Ernie Ball hat in seinem Music-Man-Signature-Guitar-Club bereits eine ganze Reihe höchst interessanter Musiker um sich versammelt, darunter Albert Lee, Steve Lukather, John Petrucci und Steve Morse. In Zusammenarbeit mit Omar Alfredo Rodriguez Lopez wurde nun das exklusiv gestaltete Modell Mariposa aus der Taufe gehoben.
Das Mariposa-Design gibt es neben Dorado Green auch noch in den Farben Imperial Black, Imperial White und Pueblo Pink. Seltsam: Obwohl vom Linkshänder Lopez mitentwickelt, ist keine Leftie erhältlich. Lopez, ein US-amerikanischer Gitarrist, Produzent und Filmemacher mit puertoricanischen Wurzeln, wurde vor allem als Bandleader und Songwriter der Prog Rock Bands ‚The Mars Volta’ und ‚At the Drive In’ bekannt.
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EXTRAVAGANZ & SPIELKOMFORT
Die Mariposa kommt mit einem unorthodox kantig gestalteten Korpus aus leichtem afrikanischem Okoume-Holz. Okoume (auch Gabun-Mahagoni genannt) stammt aus Gabun, Äquatorialguinea oder dem Kongo und ist kein Mahagoni, obwohl es in Farbe und Struktur durchaus dem Khaya-Mahagoni ähneln kann, sondern gehört zur Familie der Balsambaumgewächse. Der plan belassene Body macht Anleihen beim Offset Design und tritt mit einer Brettstärke von knapp 4,2 cm an. Der Korpusrückseite wurden weich abgeglichene Kanten und eine Anlagekontur in der Taille oben verschafft, dem Bereich der Halsaufnahme ein gerundeter Übergang.
Mit fünf Schrauben ist der karamellbraun geröstete und mit Öl und Wachs behandelte Ahornhals fest in den Korpus eingebracht. Im Griffbrett aus Ebenholz mit 10″-Radius finden wir 22 sauber verarbeitete High Profile Medium-Bünde und großzügige Block Inlays aus Perlmutt-Imitat. Der im Matching-Headstock-Design gestaltete, parallel herausgeführte kleine Kopf der Mariposa ist mit M6-IND Locking Tunern von Schaller ausgestattet. Von den in 4+2-Manier positionierten Mechaniken aus werden die Saiten mit geradem Zug ohne Saitenniederhalter, aber dennoch ausreichendem Andruck über den Kunststoffsattel hinüber zum Music Man Modern Tremolo mit Chevron Cover und Vintagestyle Sätteln aus Stahl geführt.
Custom Electronics: zwei Music Man Custom Wound Humbucker mit verchromten Kappen wollen den Spagat zwischen traditioneller Humbucker-Subtilität und Heavy-Distortion-Schlagkraft leisten. Angewählt werden sie ganz konventionell über den vorn unten aufs Horn ins floral verzierte Pickguard gesetzten 3-Wege-Schalter. Zur Kontrolle stehen zwei Volume-Regler mit dem geheimnisvollen „Tethered Tone Circuit“ zur Verfügung. Das E-Fach und die Aluminiumabdeckung sind im Übrigen zur Abschirmung mit Graphit und Acryl beschichtet.
Das vorgelegte Mariposa-Modell ist in Dorado Green mit hochglänzendem Polyesterlack in Perfektion versiegelt; alle Arbeiten an der Gitarre sind Belege für absolut hochklassige Serienfertigung. Geliefert wird in einem Heavy-Duty-Koffer der mit mehr als 5 kg vor allem heavy ist.
MUSIKALISCH IN AKTION
Der erste Eindruck mag in Sachen Handhabung ja noch von Skepsis geprägt sein ob der leicht eckigen Gestalt der Mariposa. Nimmt man das Leichtgewicht (2,9 kg) aber aufs Knie, verflüchtigen sich alle Vorbehalte sofort… Die Formgebung ist sogar derart ausgewogen, dass nicht nur nichts im Wege steht, sondern alles sich förderlich fügt. Spielkomfort und Spielfreiheit werden optimal unterstützt, die Gitarre liegt perfekt an, richtet sich praxisgerecht aus und bietet über die tief gesetzten Cutaways mitsamt dem weich gerundeten Hals-Korpusübergang besten Griffbrettzugang bis in die hohen Lagen.
Wesentlich für das Spielgefühl ist natürlich immer der Hals und der macht die Sache wieder mal rund. Mit seinem ausgewogenen, eher schlank rundlichen Profil und einem ausgesprochen samtigen Griff erwirbt er sich Bestnoten in Ergonomie und Haptik. Vom akustischen Tonverhalten her gibt es auch nur Bestes zu berichten: stramm, geschlossen, schwingfreudig, ungemeine Strahlkraft – die Eindrücke beim Abhören erster Akkorde könnten schöner nicht sein.
Aber was ist das elektrisch wert?
Die Music Man Custom Wound Humbucker sind mit ihren Widerständen von etwa 13,7 kOhm (Hals) und 15,8 kOhm (Steg) offenbar nicht auf Vintage-Sounds hin ausgelegt. Aber elektrische Widerstände allein haben bekanntlich recht wenig Aussagekraft und wer vorschnell eine Tendenz zur Kraftmeierei vermutet, liegt falsch.
Die Tonabnehmer geben sich vom Output her eher gelassen und stehen in guter dynamischer Staffelung zueinander. Beim Wechsel vom Hals- auf den Steg-Pickup geht es leicht nach vorn, aber maßvoll und im genau richtigen Verhältnis von „volumenreich volltönend ohne zu große Basspräferenz“ hinüber zu „schlank, aber offen und präsent mit sogar unerwartet guten Höhen“. Bemerkenswert in der Schaltstellung Clean ist die stets gute Transparenz mit harmonisch ausgeglichener Stimmlichkeit.
Beim Hals-Pickup bleibt der Bassbereich angenehm stramm, Akkorde werden höchst aufgeräumt, sprich klar definiert transportiert. Mehrklänge über den Steg-Pickup gespielt kommen griffig kompakt und ebenfalls stimmlich transparent, aber durchaus auch perkussiv angriffslustig rüber. Mit beiden Pickups, nicht zu vergessen die perlfrischen Sounds der Kombination der Tonabnehmer, lässt sich harmonische und rhythmische Arbeit absolut stimmig ins Werk setzen und die Vorliebe unseres Protagonisten für üppige FX-Settings kann damit ebenfalls auf höchstem Niveau nachvollzogen werden.
Hintergrund: Lopez mochte angeblich die Gitarre als Instrument lange Zeit überhaupt nicht und nahm sich Effektgeräte als Verbündete, um seinen Feind, die Gitarre, niederzuringen „um sie nach irgendwas anderem klingen zu lassen, als diesem Ding das ich hasste – die Gitarre“.
In Overdrive-Positionen des Amps sorgen die straffen und zugleich schwingfreudigen Anlagen der Mariposa dann für gut eingegrenzte Zerr-Sounds, die sehr fokussiert ihren Weg zum Ohr finden. Der leichte und eher schmale Korpus sorgt in Verbindung mit dem gerösteten Ahornhals plus Ebenholzgriffbrett für ausgesprochen stringente Basis-Sounds. Beim Hals-Pickup münden diese Gegebenheiten in konturstark eingegrenzte, aber doch kraftvoll drückende Powerchords von beachtlicher Präsenz.
Solo-Sounds profitieren vom achtbaren Sustain der Konstruktion, eine starke Obertonentfaltung sorgt aber auch für charaktervolle Tonfarben. Die grundsätzlich kompakte Klangumsetzung ist in Zerre noch ausdrücklicher beim Steg-PU zu beobachten. Knapp angeschlagene Akkorde drücken prächtig nach vorn durch, schön trocken reißen dabei die Basssaiten auf. Dem gesellt sich ein bissiges Top als angemessener Dialogpartner bei, was nichts anderes meint, als dass pointiertes Arbeiten auch im High Gain ohne Indifferenzen oder irgendwelche weichen Unschärfen möglich ist.
Beim Solospiel profitiert der Spieler von der schnellen Ansprache und guten Formbarkeit des Tons. Der Anschlag wird plastisch herausgestellt, was für markant akzentuierte Linien sorgt und dem steht die dynamische Beweglichkeit der Gitarre, sprich sensible Umsetzung der musikalischen Aktion kaum nach. Schlank im Ausdruck, aber entschieden in der Umsetzung – das alles hat definitiv hohes Niveau.
Wichtig zu erwähnen ist unbedingt noch die in den Volume-Reglern verborgen angelegte Gestaltungsoption per Tethered Tone Circuit. Die Regler stehen intern auf einer kleinen Platine mit Kondensatoren und Widerständen, die beim Abregeln effektiv auf den Klang zugreifen. Darüber wird der Ton weicher, verliert gezielt an Höhen, bleibt aber transparent. Bringt das schon ausgezeichnete Ergebnisse bei einzeln geschalteten Pickups, so sind aber vor allem der Zusammenschaltung beider Tonabnehmer mit interagierenden Poti-Stellungen sehr schöne tonfarbliche Facetten abzugewinnen. Mit diesen Reglern lässt sich intuitiv toll arbeiten.
Das Music Man Modern Tremolo, ein aufliegend montiertes Zweipunktsystem mit Einsteckarm und Stahlsätteln aus Bugblech, funktioniert bei maßvollem Gebrauch ganz ausgezeichnet und vor allem stimmstabil. Einziges Manko: die Madenschrauben stehen nach Vintage-Art etwas scharfkantig raus – nicht ganz so schön für Leute, die gerne den Handballen auflegen.
Kleine Anekdote am Rande noch: Mariposa ist auch der Name des Kaffeeservices von Villeroy & Boch, das die Fußballnationalmannschaft der Frauen für den Gewinn der Europameisterschaft 1989 überreicht bekam (hatte übrigens vom Balkon geworfen einen ganz ordentlichen Klirrfaktor – vermutet der Autor).
RESÜMEE
Mit dem Modell Mariposa ergänzt Music Man sein Programm an Solibody Electrics um ein weiteres, exklusiv gestaltetes Design. Schon Vorgänger wie die Signature-Modelle von Albert Lee und St. Vincent zeigten tendenziell geometrische Formgebungen, ohne aber den Aspekt Ergonomie aus dem Auge zu verlieren.
So kann auch die trefflich konstruierte, nur 2,9 kg schwere Mariposa auf lässige Handhabung und spieltechnische Effizienz verweisen, führt gleich darauf aber auch seine starke klangliche Potenz ins Feld. Die Music Man Custom Wound Humbucker setzen kraftvoll, jedoch mit guter Transparenz um. Sie bieten elegante Tonwandlung, packen aber auch fest zu.
Mit den beiden Volume-Reglern lässt sich dank des intuitiv handhabbaren Tethered Tone Circuit überdies klangfarblich effektiv arbeiten. In dieses Paket von Bestleistungen passt natürlich auch das stimmstabile Modern Tremolo, obwohl der Vintage-Aspekt überstehender Madenschrauben nicht recht in eine aktuelle Konzeption wie diese passen will.
Abgesehen davon können wir in der Mariposa aber unbedingt ein höchst stimmig auf den Punkt gezogenes modernes Instrument feiern, das sich perfekt in den exklusiven Kreis der Music Man Designs einfügt. So viel Klasse will bezahlt sein? Sicher, aber bei knapp € 3800 wird die Luft dann schon etwas dünn.
(Bild: Dieter Stork)
Plus
● exklusives Design
● Leichtgewicht
● Schwingverhalten
● Pickups, kraftvolle Sounds
● flexible Tongestaltung per Tethered Tone Circuit
● Hals, Spielkomfort
● Modern Tremolo
● Verarbeitung
Minus
● etwas scharf herausstehende Madenschrauben im Tremolo (Vintage-style halt)