An der Edge von The Wall wächst ein Joshua Tree

Test: MXR Joshua Ambient Echo

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(Bild: Dieter Stork)

„INSTANT THE EDGE“

Was soll ich sagen: Alle Regler auf 12, einschalten – und zack! Schon sitzt man unter dem Joshua Tree. Vor allem, wenn man eine Strat zur Hand hat und in einen Vox-artigen Amp spielt. Sofort taucht man ein in diese eigentümlich atmosphärische Klangwelt aus weiten Flächen und klingelnden rhythmischen Echos. Wer bisher daran verzweifelte, den U2-Sound aus seinem Delay zu kitzeln, bekommt hier „Instant The Edge“ serviert.

Das Joshua kann freilich auch als „Standard-Delay“ dienen – einfach Mod und Voice runterdrehen, Subdivision-Poti auf Viertel einstellen, fertig. Doch damit verschenkt man die spezielle Soundkultur, die das Joshua anbietet. Also Mod wieder aufdrehen, je nach Geschmack mit Voice Oktaven zum Geschehen hinzufügen – und schon ist man wieder dort, wo die Straßen keine Namen haben…!

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Der Sound bleibt dabei immer recht klar, kräftig, um nicht zu sagen „hart“ – man hat es eben mit einem digitalen Delay zu tun, und das wartet nicht mit einer analogen Klangfarbe auf. Wer die will, kann die kristalline Qualität der Wiederholungen mit den Sekundärfunktionen abmildern, ist eventuell aber mit anderen Geräten besser beraten (zum Beispiel mit dem MXR Carbon Copy Deluxe, das ebenfalls Subdivisions bietet, bei deutlich „wärmerer“ Soundkultur).

Die Sounds, die sich mit dem Joshua kreieren lassen, erfordern eine gewisse Spielweise – eine Mischung aus tighter Präzision und Geschrammel, so wie es der Meister eben praktiziert. Wer sich darauf einlässt, wird mit sehr authentischen Sounds belohnt, in denen man sich lange verlieren und schwelgen kann. Selbst die banalsten Dinge klingen damit „groß“, was The Edge in dem sehenswerten Film ‚It Might Get Loud‘ – in dem er völlig zu Recht neben Jimmy Page auftritt – auch freimütig feststellt.

Riffs und Licks im Stil von U2 beruhen auf der Anwendung des Delays als Rhythmus-Instrument – und das erfordert Präzision bei der Einstellung der Geschwindigkeit. Ich bin daher kein Freund der für mich hakeligen „doppelt belegter Fußschalter“-Tap-Tempo-Lösung und finde eine genaue Einstellung der BPMs ohne Rumgetappe besser. Eine digitale BPM-Anzeige wäre noch die absolute Kirsche auf der Torte gewesen.

Man könnte natürlich mittels AUX-Buchse einen derartigen Taktgeber anschließen oder ein besser steuerbares externes Tap Tempo (meine klare Empfehlung). Ob und wie man die doch sehr weit reichenden Einstellmöglichkeiten des Pedals auf der Bühne, „on the fly“, nutzen kann und will, muss der User selbst wissen – wer Nerven aus Stahl und eine ruhige Hand hat, wird hier problemlos agieren können. Alle anderen sollten sich für Live vielleicht eher nach programmierbaren Lösungen umsehen – wenn schon nicht MIDI, dann wenigstens mit Presets. Denn die bietet das Joshua leider nicht.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das Joshua eifert erkennbar den berühmten Sounds von The Edge aus den 80er Jahren nach – und das macht es mit absoluter Bravour. Kristallklare, wunderschöne Delays, ein Chorus-Effekt zum Niederknien, Keyboard-artige Flächen mit zumischbaren Oktaven – wunderbar. Könnte es also sein, dass die Akolythen von The Edge hier endlich gefunden haben, wonach sie immer gesucht haben?

Wie so oft kommt es auf den Anwendungsbereich an: In einer kontrollierten Umgebung, also zu Hause oder im Studio, ist die Bedienung absolut unproblematisch und sogar einfach (sofern man sich das Handbuch runtergeladen hat). Ob sie auch für den Live-Einsatz tauglich ist, muss man anhand eigener Präferenzen prüfen. Die Möglichkeiten des Pedals wären bei einer reinen „Set & Forget“-Nutzung bei weitem nicht ausgeschöpft. Der größte Schwachpunkt ist für mich daher das Fehlen von Presets – hier ist die Konkurrenz selbst bei kleinen Pedalformaten schon weiter (und ganz so platzsparend ist das Joshua wegen der seitlichen Anschlüsse leider auch nicht).

Wer den The Edge-Sound braucht, bekommt ihn hier „instant“ serviert. Tüftler, die aus so einer Kiste viele Sounds rausholen und Meister der Sekundärfunktionen sind, werden an dem Universalpaket mit Stereo-Doppeldelay, Chorus, Octave-Sounds, Kompressor und Reverb ihre Freude haben. Der nicht gerade günstige Preis von knapp unter 300 Euro geht angesichts der vielen Funktionen trotz einiger Wermutstropfen in Ordnung. Zumal die Konkurrenz (Strymon Deco, Boss SDE-3000D u.a.) noch teurer ist.

PLUS

● Klangqualität
● „The Edge“-Sounds
● Leistungsumfang
● Vielseitigkeit
● Stereo- und Tap-Ausgang

MINUS

● keine Presets
● Anschlüsse an den Seiten

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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