Wolfsgeheul in der Tropfsteinhöhle

Test: Old Blood Noise Endeavors Alpha Haunt und Rêver

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(Bild: Dieter Stork)

Die Flut an Boutique-Pedalen reißt nicht ab. Ich fühle mich mittlerweile total übersättigt. Doch immer mal wieder kommt eine Mini-Firma wie Old Blood Noise Endeavors um die Ecke und reißt mich mit ihren Kreationen aus dem Schlaf – so auch dieses Mal.

Ein ganzes Sammelsurium an Pedalen haben Seth McCarroll und Brady Smith aus Oklahoma aufgebaut – mit den meisten versuchen sie, die ausgetretenen Pfade der Standard-Overdrives und Fuzzes zu verlassen. So auch mit dem Alpha Haunt und dem Rêver, die wir uns heute unter den Fuß legen.

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Beide Pedale sind penibel verarbeitet mit feinsten Bauteilen und erfreulich leicht – 532 Gramm beim Alpha Haunt, 406 Gramm beim Rêver. Löblich, dass sich bei beiden Pedalen alle Anschlüsse an der Stirnseite befinden – das ist vorteilhaft für die eng bepackten Pedalboards von heute. Für ein Pedal mit zwei Tastern ist das Rêver mit 9 x 11,6 cm erfreulich klein, während das Alpha Haunt mit seinen 12 x 14,4 cm großformatigen Modellen von Electro Harmonix entspricht – was wohl dem Dreiband-Equalizer geschuldet ist. Beide Pedale sind im True-Bypass-Modus gebaut; das Alpha Haunt ist analog, das Rêver digital.

Alpha Haunt

Oberflächlich betrachtet handelt es sich beim Alpha Haunt um ein auf Silizium-Transistoren basierendes Fuzz-Pedal. Wer da sofort den Klang eines späteren Fuzz Faces im Kopf hat, liegt nicht falsch. Doch der Wolf steckt im Detail, denn das Alpha Haunt kann noch viel mehr. Rechts befinden sich drei Slider für Höhen, Mitten und Tiefen, mit dem sich der Ton wesentlich feiner abstimmen lässt als bei den meisten anderen Fuzzboxes. Ein kleiner Toggle-Switch darunter ist dem „LPF“-Poti (Low Pass Filter) zugeordnet – es arbeitet in drei Modi: In LPF 1 wirkt es wie ein normales Tone-Poti, in LPF 2 lässt es mehr Höhen durch und beeinflusst auch die Midrange, und in „off“ ist es im Bypass, was der ganzen Sache einen gehörigen Lautstärke-Boost verpasst.

In der unteren Poti-Reihe befinden sich neben dem LPF-Poti noch Bias, Gate und Fuzz. Letzteres regelt den Verzerrungsgrad, Bias würgt den Ton immer weiter ab, je weiter es aufgedreht wird – das sorgt für die typischen spuckenden, stotternden Klänge, die man auch von anderen Fuzzes kennt. Gate wiederum komprimiert den Sound, und arbeitet stark interaktiv mit dem Bias-Knopf. Dreht man beide voll auf, erhält man einen stark komprimierten, schmatzig-furzigen Sound à la „wütende Wespe“ – herrlich.

In der oberen Reihe gibt es einen anderen Toggle-Switch, dieser schaltet das Fuzz in zwei Modi (einen mit mehr, den anderen mit leicht weniger Gain). Hier befinden sich noch drei weitere Potis: Master-Volume, Fuzz-Volume und Enhance. Ersteres erklärt sich von selbst, wobei man es ziemlich weit aufdrehen muss, um das gleiche Lautstärke-Level wie beim Clean-Signal zu erreichen; ein Boost ist aber möglich, und die Reaktivität hängt vom Rest des Setups (Pickups etc.) ab. Steht der LPF-Toggle auf „off“, hat das Pedal erheblich mehr Headroom. Fuzz-Volume gleich daneben regelt die Lautstärke des Fuzz-Effekts in Relation zu „Enhance“ – mit diesem Poti lässt sich das Clean-Signal zumischen. Das kommt auch Bassisten zugute, denen ich hiermit das Pedal wärmstens empfehlen will, da es in Verbindung mit dem Equalizer wirklich keine Wünsche offen lässt.

Erwartungsgemäß muss man sich mit dem Pedal etwas beschäftigen, „plug and play“ funktioniert nur bedingt. Gut, dass die Anleitung (nur auf Englisch) recht ausführlich ist und drei interessante Setting-Vorschläge beinhaltet, an denen man sich erst mal orientieren kann. Die Möglichkeiten sind vielfältig, das Grundtimbre des Pedals ist aber fies und kratzig, wie auch die Grafik suggeriert; das Sustain hält sich in Grenzen, weshalb andere Pedale für einen samtigen Violinen-artigen Solosound à la Big Muff wohl besser geeignet sind. Wer es böse und beißend mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Mit dem Equalizer und dem Enhance-Poti lassen sich auch die üblichen Schwächen von Fuzzes ausgleichen – mit einem Boost der Mitten geht man nicht so leicht im Band-Gefüge unter, mit Zumischen des Clean-Signals lässt sich der Ton andicken, „zähmen“ und dennoch eine schmutzig-bratzelige Note beibehalten. Auch die Bass-Response hat man gut im Griff. Gefallen hat mir zudem der kaputte, fast schon Ringmodulator-artige Crunch-Sound, den das Pedal erzeugt, wenn man Fuzz Volume ganz runter- und Enhance voll aufdreht.

Fazit: Meiner Meinung nach ist das Alpha Haunt wegen seiner mannigfaltigen Einstellungsmöglichkeiten zwar eher ein Studio-Tool, außer man schreckt live nicht davor zurück, die Regler zu verändern. Wer aber seinen einen Lieblings- Sound finden und den live einsetzen will, sei deshalb vom Kauf nicht abgehalten! Das Alpha Haunt hat klare Alleinstellungsmerkmale und wächst mit seinen Klangmöglichkeiten deutlich über die Masse der Fuzzes hinaus – so geht auch der Preis in Ordnung. Ich jedenfalls spüre meine Kaufgelüste aufwallen. Preis (Street): € 224

Rêver

Auch mit dem Rêver beschreitet Old Blood Noise Endeavors andere Wege, abseits der Masse an Delays und Reverbs. Bei dem etwas kleineren Gerät handelt es sich um eine Kombo aus beiden Effekten – was erst mal unspektakulär wäre, gäbe es nicht einige Special Features. Rechts befindet sich der Bypass-Switch. Die untere Reihe der Potis kontrolliert den Reverb-Effekt des Pedals: Field regelt die Dauer der Hallfahne, Modulation mischt einen subtilen Chorus-Effekt hinzu, und Reverb bestimmt die Stärke des Effekts. Hier ist von den Weiten des Alls bis zum kleinen Badezimmer alles möglich.

Die obere Reihe ist für das Delay zuständig und folgt in der Terminologie den bekannten Begriffen: Feedback regelt die Zahl der Wiederholungen, Time die Geschwindigkeit, und Delay die Effektstärke. Bei den Verzögerungen sind bis zu 400 Millisekunden möglich – nicht besonders lang. Das bedeutet: Ein richtig langsames Vierteldelay, in sync mit dem Songtempo, lässt sich nicht einstellen; Slap-Back dagegen schon. Damit steht auch bereits fest, dass der Delay-Teil des Rêver nicht so sehr darauf abzielt, das Pedal als „Riff-Tool“ à la The Edge zu benutzen, sondern als Ambient-Klangmaschine.

Kommen wir nun zu den Special Features des Pedals, die es einzigartig machen: Mit dem Toggle- Switch links lässt sich die Reihenfolge beider Effekte verändern – man kann also den Reverb, entgegen aller Orthodoxie, auch vor das Delay setzen – Sakrileg! Natürlich dient dies der Abenteuerlust des Ambient-Avantgardisten. Doch es gibt noch ein weiteres, wichtigeres Special Feature – mit dem linken Fußtaster lassen sich Hallfahne und Delays rückwärts abspielen, so lange er gedrückt bleibt. Damit sind dann so richtig psychedelische Klänge möglich. Wer die dauerhaft braucht, ohne auf dem Pedal zu stehen, kann mit einem weiteren Mini-Toggle an der Stirnseite des Geräts den Reverse-Effekt anschalten – hält man dann den Fußtaster gedrückt, werden die Effekte für die Dauer wiederum vorwärts abgespielt. Das dunkle Poti links oben regelt die Lautstärke des momentanen Effekts. Man kann auch ein Expressionpedal anschließen, das dann die Funktion des Potis übernimmt.

Das alles klingt kompliziert, erweist sich in der Praxis aber als einfacher umsetzbar als befürchtet. Mit ein paar Handgriffen erzielt man überzeugende, träumerische Ergebnisse. Auch beim Rêver helfen dabei die Muster-Settings in der (nur englischen) Anleitung.

Den Klang würde ich unter „Tropfsteinhöhle der Melancholie“ subsummieren. Der Reverb lässt sich, bei runtergedrehtem Delay und Modulation, auch als einfacher Halleffekt einsetzen – das klingt stark nach Federhallsimulation und kracht schön, wenn man auf die Saiten haut. Das Timbre ist eher hell, und mangels eines Tone-Potis halte ich den Hall eher für Pickings und epische Single Notes für geeignet – Akkordgeschrubbe oder gar Wah-Wah-Gewedel wird schnell anstrengend. Das haben aber die Jungs von Old Blood gar nicht im Sinn, sie sehen das Rêver als Ambient-Werkzeug, und das erfüllt es mit Bravour.

Gerade in ruhigen Songparts kommt der Rückwärts-Effekt megastark, bei lautem Bandgeballer gehen solche Feinheiten eher unter. Die idealen Anwendungen sehe ich daher klar im Ambientbereich.

Fazit: Man sollte das Rêver eher als Gesamt-Klangmaschine betrachten – und eher nicht als Multieffektgerät. Ich habe mich dabei ertappt, viel mehr Zeit mit dem Teil verbracht zu haben, als geplant – das nenne ich Inspiration! Schon die einfachsten Single Note Lines klingen episch, ergreifend, bedeutungsvoll – man denke an The Cure oder auch The XX. Egal, welch simple Tonfolgen man da raushaut, es klingt immer cool. Preis (Street): € 249

PLUS

  • tadellose Verarbeitung
  • inspirierende, erstklassige und einzigartige Sounds
  • hohe Vielseitigkeit

MINUS

  • nur englische Anleitung
  • kein Tone-Regler beim Rêver

 (erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hi Christopher, cool, dass Dir das Rever gefällt. Leider ist das Pedal abgekündigt und nur noch bei wenigen Händlern erhältlich. Wer also sein Glück nicht im “Gebrauchtmarkt” versuchen möchte greift zum Nachfolger.
    Der heisst MINIM und ist das bessere REVER.

    Dein freundlicher OldBloodNoiseEndeavour
    Andreas

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