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Test: Meigel 17 Zoll Jazz Modell

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(Bild: Dieter Stork)

Opulente Archtop-Gitarren haben etwas überkommen Archaisches, wirken wie Überlebende einer untergegangenen Epoche. Bekommt man aber ein großartig gebautes Exemplar unter die Finger, weiß man schlagartig wieder, was diese Ära einst so groß und einflussreich gemacht hat.

Stefan Meigel hat seinen Meisterbrief für das Zupfinstrumentenmacher-Handwerk 2007 erhalten und betreibt heute ein Atelier für Gitarrenbau südlich von München im bayerischen Bad Heilbrunn/Obersteinbach. Etwa 15 bis 18 Archtops verlassen jährlich seine Werkstatt und damit gut die Hälfte der Gitarrenproduktion, die auch Steelstrings, akustische Bässe und Electrics umfasst.

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Alte Tonhölzer, von Hand geschnitzt

Bei dem 17 Zoll Jazz Modell von Stefan Meigel handelt es sich um eine voluminöse Archtop ohne Cutaway mit einem Korpus aus zweiteilig gefügtem, geflammtem Ahorn, der mit einer Decke aus feiner Alpenfichte kombiniert wurde. Zum Einsatz kamen hochwertige Tonhölzer aus einem etwa 45 Jahre alten Lagerbestand. Decke und Boden wurden ohne jeglichen Maschineneinsatz aufwendig von Hand geschnitzt und sorgfältig auf optimale Klangergebnisse hin kalibriert.

Decke aus feinjähriger Alpenfichte (Bild: Dieter Stork)

Ungewöhnlich für Archtops ist die Unterbauung mit einer Kreuzbeleistung wie sie bei Acoustics opportun ist, anstelle der üblichen parallel gesetzten Balken. Die Zargenränder sind mit mehrfach unterlegten Bindings aus geflammtem Ahorn eingefasst. Zwei kunstvoll geschnitzte f-Löcher unterstützen das stimmige traditionelle Erscheinungsbild der Gitarre. Im Gegensatz zur großen Oberfläche von Decke und Boden ist die Zargentiefe der Archtop mit 7,7 cm am Halsansatz eher flach gewählt.

Der zweiteilig über einen Streifen aus Kirschbaum gefügte Hals aus Riegelahorn wurde mit gut flach ausgekehltem Halsfuß großflächig in den Korpus eingeleimt.

Das mit hellen Ahorn-Bindings eingefasste Griffbrett aus Ebenholz ist mit 21 sauber abgerichteten und kantenglatt verarbeiteten Bünden mittlerer Stärke ausgestattet, auf Ziereinlagen wurde komplett verzichtet. Auf der mit Ebenholz belegten großen Kopfplatte sorgen leichtgängige Mechaniken von Gotoh für ein unkompliziertes Stimmen der Gitarre.

Schöne Details aus Kirschbaum: Wirbel, Halsstab-Abdeckung u. a. (Bild: Dieter Stork)

Die geschliffenen Saiten schwingen mit einer Mensurlänge von 62,8 cm zwischen dem fein abgeglichenen Sattel aus Knochen und einer perfekt an die Deckenwölbung angepassten Aufsatzbrücke aus Ebenholz mit längenkompensierter Auflage. Eingehängt sind sie in einen hinten auf die Zarge geschraubten Saitenhalter aus Ebenholz. Die schlichte Eleganz der Archtop unterstützen dann noch einige aus Kirschbaumholz geschaffene Details, wie die Abdeckung des Halsstabs, die Wirbel der Mechaniken, das Pickguard und die Auflage des Saitenhalters.

Für die elektrische Verstärkung steht ein vorn an den Hals platzierter, über der Decke schwebender Benedetto Humbucker zur Verfügung, lediglich kontrolliert von einem kleinen Lautstärkeregler auf dem Pickguard. Angeschlossen wird über eine dezent als Gurtpin ausgelegte Buchse.

Alle detailgenau ausgeführten Arbeiten an dieser Gitarre bezeugen Handwerkskunst auf höchstem Niveau. Geliefert wird das Instrument in einem angemessen hochwertigen Koffer.

Klang- und Spieleigenschaften

Das 17 Zoll Jazz Modell des Stefan Meigel wiegt nur etwas mehr als 2,5 kg und fügt sich mit seinem vergleichsweise schmalen Korpus überraschend kommod an den Spieler. Es bietet damit nicht nur gute Armauflage, sondern auch perfekte Griffbrettaufsicht. Für ein Instrument dieses Formats sind die Spielbedingungen also überraschend komfortabel, was von dem wunderbar geschmeidig von Hand ausgeformten Halsprofil plus Griffbrett von 12″-Radius mit tief eingerichteter Saitenlage auf perfekt gemachter Bundierung noch spielförderlich unterstützt wird.

Dieser absolut griffig austarierte Hals macht den Zugang leicht, die geschliffenen Saiten (12er Satz) bieten genau den Widerstand, nach dem die greifende Hand bei so einem Instrument verlangt. Eine sorgfältig von Hand gebaute Archtop muss sich zunächst und vor allen Dingen an ihrem akustischen Potential messen lassen und das kann sich in diesem Fall auf langjährig getrocknete Tonhölzer stützen. Was es ausmacht, ist aber die kundige Hand des Gitarrenbauers, dessen Kunstfertigkeit, Erfahrung und hörende Widmung dem Material erst seine ihm innewohnenden Kräfte abzuringen vermag.

Die atmende Wärme, schwingintensive Tonentfaltung und dynamische Beweglichkeit des vorliegenden Instruments ehrt in diesem Sinne seinen Erbauer. Für eine Gitarre dieser Bauart ist die Basstonfülle fast schon erstaunlich und auch das Sustain, also das in diesem Falle höchst elegante ebenmäßige Abschwingverhalten der Saiten, ist ausdauernder als Standard und sogar recht gleichmäßig über das gesamte Griffbrett hinweg erzielbar.

Archtops neigen in der Regel zu einem perkussiv pointierten Anschlagsverhalten mit eher schnell abfallender Schwingkurve, nicht unbedingt zu bemerkenswerter Tonlänge. Die Kreuzbeleistung unseres Testkandidaten mag an diesen außerordentlichen Phänomenen einen gewissen Anteil haben. Natürlich aber wartet auch das 17 Zoll Jazz Modell von Meigel mit markant herausgestelltem Anschlag auf, bietet eine geradezu plastische Auflösung von Akkorden und lässt Linien mit griffiger Kontur vom Griffbrett perlen. Die saftige Tonfarbe ist vom Holz geprägt und wie immer bei geschliffenen Saiten, erfolgen Lagenwechsel ohne nennenswerte Nebengeräusche.

Was kann der Benedetto Humbucker aus diesen hervorragenden akustischen Toneigenschaften nun elektrisch noch holen? Die gute Nachricht ist: Das kraftvolle und farbreiche Timbre der Archtop wird über den Tonabnehmer weitgehend authentisch transportiert. Mit samtenem Firniss und trocken holziger Note kommen die überaus konkret intonierenden Bässe zum Zuge und lassen sich über den Anschlag dynamisch perfekt steuern. Dem stehen die warm atmenden Mitten und das offene Höhentop kaum nach. Akkorde profitieren von der trennscharfen Auflösung in ihre Stimmen, zeigen aber auch beste harmonische Eleganz; Linien erscheinen durch die markante Anschlagsperkussion wie Perlen auf Schnur gezogen. Die elektrische Wiedergabe über einen einzelnen Pickup mit nur einem Volume-Regler zur Kontrolle bleibt natürlich auf den einen zentralen Sound begrenzt, lediglich beim Abregeln der Lautstärke sind leichte Veränderungen in Präsenz und Klangfarbe zu erzielen. Weitergehende Bearbeitung ist also nur im Nachgang möglich. Ziel der elektrischen Umsetzung ist nun aber, den Ton der Gitarre möglichst naturnah zu wandeln und das gelingt auch mit Bravour.

Besonders seien am Ende aber noch einmal die hervorragenden Spieleigenschaften der Meigel-Archtop hervorgehoben. Die Finger tanzen mit Freude über die Saiten, jede Aktion und spieltechnische Finesse wird von der überaus direkten Ansprache und dem famosen Dynamikverhalten der Gitarre geradezu befeuert, alle Arten der Artikulation erfahren damit perfekte Unterstützung – ein Traum von Dialog zwischen Mensch und Maschine!

In gute Wölbung geschnitzter Boden aus geflammtem Ahorn (Bild: Dieter Stork)

Resümee

Mit seinem 17 Zoll Jazz Modell weist Stefan Meigel seine hohe Meisterschaft im Bau von Archtops demonstrativ nach. Die vorgelegte Gitarre verfügt nicht nur über hervorragende Spieleigenschaften, sie kann auch Kapital aus besonders guten und alten Tonhölzern schlagen, was in Verbindung mit gitarrenbauerischer Kunstfertigkeit zu einem Instrument außerordentlicher Klanggüte führt. Die besondere Tonsubstanz und Klangtiefe dieser Archtop vermittelt ein Gefühl von zeitloser Eleganz, von klassischem Flair, und bleibt doch frei vom Staub der Geschichte. Traditioneller Boden bietet hier die Grundlage für die Öffnung in moderne Umsetzungen im Jazz-Kontext und da ist der Verzicht auf einen Tone-Regler für den bedämpft antiquierten Handschuhton nur konsequent. Wer den braucht, bekommt ihn natürlich auch.

Dafür steht ja gerade der individuelle Gitarrenbau und Stefan Meigel gehört in diesem Sinne zu den besten Adressen im Land. Tolle Arbeit, Chapeau!

PLUS

  • souveränes Design
  • 45 Jahre gelagerte Tonhölzer
  • Decke und Boden komplett handgeschnitzt
  • akustische Tonkompetenz
  • Benedetto Pickup, elektrischer Sound
  • Halsform, Bundierung
  • Spieleigenschaften
  • minutiöse Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Bestimmt eine Super-Gitarre die ihr Geld wert ist – kann ich aber nicht kommentieren, ich kenne sie nicht.
    Allerdings muss ich mal etwas Allgemeines loswerden: Eine (theoretisch) entsprechende chinesische oder koreanische Gitarre kostet 1000 € weniger
    und dabei gehen 1000 € Profit an Leute die mit Gitarrenbau nichts zu tun haben. Warum gibt es in Deutschland keine Gitarrenhersteller die ohne “Boutique”- Anspruch einfach gut und rationell und preiswert ihr Handwerk machen? Warum müssen deutsche Musiker die nicht reich sind diese seelenlosen Globalisierungsprodukte kaufen? !0 Jahre Holz lagern reicht auch, es muss auch nicht geflammt sein, und eine Fräse für´s Grobe einsetzen schadet der Gitarre nicht – dann kann man solche Instrumente für 3000 € verkaufen und gut davon leben.

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