An der Edge von The Wall wächst ein Joshua Tree

Test: MXR Joshua Ambient Echo

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(Bild: Dieter Stork)

Wenn Hersteller von Musikgeräten mit ihrem neuesten Produkt einem Künstler nacheifern, ohne die Lizenz zur Nutzung des Namens zu haben, kommt es schon mal zu augenzwinkernden Lösungen. So auch beim neuen Joshua Ambient Echo Delay von MXR – welches große Werk mit welchem Gitarristen mag hier Pate gestanden haben?

Ich konnte es mir nicht verkneifen, in der Überschrift noch einen draufzusetzen – verzeiht mir! Für die Nachgeborenen unter euch, die vielleicht auch jetzt noch nicht wissen, von was ich hier labere: 1987 erschien mit ‚The Joshua Tree‘ von U2 eines der erfolgreichsten, und wohl auch einflussreichsten, Alben der Rockgeschichte. Mehr als 25 Millionen verkaufte Exemplare, Grammy-Status, ja sogar in der US Library of Congress befindet sich dieses Meisterwerk. Nachfolgende Indie-Bands wie The Editors, Coldplay oder auch Hits wie ‚Shut Up and Dance‘ von Walk The Moon sind ohne U2 nicht denkbar.

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‚The Joshua Tree‘ (oder zumindest die Welthits ‚Where The Streets Have No Name‘, ‚With or Without You‘ und ‚I Still Haven’t Found What I‘m Looking For‘) sollte man mal gehört haben, selbst wenn man zu jenen Zeitgenossen gehört, die U2 im Allgemeinen und die Gitarrenarbeit von Gitarrist The Edge im Speziellen für überbewertet halten.

Zurück zum Produkt, auch wenn dieser Exkurs für dessen Verständnis wichtig war und ich ja auch noch die Verwendung von „The Wall“ auflösen muss – dazu später mehr. Dunlop, Eigentümer der Marke MXR, will mit dem Joshua ganz offensichtlich den Sound von The Edge aus den 80er Jahren anbieten, der für U2 so prägend war. Also packen wir mal die schwarze Strat mit dem Ahorngriffbrett und der großen 70er-Jahre-Kopfplatte aus und begeben uns auf eine Reise in die Weiten der Mojave-Wüste, wo im Joshua-Tree-Nationalpark die Josua-Palmlilie (Yucca brevifolia) wächst und sich U2 dereinst inspirieren ließen (ich war selbst schon mehrfach dort, und ja, es wirkt).

KONSTRUKTION

Das Joshua-Pedal kommt in den bekannten MXR-Standardmaßen und wäre damit an sich sehr pedalboardfreundlich. Wenn nicht sämtliche Anschlüsse mal wieder an den Seiten lägen. Warum man bei Dunlop immer noch nicht gemerkt hat, wie unpraktisch das ist – man weiß es nicht. Selbst der Stromanschluss, der mit deutlich mehr als nur 100mA gespeist werden will (ich hab‘s probiert), liegt mal wieder seitlich neben dem Input. Man braucht für die kleine Kiste auf dem Board also gute 2-3 cm mehr Platz, als eigentlich sein müssten.

Das volldigitale Pedal verfügt neben dem Ein- und Ausgang auch über einen AUX-Out, an den ein externes Tap Tempo, Expression Pedal oder – besonders cool – ein zweites Audiokabel für den Stereobetrieb angeschlossen werden kann. Letzteres ist mit einem Y-TRS-Kabel auch vom normalen Ausgang aus möglich.

Hält man einen angeschlossenen externen Tap-Tempo-Schalter gedrückt, kann man das Delay „einfrieren“ und über die erklingenden Delays spielen, solange der Fuß auf dem Schalter bleibt. Auch der eigentliche Fußschalter des Joshua kann als Tap Tempo fungieren: Schalter eine Sekunde gedrückt halten, tappen, weiterspielen.

Nun zu den Reglern. Das Joshua hat schon recht viele, und – manche werden sich jetzt entsetzt abwenden – sie sind doppelt belegt! „Regen“ (Zahl der Wiederholungen), „Mix“ und „Delay“ (Geschwindigkeit) steuern dabei die Grundparameter des Delays. „Mod“ regelt die Intensität des Chorus-Effekts, den man auf die Wiederholungen legen kann (von subtil bis seekrank). Bei „Voice“ handelt es sich um ein Spezial-Feature des Joshua: Hier mischt man Oktaven auf die Delays, und zwar von -1 bis +2 – das erzeugt diese Keyboard-artigen Flächensounds, wie man sie aus dem Intro von ‚Where The Streets Have No Name‘ kennt.

Das Kernstück sind die Subdivisions, mit denen sich die Art der Wiederholungen einstellen lässt – vom simplen Viertel-Delay über punktierte Achtel, Triolen bis hin zum Kombi-Modus „Achtel plus punktierte Achtel“. Der Sound von The Edge in dieser Phase von U2 basiert zu einem großen Teil auf der Kombination mehrerer Delays, was diese schwebenden, rhythmischen Patterns erzeugt, die man auf ‚The Joshua Tree‘ (und auch auf dem Vorgänger „The Unforgettable Fire“) rauf und runter hört. Erzeugt wurden diese, je nach Quelle, mit zwei TC Electronic 2290 oder Korg SDD-3000 Rack Units – und das Joshua bietet nun die Möglichkeit, das in einer so kleinen Kiste zu reproduzieren.

Mit „Echo 2“ wird allen Subdivisions ein Vierteldelay hinzugefügt, was noch mehr Delay-Geknatter erzeugt. Ist das Joshua damit nur etwas für The Edge-Jünger? Nein! Kritiker von The Edge behaupten ja gerne, dass er sich diese rhythmische Delay-Anwendung von Pink Floyds David Gilmour abgeschaut hat, wie man sie zum Beispiel prominent auf ‚Run Like Hell‘ vom Album ‚The Wall‘ hört (siehe Überschrift…). Diese punktierten Achtel sind mit dem Joshua möglich und kommen super knackig – ein schönes Beispiel dafür, dass man das Pedal durchaus ins Auge fassen sollte, auch wenn man mit U2 gar nichts am Hut hat.

Mit dem „Trails“-Knopf schaltet man an oder aus, ob die Delay-Wiederholungen auch im Bypass noch nachklingen. Die Sekundärfunktionen der Potis können eingestellt werden, indem man Echo 2 oder Trails gedrückt hält und am jeweiligen Regler dreht. Welchen Knopf für welche Funktion? Dafür muss man das Download-Manual von der Website bemühen – es liegt leider nicht bei. Hier entdeckt man zum Beispiel auch die Anpassungsmöglichkeiten für den eingebauten Kompressor – ja, da ist einer im Joshua.

Und ja, hier kann man auch den Reverb einstellen – richtig gelesen, das Joshua kommt auch mit einem Hall. Eine voll umfängliche Simulation wie von einem dedizierten Reverb-Pedal darf man hier zwar nicht erwarten, aber es reicht, um die schwebenden Flächen von The Edge und vieles mehr zu gestalten – damit wird das Joshua zu einem „all-in-one“-Ambient-Pedal.

(Bild: Dieter Stork) (Bild: Dieter Stork)

„INSTANT THE EDGE“

Was soll ich sagen: Alle Regler auf 12, einschalten – und zack! Schon sitzt man unter dem Joshua Tree. Vor allem, wenn man eine Strat zur Hand hat und in einen Vox-artigen Amp spielt. Sofort taucht man ein in diese eigentümlich atmosphärische Klangwelt aus weiten Flächen und klingelnden rhythmischen Echos. Wer bisher daran verzweifelte, den U2-Sound aus seinem Delay zu kitzeln, bekommt hier „Instant The Edge“ serviert.

Das Joshua kann freilich auch als „Standard-Delay“ dienen – einfach Mod und Voice runterdrehen, Subdivision-Poti auf Viertel einstellen, fertig. Doch damit verschenkt man die spezielle Soundkultur, die das Joshua anbietet. Also Mod wieder aufdrehen, je nach Geschmack mit Voice Oktaven zum Geschehen hinzufügen – und schon ist man wieder dort, wo die Straßen keine Namen haben…!

Der Sound bleibt dabei immer recht klar, kräftig, um nicht zu sagen „hart“ – man hat es eben mit einem digitalen Delay zu tun, und das wartet nicht mit einer analogen Klangfarbe auf. Wer die will, kann die kristalline Qualität der Wiederholungen mit den Sekundärfunktionen abmildern, ist eventuell aber mit anderen Geräten besser beraten (zum Beispiel mit dem MXR Carbon Copy Deluxe, das ebenfalls Subdivisions bietet, bei deutlich „wärmerer“ Soundkultur).

Die Sounds, die sich mit dem Joshua kreieren lassen, erfordern eine gewisse Spielweise – eine Mischung aus tighter Präzision und Geschrammel, so wie es der Meister eben praktiziert. Wer sich darauf einlässt, wird mit sehr authentischen Sounds belohnt, in denen man sich lange verlieren und schwelgen kann. Selbst die banalsten Dinge klingen damit „groß“, was The Edge in dem sehenswerten Film ‚It Might Get Loud‘ – in dem er völlig zu Recht neben Jimmy Page auftritt – auch freimütig feststellt.

Riffs und Licks im Stil von U2 beruhen auf der Anwendung des Delays als Rhythmus-Instrument – und das erfordert Präzision bei der Einstellung der Geschwindigkeit. Ich bin daher kein Freund der für mich hakeligen „doppelt belegter Fußschalter“-Tap-Tempo-Lösung und finde eine genaue Einstellung der BPMs ohne Rumgetappe besser. Eine digitale BPM-Anzeige wäre noch die absolute Kirsche auf der Torte gewesen.

Man könnte natürlich mittels AUX-Buchse einen derartigen Taktgeber anschließen oder ein besser steuerbares externes Tap Tempo (meine klare Empfehlung). Ob und wie man die doch sehr weit reichenden Einstellmöglichkeiten des Pedals auf der Bühne, „on the fly“, nutzen kann und will, muss der User selbst wissen – wer Nerven aus Stahl und eine ruhige Hand hat, wird hier problemlos agieren können. Alle anderen sollten sich für Live vielleicht eher nach programmierbaren Lösungen umsehen – wenn schon nicht MIDI, dann wenigstens mit Presets. Denn die bietet das Joshua leider nicht.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das Joshua eifert erkennbar den berühmten Sounds von The Edge aus den 80er Jahren nach – und das macht es mit absoluter Bravour. Kristallklare, wunderschöne Delays, ein Chorus-Effekt zum Niederknien, Keyboard-artige Flächen mit zumischbaren Oktaven – wunderbar. Könnte es also sein, dass die Akolythen von The Edge hier endlich gefunden haben, wonach sie immer gesucht haben?

Wie so oft kommt es auf den Anwendungsbereich an: In einer kontrollierten Umgebung, also zu Hause oder im Studio, ist die Bedienung absolut unproblematisch und sogar einfach (sofern man sich das Handbuch runtergeladen hat). Ob sie auch für den Live-Einsatz tauglich ist, muss man anhand eigener Präferenzen prüfen. Die Möglichkeiten des Pedals wären bei einer reinen „Set & Forget“-Nutzung bei weitem nicht ausgeschöpft. Der größte Schwachpunkt ist für mich daher das Fehlen von Presets – hier ist die Konkurrenz selbst bei kleinen Pedalformaten schon weiter (und ganz so platzsparend ist das Joshua wegen der seitlichen Anschlüsse leider auch nicht).

Wer den The Edge-Sound braucht, bekommt ihn hier „instant“ serviert. Tüftler, die aus so einer Kiste viele Sounds rausholen und Meister der Sekundärfunktionen sind, werden an dem Universalpaket mit Stereo-Doppeldelay, Chorus, Octave-Sounds, Kompressor und Reverb ihre Freude haben. Der nicht gerade günstige Preis von knapp unter 300 Euro geht angesichts der vielen Funktionen trotz einiger Wermutstropfen in Ordnung. Zumal die Konkurrenz (Strymon Deco, Boss SDE-3000D u.a.) noch teurer ist.

PLUS

● Klangqualität
● „The Edge“-Sounds
● Leistungsumfang
● Vielseitigkeit
● Stereo- und Tap-Ausgang

MINUS

● keine Presets
● Anschlüsse an den Seiten

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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