Späte Premiere

Test: Mesa/Boogie Rosette 300/Two:Eight

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(Bild: Dieter Stork)

Mesa Engineering geht inzwischen schwer auf die 50 zu, schließlich sorgten die ersten modifizierten Fender Princeton Boogies bereits Ende der 60er-Jahre in San Franciscos Bay Area mächtig für Furore, bevor die Mesa Boogies weltweit den Markt aufmischten und zahlreiche alte Fender-Amps (vorübergehend) in den Second-Hand-Ecken von Musikläden verstaubten. Warum kommt Randall Smith erst jetzt mit einem Acoustic Amp an die kalifornische Sonne? Gut Ding will Weile haben? Vielleicht sah er die Zeit einfach noch nicht für gekommen.

Wenn schon, dann aber richtig! Diesen Eindruck hinterlässt das Kraftpaket schon beim ersten Anblick. Der Rosette 300/Two:Eight ist das erste Modell der geplanten Rosette Acoustic Series und macht schon mal mächtig neugierig auf das, was da noch kommen mag …

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technik & features

Der Rosette 300/Two:Eight – die Bezeichnung vor dem Slash beziffert die Endstufenleistung, die dahinter weist auf die 2×8″-Lautsprecherbestückung hin – kommt im traditionellen cremefarbenen Tolex-Bezug, mit fettem Ledergriff und ledernen Eckenschonern. Um beim Tragen eine bessere Balance zu erzielen, hätte man den Griff etwas weiter nach vorne platzieren müssen. Ist aber nicht weiter tragisch. Deutlich tiefer als bei anderen Boogie-Combos ist das stabile Birkensperrholzgehäuse, schließlich soll dies den Speakern in der geschlossenen gedämmten Kammer auch genügend Volumen bieten. Ein straffes Frontgewebe auf verschraubtem Holzrahmen bietet den Rosette 150 Achtzöllern und dem 1″ Neo Dome Tweeter ebenso ausreichend Schutz wie der vorstehende Gehäuserand den Potiknöpfen.

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Echtes Leder an den Ecken (Bild: Dieter Stork)

Apropos: Sämtliche Potis, Anschlüsse und die zahlreichen Minikippschalter wurden mit dem Gehäuse verschraubt, die Regler besitzen Metallachsen, die Knöpfe Inbusschrauben. Solider geht‘s nicht. Wie bei Boogie üblich, garantieren große Gummifüße sicheren Stand. Aus dem Gehäuseboden ragt ein kleiner schwarzer Gummiknopf heraus, der sich dank steiler Gewindegänge sehr schnell herausdrehen lässt und sich als Schrägsteller entpuppt. Mit ihm kann der Amp und damit natürlich vor allem die Schallwand stufenlos von 3°-64° (!) nach hinten geneigt werden. Genial einfach und praktisch fürs eigene Monitoring.

Das oberhalb der Lautsprecherkammer eingeschobene Ampchassis wurde aus 1,7 mm Alublech gebogen, an allen Kanten verschweißt und hängt an vier Gewindeschrauben unter der Gehäusedecke. Trotz umfangreicher Ausstattung bringt das Chassis dank Schaltnetzteil (AC100V-240V) und Class-D-Endstufe gerade mal glatte 2 kg auf die Waage.

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Ganz schön schräg! (Bild: Dieter Stork)

Nun ja, dafür sieht es im Innern auch relativ leer aus, wenngleich die Verarbeitung höchste Sorgfalt erkennen lässt. Boogie hat die beiden bis auf den XLR-Eingang und den Mic/Pickup-Wahlschalter von Channel 1 identischen Kanäle wie die Kanalzüge eines hochwertigen Mischpultes mit zweifach semiparametrischer Mittenklangreglung aufgebaut: Input(s), Mute, Clip-LED, Phasen-Umkehr, Gain, FX Send, Hi-Pass-Filter (40-200 Hz, 12dB/Oktave), Bass (+/-14 dB @ 100 Hz,), Low Mid Gain (+/-14 dB) und Frequency (150-1800 Hz), Hi Mid Gain (+/-14 dB) und Frequency (300-5000 Hz), sowie Treble (+/-14 dB @ 8 kHz).

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Die Master-Sektion umfasst den FX-Select-Schalter (Reverb+Chorus, Room Reverb, Hall Reverb), drei Parameter-Regler sowie FX Level und Volume. Abhängig vom gewählten Effekt lassen sich mit den drei Potis folgende Effektparameter bearbeiten, die Settings allerdings nicht speichern:

Chorus + Reverb:

Parameter 1: Reverb Mix (0-100%, Dry/Wet)

Parameter 2: Chorus Rate (Speed)

Parameter 3: Chorus Mix (0-100%, Dry/Wet)

Room Reverb und Hall Reverb:

Parameter 1: Reverb Time

Parameter 2: Low Cut Filter

Parameter 3: High Cut Filter

Zahlreiche farbige LEDs kontrollieren Funktionen wie Phantom Power, Mute, Clip, Phase Out, Power und FX Bypass (bei Fußschalterbetrieb). Limit (Endstufen-Clipping) und Protect (allgemeine Fehlfunktion oder Überhitzung der Endstufe) dienen allein zum Schutz der Power Section.

Auf der Rückseite präsentieren sich ein großzügig ausgestattetes Anschlussfeld und sage und schreibe acht (!) kleine Kippschalter. Jeder Kanal besitzt einen symmetrischen XLR Out und beide Kanäle noch einmal einen gemeinsamen, dessen Signal hinter den EQs und Effekten abgezweigt wird (post). Während bei allen drei Ausgängen Ground-Lift- und Mic/Line-(Pegel)-Schalter zur Verfügung stehen, kann der EQ/FX-Abgriff bei den CH1- und CH2-Ausgängen gewählt werden (pre/post).

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Üppig: 10 Schalter, 11 Anschlüsse (Bild: Dieter Stork)

Sieben Klinkenbuchsen und der Netzkabelanschluss komplettieren die Rückseite. Der Aux Input (Mono/Stereo) dient quasi als dritter Kanal mit festgelegtem Line Level. Es folgen eine parallele FX Loop mit Send und Return, der Anschluss für den FX-Bypass-Fußschalter, Stereobuchsen für einen Doppelfußschalter (CH1/CH2 Mute) und Kopfhörer (8- 32 Ohm) sowie der (belegte) Ausgang für die bordeigenen Lautsprecher, deren Kabel durch eine Anschlussplatte in die Speaker-Kammer geführt wird. Auf der Rückseite dieses Blechs befindet sich die passive Frequenzweiche, außen ein Wippschalter, der den Hochtöner deaktiviert bzw. dessen Pegel um 6 dB reduziert. Da man die Rückwand um 35 mm nach innen versetzt hat, sind Anschlüsse und Stecker bestens geschützt, und auf zwei T-förmigen Kunststoffhaltern kann sogar das Netzkabel zum Transport gewickelt werden. Ziehen sollte man den Netzstecker dennoch, da er zu weit vorsteht.

klangeindruck & bedienung

Obgleich die Class-D-Endstufe des Rosette 300 nominal nur 50 Watt mehr als die des H&K era 1 leistet, erscheint hier der Ausgangspegel deutlich höher. Dabei klingt der Amp voluminöser und kraftvoller, sehr transparent aber niemals steril, was nicht zuletzt auch den beiden 8-Zöllern, der größeren Lautsprecherkammer und dem leistungsstarken Hochtöner zu verdanken ist. Das Klangbild zeichnet sich durch Transparenz und angenehme Wärme aus und bildet die bei diesem Test eingesetzten Instrumente und Pickup-Systeme wie Sigma 000MR mit Shadow M-Sonic Nanoflex V, Larrivée OM mit Fishman Rare Earth Schallloch-Humbucker, Cuenca CTW.50 Nylon mit Fishman Prefix PROBlend, Washburn M5 Mandoline mit Fishman Piezo Bridge und National Style O mit Highlander IP-1X Pickup ausgesprochen natürlich ab.

Um für bestimmte Einsätze gerüstet und insgesamt flexibler sein zu können, hätte ich mir für Channel 2 ebenfalls einen XLR-Eingang oder zumindest Kombibuchsen gewünscht. Zwar bietet der sehr effizient agierende 4-Band EQ mit seinen beiden semiparametrischen Mittenbereichen sehr gezielte Bearbeitungsmöglichkeiten, ist jedoch wegen der etwas komplizierteren Handhabung nicht jedermanns Sache. Wer jedoch den EQ einzusetzen weiß, wird seine Freude daran haben.

Auf den ersten Blick vermisst man ein Notch- oder Anti-Feedback Filter. Mesa Boogie ersetzt dieses durch Phasen-Umkehr-Schalter, High-Pass Filter und… die Mitten-EQs. Während Erstere tatsächlich Feedbacks wirksam „on-the-fly“ mindern, eignet sich das High-Pass-Filter eher zum „Entdröhnen“ von basslastigen Instrumenten mit großen Bodies. Effizienter lassen sich hier tatsächlich die Mitten-EQs einsetzen.

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Kanalzüge wie bei einem Mischpult (Bild: Dieter Stork)

Das eher spartanisch anmutende Effektangebot bietet jeweils drei variable Parameter ohne Speichermöglichkeit. Entschädigt wird man dafür mit sehr natürlich, offen und dicht tönenden Reverbs und einem extrem sauber, gleichmäßig und räumlich klingenden Chorus – tolle Effekte in Studioqualität. Ohnehin bin ich der Meinung, dass Room- und Hall-Reverbs sowie ein gut klingender Modulationseffekt für einen Acoustic-Amp völlig ausreichen. Alles andere lässt sich mit der parallelen FX Loop bewerkstelligen, die jedoch die internen Effekte deaktiviert, sobald die Return-Buchse belegt wird. Kommt ein externer FX-Prozessor zum Einsatz, sollte dieser 100% Effektsignal liefern, da die FX-Send- und FX-Master-Regler dieses zumischen. Ausgereift ist auch die Arbeitsweise eines an FX Bypass angeschlossenen Fußschalters, der nicht nur die internen, sondern auch externe Effekte verstummen lässt.

Jeder FOH-Techniker wird sich über die pro Kanal getrennt zur Verfügung stehenden symmetrischen XLR D.I. Outs mit Ground-Lift-, Level- und Pre/Post-EQ-Schaltern freuen. So kann er unterschiedliche Instrumente individuell abstimmen. Der dritte D.I.-Out liefert das Summensignal (inklusive Effekte) beider Kanäle. Schade nur, dass Mesa hier auf den EQ-Schalter verzichtet hat. Der Aux Input akzeptiert sowohl Mono- als auch Stereosignale. Das Fehlen eines Level-Potis ist hier durchaus verschmerzbar, da die meisten Instrumente mit Onboard-Preamps bzw. Wiedergabegeräte regelbare Outputs besitzen. Selbstverständlich können die beiden Kanäle auch getrennt per Fußschalter gemutet werden.

Am Phones-Anschluss, dessen Signal übrigens eine Cabinet Simulation durchläuft, lassen sich Kopfhörer mit 8-32 Ohm betreiben, während die Bordlautsprecher aktiv bleiben. Um selbige verstummen zu lassen, darf das Speaker-Kabel aus dem Anschluss entfernt werden. Schaltet man Channel 1 auf Mic-Betrieb, wird automatisch Phantom Power aktiviert, worauf die Phantom-LED aufleuchtet. Mikrofone, die keine Phantom Power benötigen, nehmen dadurch keinen Schaden. Warum bieten dann andere Hersteller diese Spannungsversorgung überhaupt schaltbar an?

Der abschließende Test mit einem Shure SM58 belegt auch die Qualitäten des Rosette 300 als leistungsstarke Klein-PA. Speziell die semiparametrischen Mitten-EQs tragen nicht unerheblich zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit bei. Noch eine Anmerkung zur orangen Limit-LED: Diese signalisiert durch Flackern, dass sich die Endstufe der maximalen Belastung nähert und in den Soft Clip Mode wechselt. Dieser simuliert die bei Röhrenendstufen gewünschten Verzerrungen während er unangenehmes Halbleiter-Clipping vermeidet. Der Soft-Clip-Schaltkreis besitzt eine Toleranz von etwa 4 dB. Höhere Pegel erzeugen allmähliches Endstufen-Clipping. Der Mesa/Boogie Rosette 300 verkraftet Endstufenverzerrung solange die LED nicht dauerhaft flackert. Der um -6dB absenk- bzw. gänzlich abschaltbare Hochtöner verwandelt den Rosette 300 in einen erstklassigen Verstärker für glasklare, warme Jazzgitarren-Sounds.

resümee

Was lange währt … Selten hat sich ein Sprichwort dermaßen bestätigt wie beim Mesa/Boogie Rosette 300. Okay, der Combo ist nicht sonderlich kompakt, auch nicht sonderlich leicht, und preisgünstig ist er schon gar nicht. Dennoch ist er jeden €-Cent wert, und das nicht nur wegen seines hervorragenden Klangs und seiner umfangreichen Ausstattung. Überzeugend ist auch die solide Verarbeitung. Schon das Drehen der hochwertigen Potis lässt die Qualität erkennen: Sahnig weich, nicht zu leichtgängig, nichts wackelt oder assoziiert „Low Budget“. Weder Potis, noch Schalter, noch Anschlussbuchsen, auch nicht der fette Ledergriff, die ledernen Eckenschützer, die massigen Gummifüße, erst recht nicht der gleichermaßen simple wie geniale Schrägsteller. Allein das zum Lieferumfang zählende Dustcover – zu mehr taugt es auch nicht – wird der Klasse dieses Combos nicht gerecht. [1638]

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(aus Gitarre & Bass 09/2017)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. guter, objektiver Testbericht – ergänzend ist zu sagen, dass der Rosette Amp sehr gut für jazzige Cleansounds geeignet ist, wobei hier zugute kommt, dass der Tweeter ausschaltbar ist. Insgesamt hat mich der Rosette Amp voll überzeugt.

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