Viva la revolution!

Test: Martin SC 13-E

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(Bild: Dieter Stork)

Beim Namen „Martin & Co.“ denkt man sofort an Steelstring-Historie, 100 Jahre alte Baupläne, ewig gültige Blaupausen für den Akustikgitarrenbau …

Und dann packt man die SC 13-E aus. Wow, da wurde aber kräftig an ein paar Stellschrauben gedreht (anno 2020) und der „Wahlschalter auf modern gestellt“. Was sofort ins Auge springt: Asymmetrische Korpusform, Schraubhals, Cutaway, Elektronik, neu geformter Halsübergang, seltsame Bodenbeleistung.

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NEUE WEGE

Okay, es gibt einiges zu besprechen. Martin versucht hier nicht weniger als den Spagat zwischen einer gewohnt erstklassig klingenden Akustikgitarre und einem modernen Bühneninstrument mit E-Gitarren-Komfort. Das Modell entstammt der Road-Serie und stellt im Übrigen das oberste Niveau dessen dar, was Martin in Mexiko herstellt. Die asymmetrische „S“-Form des Bodys bringt sofort viel Modernität ins Bild.

Sichtbares X-Bracing und Vinyl-Style-Label (Bild: Dieter Stork)

Die Decke aus massiver Fichte ist mit einem speziellen Bracing stabilisiert, welches sich der Korpusform anpasst, und sowohl für ausgewogenen Acoustic-Sound, als auch für bestmögliche Feedback-Unempfindlichkeit im E-Betrieb sorgt. Boden und Zargen bestehen aus massivem Mahagoni, das mit einem dünnen, äußerst attraktiven Koa-Furnier belegt ist.

Die Gitarre befindet sich bei einer Zargentiefe von 82 bis 102 mm in etwa auf 000-Terrain. Bei der Bodenbeleistung dachten sich die Martin-Designer: „Warum soll man ein X-Bracing nicht auch mal sehen können?“ … und einfach, weil’s Spaß macht, haben sie dem Label dort ein Vinyl-Album-Design verpasst.

Richtig interessant wird es beim Hals. Er ist von oben in den Korpus geführt und mit zwei Schrauben fixiert. Das nennt sich „Sure Align Neck System“ und bietet ungeahnte Möglichkeiten. Es lässt sich nämlich nicht nur (wie gewöhnlich) die Halskrümmung justieren, sondern auch der generelle Halswinkel und die Intonation!

Halsverbindung über Inbusschrauben (Bild: Dieter Stork)

Ja, der Hals lässt sich per Inbus im Schallloch nach vorne und hinten verschieben. Am Korpus angesetzt wurde der Hals – nomen est omen – am 13. Bund und die einzigartige Ausformung des rückseitigen Hals/Korpus-Übergangs bietet wahrscheinlich eine sehr gute Bespielbarkeit der höchsten Lagen.

Das Halsmaterial ist Mahagoni, belegt mit einem Ebenholzgriffbrett. Dieses beherbergt 20 schlanke Bünde, Dot-Inlays in den üblichen Lagen, ein markantes „Bullseye“-Inlay im 12. Bund und kleine Markierungen in der Griffbrettkante – gute Navigation ist gesichert. Das Einzige, was einem Traditionalisten vertraut vorkommt, ist die Kopfplatte mit typischem Zuschnitt, Martin-Logo und offenen Grover-Mechaniken mit Butterbean-Stimmwirbeln.

Onboard-Tuner im Schallloch (Bild: Dieter Stork)

Zur Elektronik: Verbaut ist das Fishman-MX-T-System mit einem Piezo-Pickup unter der Stegeinlage. Am oberen Schalllochrand finden sich zwei Drehregler für Volume und Tone sowie ein kleiner Phase-Schalter. Gegenüber, am unteren Rand – geschickt platziert und gut ablesbar – sitzt ein Tuner, der bei Benutzung das Signal mutet und diskretes Stimmen ermöglicht. Das Signal wird hinten an der Zarge per Klinke-Out herausgegeben. Hier findet sich auch das leicht zugängliche Batteriefach (9V-Block). Der Gurtpin ist zur Decke hin versetzt. Die SC 13-E kommt insgesamt erstklassig verarbeitet und werksseitig tipptopp eingestellt in einem sehr guten Gigbag zum neuen Besitzer.

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ALTE IDEALE

Wer sich für annähernd 2000 Euro eine Martin kauft, der möchte natürlich zuvorderst eine richtig gute Acoustic haben – und die bekommt er auch. Die ersten Akkorde präsentieren sich laut, klar, vollmundig, mit viel Dynamik und Sustain. Das Klangbild passt eben nur in keine bestehende Schublade mit der Aufschrift „OM“ oder „Dreadnought“ oder ähnlichem.

Die SC 13-E hat einen richtig guten, aber eigenen Akustikklang, der absolut imstande ist, auch einem traditionell ausgerichteten Acoustic-Player Freude zu bereiten. Und dann kommt die Bespielbarkeit – da kann nun wirklich niemand etwas dagegen haben. Einfach allererste Sahne! Mit der Saitenlage einer E-Gitarre (.011er-Satz) geht es durch alle Lagen. Solos lassen sich total easy aus dem Handgelenk schütteln.

Mit dieser Gitarre kann man sicherlich auch lange Schichten auf der Bühne gut überstehen. Dazu trägt auch das raffinierte Halsprofil bei – es ist in den tiefen Lagen unter den Basssaiten schlanker, und in den hohen Registern unter den Diskantsaiten. Man muss es nochmal extra betonen: Wie die Spielhand vom 1. bis über den Korpusrand hinweg zum 20. Bund geführt wird, ist ohne Beispiel. Hut ab! Auch der Einsatz eines Kapos auf hohen Bünden ist leichter denn je – sogar am 10. Bund angebracht, kann ich problemlos ein Lagerfeuer-G greifen und erhalte so ein F-Akkord mit ganz neuem Voicing.

Dieses Road-Modell soll ja auf die Bühne und somit verstärkt gespielt werden. Also Kabel rein und los. Da die gesamte Korpus-Konstruktion der Unempfindlichkeit in Sachen Feedback dienen soll, versuche ich erstmal genau so eine Rückkopplung zu provozieren … Gain schön weit auf, Bässe voll rein, Volume hoch … ich habe wohl noch nie so laut getestet wie jetzt gerade, aber: kein Feedback in Sicht. Alle Achtung.

Der Sound ist überzeugend, der Klangregler ist recht dezent in seiner Wirkung, was aber völlig OK ist, wenn der Grundsound stimmt. Ein Problem gibt es aber, und ich hoffe und nehme an, es liegt nur bei diesem Exemplar vor: Die tiefe E-Saite wird leiser übertragen als die anderen fünf Saiten. Das darf in dieser Liga nicht passieren, lässt sich aber beheben.

RESÜMEE

Mit der SC 13-E hat Martin als angesehener Traditionshersteller einen mutigen Schritt gemacht, der sich vollkommen bezahlt macht. Wir haben hier nicht etwa eine Gitarre mit einigen trendigen Gimmicks, sondern ein komplett durchdachtes, modernes „Workhorse“ für Anspruchsvolle. Die Features und baulichen Besonderheiten dieses Instruments machen durchweg Sinn. Und ja, das ist durch und durch eine Martin … eine etwas andere Martin. Tolle Gitarre – unbedingt antesten!

PLUS

● komplett neu konzipierte E-Acoustic
● revolutionäre Halsanbringung
● erweiterte Justage-Möglichkeiten
● Verarbeitung, Lackierung, Werkseinstellung
● Halsprofil, Bespielbarkeit
● akustisch wie auch elektrisch überzeugender Klang
● völlige Feedback-Unempfindlichkeit

MINUS

● tiefe E-Saite elektrisch zu leise übertragen

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2023)

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