Goldkehlchen growing up

Test: Nik Huber Piet

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(Bild: Dieter Stork)

Die kalifornische Bauweise mit Schraubhals fand erst spät ins Programm von Nik Huber. Aber die Modelle Twangmeister und zuletzt auch Piet fanden dann schnell ihre Fans und die Fachpresse war voll des Lobes.

Die Piet ist nicht neu, wurde bereits 2020 auf den Weg gebracht. Für Nik – damals mehr oder weniger in der Abteilung Mahagoni Set-Neck unterwegs – war so eine Konstruktion aus Erle (oder Esche) mit Ahornhals herausforderndes Neuland. Er nahm Anregungen auf, kombinierte Bewährtes mit Neuem und verwirklichte natürlich vor allem seine ganz eigenen gitarrebauerischen Vorstellungen von solch einem Instrument. Am Ende war es selbstredend dann wieder ein unverwechselbares Huber-Design. Das nach knapp vier Jahren durchaus ein paar Updates erhalten hat, die wir uns hier einmal genauer anschauen und anhören wollen.

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Die Piet, eh schon funktions- und klangstark, bekam in der aktuellen Version ein verbessertes Vibratosystem mit KMS Bridge. Der plane Korpus der Piet aus leichter amerikanischer Sumpfesche (Swamp Ash) von 4,3 cm Stärke (eine Custom Option, Standard ist Erle) könnte marginale Tele-Anmutungen hervorrufen, verfügt jedoch auch über weiche Randkonturen und Abgleichungen für die Armauf- und Bauchanlage, die eher an jene der Stratocaster erinnern. Zugrunde liegt dem Modell allerdings das bewährte Pattern des originalen Huber-Dolphin-Body-Designs.

Der Hals aus Ahorn mit Standard-Piet-Profil ist nach typischer Huber-Art mit unten angeschnittenem Halsfuß über eine angepasste Neck Plate mittels fünf Schrauben in den Korpus eingesetzt.

Fünffach verschraubter Ahornhals mit griffigem Standard-Piet-Halsprofil (Bild: Dieter Stork)

Zusammen mit dem bis in die Halsmitte geöffneten Cutaway ergibt das eine bemerkenswert spielförderliche Lösung des Übergangs vom Hals auf den Korpus. Im Griffbrett aus Ostindischem Palisander (10″-14″ Compound Radius) finden wir neben 22 hochklassig verarbeiteten Medium-Jumbo-Bünden recht große Dots aus Knochen zur Lagenkennung, also nicht die „Silver Ring Inlays“ der Vorgängerversion. Die in leichtem Winkel (10°) herausgeführte 3+3-Kopfplatte mit Niks hauseigenen Open-Gear-Mechaniken mutet weniger kalifornisch an, eher finden wir in ihr eine Analogie zur Dolphin und sind damit wieder voll im Huber-Kontext.

Springender Punkt in der Neuaufstellung der Piet ist das erwähnte Vibratosystem. Anstelle der Mastery Bridge ist nun das Descendant Trem von Swope Guitars mit verbessertem Anstellwinkel auf die ebenfalls neue KMS JAM-Offset-Bridge verbaut. KMS, bekannt für seine Präzisions-Hardware, kombiniert eine Basis aus Edelstahl mit drei speziell beschichteten V-Rail Saddles aus Messing. Zusammen wohl das Beste, was zur Zeit als Offset-Tremolo-Kombination am Markt zu finden ist, Made in Germany by the way.

Harmonisches Paar: Häussels Broad-N Single Coil und P-90 „Foil-Style“-Typ (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Die passenden Pickups für Piet wurden von Harry Häussel in Kooperation mit Nik entwickelt. Am Hals finden wir einen Broad-N-Single-Coil mit Kappe auf das „brushed“ Tortoise Pickguard geschraubt; in Stegposition ist ein P-90 „Foil-Style“-Typ in die passgenaue Korpusfräsung geschraubt. Angewählt werden die Tonabnehmer konventionell über einen Dreiwege-Kippschalter, verwaltet von gut platzierten generellen Volume- und Tone-Reglern.

Die offenporige Body-Lackierung trägt den Namen Gold Top; der Hals ist samtweich versiegelt. Geliefert wird die in jeder Hinsicht makellos verarbeitete Piet mit Zertifikat in einem guten Nik Huber Gigbag.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

TWANG ME BABY ONE MORE TIME

Auch die aufgepeppte Piet fühlt sich mit ihren 3,0 kg immer noch an wie Heimat, wie ein alter Kumpel. Motto: Hey, lass uns Spaß haben! Wer wollte sich da verweigern?

Das Halsprofil, rundlich mit erhabener Mitte leicht asymmetrisch gestaltet, greift sich höchst angenehm, was dank der perfekten Einrichtung der Saiten über einer glänzend gemachten Bundierung sofort in Spielvergnügen pur mündet. Dieses wonnige Gefühl wird dann auch noch enorm verstärkt durch das immense Schwingverhalten der Gitarre, versilbert durch animiert mitschwingende Saiten im langen Abstand zwischen Bridge und Saitenaufhängung. Diese etwas unwägbaren Schwebeklänge sorgen für einen besonderen Charakter, ein originelles Klangverhalten. Nicht dein Ding? Die Piet gibt es alternativ auch mit Stop Tail.

Immer aber ist die Piet eine springlebendige Gitarre mit leichter Ansprache, die dir sofort folgt, wohin du dich auch immer wenden magst. Dynamisch wendig reagiert sie auf das Plektrum. Die Töne lassen sich förmlich vom Griffbrett schnipsen. Schauen wir also mal, ob sich diese leichtfüßige Opulenz auch elektrisch umsetzen lässt.

Und siehe, besser höre: Für die offenbar perfekt angepassten Häussel-Pickups scheint es ein Leichtes, aus den superben akustischen Eigenschaften ebenso charaktervolle elektrische Sounds zu generieren. Der Single Coil am Hals eröffnet den Reigen mit wunderbar rundem, leicht kehligem Ton. Ein gewisser Draht darin sorgt für sauber separierte Saiten, mithin für feingliedrig in ihre Stimmen aufgelöste Mehrklänge.

Griffige, transparente Akkorde schnellen aus den Speakern – toll! Leichte Ansprache, perkussive Umsetzung und dynamische Beweglichkeit machen das solistische Spiel zum Vergnügen. Mit lässig aufgereiztem Ton erschließt sich das attraktive Klangpotential nicht zuletzt im Overdrive. Bei maßvollen Zerreinstellungen lassen sich mit dem Plektrum feine Abstufungen im Ausdruck und in der Tonfarbe erzielen. Im kraftvollen Overdrive zeigt dieser Pickup dann starke vokale Kraft mit saftiger Hohlkehle. Ein Singe-Coil-Sound zum Dahinschmelzen!

Gehen wir auf den P-90 „Foil-Style“- Typen am Steg, so zieht der das Klangbild enger, zeigt deutlich mehr Biss und Kompression. Wie mit leicht zusammengebissenen Zähnen sorgt er mit lässiger Schärfe für knackig rauen Twang. Nagelig direkt und trocken im Clean-Modus und aufreizend drückend in Zerrpositionen zeigt er perkussive Präsenz und energische Durchsetzungsfähigkeit.

Zusammengeschaltet bieten die Pickups einen weiteren absolut nützlichen Sound. Der passt sich leicht hohlwangig ausgekämmt, aber perlfrisch und offen in den Band-Mix ein, macht sich auch sehr gut in Crunch-Positionen und komplettiert damit das hochklassige Klangangebot der Piet.

Optimierte Wackeleinheit: Descendant Trem von Swope Guitars mit KMS JAM-Offset Bridge (Bild: Dieter Stork)

Das Vibrato: Beim Swope-Design werden die Saiten durch die geschlitzte Platte unter die Oberfläche des Korpus versenkt. Dadurch erhöht sich der Andruck auf den Steg, was sowohl das Resonanzverhalten als auch die Spannung der Saiten verbessert und dazu noch ein Herausspringen aus den Stegsätteln verhindert. Das für Down Bendings eingestellte Federsystem arbeitet bei weichem Armwiderstand erstaunlich verstimmungsarm – eine exzellente Lösung!

RESÜMEE

Ist Piet erwachsen geworden? Kann man vom Namensgeber, Niks jüngstem Sohn Piet, wohl behaupten, aber das Gitarrenmodell Piet kam ja bereits voll entwickelt zur Welt, was Verfeinerung aber keineswegs ausschließt. Die vorgelegte aktualisierte Version mit Custom Swamp Ash Body zeichnet sich vor allem durch das Descendent Trem von Swope in Verbindung mit der JAM-Offset Bridge von KMS aus. Eine perfekte Verbindung, denn das Vibratosystem läuft weich und arbeitet so gut wie verstimmungsfrei. Die Resonanzeffekte der langen hinter-Sattel-Saitenführung mögen nicht jedermanns Sache sein, aber genau dadurch entsteht ein besonderes Klangambiente. Die großartigen Schwingeigenschaften und klanglichen Vorzüge genau dieser Version sind nicht zuletzt wohl auch der leichten Sumpfesche zu danken. Die akustischen Gegebenheiten werden von den sich stimmig ergänzenden Pickups von Harry Häussel jedenfalls leichtfüßig in delikate Single Coil-Sounds unterschiedlicher Charakteristik umgesetzt, was den enormen klanglichen Charme der Gitarre mit leuchtender Präsenz transportiert. Nik Huber zeigt wieder einmal wie nah er bei seinen Designs ist, immer auf der Suche nach Optimierung. Das Modell Piet ist schon speziell, aber speziell gut und in seiner Kategorie ist es einfach einsame Spitze!

PLUS

  • Design
  • geringes Gewicht
  • Schwingfreude
  • Pickups
  • originelle, offene Sounds
  • Spieleigenschaften
  • Bundierung
  • optimiertes Vibrato
  • Verarbeitung


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo, bei diesem Preis sollte ein Case statt eines Gigbags dabei sein. Und warum keine Locking Tuner?

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    1. …alle Leute die ich kenne haben einen Schrank voller Koffer – und verwenden für Auftritte ausschliesslich (höherwertige) gigbags.

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    2. Auf den ersten Blick eine interressante Gittarre die neugierig macht ,aber der Preis läßt mich dann doch zurückrudern und läßt mich weiter träumen ,ich werde mir diese Gittarre wohl nicht leisten können, da baue ich mir lieber selber meine Traum Gittarre

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  2. Was Nik Huber hier vorlegt ist bemerkenswert innovativ und verdient Respekt, wenngleich seine Preisgestaltung überzogen scheint. Berücksichtigt der geneigte Interessent jedoch die Summe aller hochwertigen, preiswürdigen Zutaten sowie die perfekte Ausführung der Holzarbeiten an ausgewählten Baustoffen lässt sich erklären, wie der Wert dieses Instruments aufscheint.
    Billigheimer bitte bei Harley Benton etc. nach Alternativen träumen. Oder, ums mit den Worten meiner Grossmutter zu sagen: Kind, wir sind zu arm um billigen Ersatz zu kaufen! Sic.

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    1. Tolle Gitarre, wenn man das nötige Kleingeld hat und der Ton und die Haptik passen. So eine Investition muss aber gut überlegt sein, denn für die G+B GAS-Fraktion die nach spätestens einem Jahr wieder was neues braucht, ist der Wiederverkaufswert ein wichtiger Faktor. Custom-Shop Gitarren sind dafür besser geeignet.

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