktiviertem Pedal. Gänzlich deaktivieren lässt sie sich allerdings nicht.
Möchte man ohne Boxensimulation direkt in eine Endstufe spielen, muss das Signal am „Amp-Out“ abgegriffen werden. Hier liegt ein unsymmetrisches Signal mit ausreichend Pegelreserven an, das vor Verlassen des Pedals noch durch einen weiteren EQ verändert werden kann. Dazu stehen zwei sehr schwergängige Trimpotis zur Verfügung, die die Bass- und Höhenanteile anheben und absenken können. Die Idee dahinter ist, den Output des Pedals auf verschiedene Verstärker- und Boxenkombinationen abstimmen zu können, ohne dabei am bisherigen Setup alles groß verstellen zu müssen.
Für Boxen mit starker Höhenwiedergabe, z.B. durch Hochtöner, gibt es extra einen Kippschalter zur zusätzlichen Absenkung der Höhen. Von diesem EQ ist auch das trockene Signal am Blend-Regler betroffen.
(Bild: Dieter Stork)
SOUND
In der Praxis funktioniert das wunderbar. Zunächst wird das trockene Signal mit dem Amp-Out-EQ an das vorhandene Setup von Amp und Box angepasst und anschließend der eigentliche Sound des Pedals eingestellt. Bereits beim ersten Ton macht sich unweigerlich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit. Sowohl das schwarze Fender-Pedal als auch der blaue SVT fühlen sich, insbesondere bei moderaten Gain-Settings, enorm groß und „echt“ an.
Sowohl beim Spiel über Studioabhöre und Kopfhörer wie auch an einer großen Anlage, vermitteln die kleinen Kisten die Unangestrengtheit, die man von Vollröhren-Amps an großen Boxen kennt. In der Grundausrichtung ist der Fender dabei noch etwas komprimierter und fokussierter. Anders als bei entsprechenden Full-Stacks ermöglichen die kleinen Origin-Pedale aber auch das Aufreißen und absolute Überfahren der Verstärkerstufen, ohne dass man dabei auf seine körperliche Unversehrtheit verzichten müsste.
Bitte nicht falsch verstehen, beide Geräte klingen als Zerrpedale ganz ausgezeichnet. Auch sind dank der Kombination aus Pre/Post-Amp-EQs wirklich enorm viele verschiedene Voicings möglich, die mit den echten Gegenstücken in dieser Form nicht möglich wären, allerdings verlieren beide Geräte hier etwas von ihrer „Magie“. Von der ursprünglichen Gelassenheit bleibt dabei keine Spur mehr, beide Vertreter komprimieren das Signal deutlich, wobei der blaue SVT auch hier noch ein wenig entspannter und offener klingt.
Unterschiede in Extremeinstellungen äußern sich allerdings fast nur noch in Form des Mittenbandes. Hat man beim Fender-inspirierten Pedal die Möglichkeit, das Voicing der Vorstufe zwischen Bass- und Showman umzuschalten und so Einfluss auf den maximalen Gain und den Arbeitsbereich des Mittenbandes zu nehmen, bietet der SVT den klassischen Drei-Wege-Schalter zur Wahl des Mittenbandes.
Bei moderaten Gain-Einstellungen machen beide Geräte einfach nur Spaß, anders kann man es nicht formulieren. Egal, ob das Signal dabei per DI mit Cab-Sim an die PA oder Studioabhöre geht oder ob per Amp-Out eine Endstufe gefüttert wird, es fühlt sich alles einfach richtig an.
RESÜMEE
Mit etwa € 450 pro Pedal sind die beiden Geräte definitiv keine Schnapper, Vergleiche zum Tech 21 VT Bass oder Bass Driver DI sind also eventuell etwas unfair … und ehrlich gesagt reichen die Klassiker auch aus, wenn es einfach darum geht, ein Brett von Bass-Sound abzuliefern. Nicht umsonst erfreuen sie sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit.
Zwar können beide Origin-Pedale im High-Gain-Bereich viel Spaß machen, die Messlatte höher legen tun sie in dieser Disziplin aber nicht. Hier spielen sie „nur“ mühelos mit. Anders sieht es aus, wenn es um das authentische Spielgefühl einer Vollröhre mit massig Headroom geht. Für unverzerrte bzw. nur leicht angezerrte Sounds ist mir im analogen Kleinformat bisher nichts annähernd so Überzeugendes untergekommen.