Ganz exklusiv können wir euch hier das neue Marleaux-Modell vorstellen. In der Kosmetik steht der Nude-Look für die Nutzung von Naturtönen, die am Ende ein Aussehen wie ungeschminkt erzeugen sollen. Beim Votan Nude kommen warme Natur-Holztöne zusammen mit einer ungeschminkten Bauweise, die die Verantwortung für den schönen Ton in die Hände der Spielerin oder des Spielers legt.
Am Anfang war das Mahagoni, und das Mahagoni war gut … Nach Feinjustierungen an der Fräse sollte diese mit ein paar Halsrohlingen getestet werden, wofür besagtes Mahagoni zum Einsatz kam. Als man nun zufrieden die gelungenen Ergebnisse in Händen hielt, kam schnell die Idee auf, diese zu Ende zu nutzen, die Hälse fertig zu machen, und Bässe quasi drumherum zu bauen.
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ZU SCHADE FÜR DEN KAMIN
Das Material inspirierte wiederum die Entscheidung, den Bass bundlos zu machen. Also hat der Nude ein Palisandergriffbrett mit 22 mit hellen Streifen markierten Lagen. Anders als für Bundschlitze nötig, wurde nur ganz eben in das Griffbrett eingesägt, was dadurch praktisch unbeeinflusst bleibt. Die Diskussion, ob ein Fretless liniert sein sollte oder nicht, wird oft hitzig geführt. Ich mag es, ein Bundlos-Held wie Mark Egan ist fein damit – wer es nicht möchte wird bei Marleaux sicher auch ohne Markierungen ordern können.
Die Dots zur Lagenmarkierung sitzen an den von Bundbässen gewohnten Stellen, auch das wieder so ein Thema, aber – siehe vorigen Satz. Der Knochensattel ist optimal gefeilt für beste Intonation und leichtes Spiel in den unteren Lagen, das Palisander sauberst abgerichtet. Gestimmt wird mit den guten Schaller M4 in der Light-Variante, die wie die gesamte Hardware einen leicht geageten Kupfer- respektive Rosé-Look zeigt. Die gesamte Hardware? Nein! Ein kleines Metallteil tanzt aus der Reihe. Corona-bedingt war der Saitenniederhalter bis auf Weiteres nicht passend zu bekommen, ergo muss ein schwarzer herhalten.
Wo wir schon bei der Hardware sind, die besteht ansonsten aus Schaller S-Lock Pins (die passenden Gegenstücke werden natürlich mitgeliefert), griffigen Potiknöpfen, und der bewährten ETS-Tuning-Fork-Brücke, die in Oktave, Saitenlage, und in Maßen auch im Saitenabstand justiert werden kann. Die Oktave ist immer etwas mühsam, die Madenschraube zur Fixierung des Böckchens muss gelöst werden, die Saite entspannt, das Böckchen von Hand versetzt, die Saite wieder gestimmt, und die Madenschraube wieder angezogen oder, wenn es noch nicht passt, der Vorgang wiederholt werden. Ist bei diesem Design einfach so, dafür ist sie natürlich bombenfest, wenn alles fixiert ist. Außerdem können die Ballends eingehängt werden, was immer sehr praktisch ist.
Regionales Tonholz kam für den Korpus zum Einsatz. Formal ist das ein Votan, der bei Marleaux die zeitweise gebauten Fender-ähnlichen Bässe abgelöst hat und deren Aufbau in eine eigene Form überführt, in der kleineren XS-Variante. Ich kannte Thuja bis dato nur als Heckenpflanze, dabei gibt es auch Bäume, und als Rot-Zeder ist es als Deckenholz bei Akustikgitarren verbreitet. Wieder was gelernt!
Beim Marleaux zeigt sich das zweiteilig zusammengeleimte Holz sehr fein gemasert. Der optischen Abrundung dient ein hölzernes Schlagbrett aus Mahagoni, welches mit Klebepunkten ablösbar befestigt ist. Die Entscheidung, den Bass so schlicht wie möglich zu machen und ihn auf das Wesentliche zu reduzieren, bestimmt auch die Tonabnahme. Ein einzelner ovaler Delano Xtender sitzt in der Stegposition, gekoppelt mit Volume- und Tone-Regler. Drei Verschaltungs- und damit Tonvarianten sind am Minischalter abzurufen.
Dem holzigen Thema folgend, findet sich auf der Rückseite des Bodies neben der sechsfachen Verschraubung des Halses und dem obligatorischen Shaping der saugend passend sitzende Mahagoni-Deckel des E-Fachs. Obwohl sich seltenst die Notwendigkeit ergeben dürfte, das Fach öffnen zu müssen, ist der Deckel mit Gewindeschrauben fixiert, die in Messinggewinde im Korpus greifen. Wenig überraschend gibt es aus dem E-Fach nur akkurateste Abschirmung und ebensolche Verlötung zu berichten.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass sich die Liebe zum Detail auch auf das Zubehör erstreckt. Im sehr guten Canto-Gigbag steckt eine Mappe mit dem Instrumentenpass und weiteren Goodies, ein Putztuch, dazu Inbusschlüssel und die Gegenstücke für die Schaller S-Locks in einem Lederbeutelchen, das hervorragend zum natürlichen Look des Basses passt.
MIT LEICHTIGKEIT
Am Gurt ist der Votan Nude die helle Freude! Mit einem Gewicht von unter 3,5 kg spürt man ihn kaum auf der Schulter. Dank der ultraleichten Schaller-Mechaniken, die ihren Dienst wie gewohnt sahnig drehend und stabil die Stimmung haltend verrichten, ist der Bass nicht mal ansatzweise kopflastig. Mit den Shapings liegt er gut an und ist über Stunden leicht zu bespielen.
Die Halsform geht von einem milden C am Sattel harmonisch in ein flacheres D über, das handschmeichlerisch polierte Mahagoni schmiegt sich dabei herrlich in die linke Hand. Die Werkseinstellung ist schlicht perfekt und zeugt von Geralds Credo, dass die Tonbildung auf einem Marleaux locker und leicht erfolgen soll.
Über die Testdauer blieb der Bass auch vollkommen stabil in seiner Abstimmung, trotzdem habe ich noch etwas mit dem Halsstab gespielt, mit dem sich die Halskrümmung ebenso mühelos wie präzise einstellen lässt. Wie gesagt, nötig war das nicht. Die aufgezogenen LaBella White Nylons in den Stärken 50 auf 135 habe ich zum ersten Mal unter den Fingern und bin überzeugt. Die namensgebende Nylon-Tape-Wicklung sieht mit ihrer weißtransparenten Optik nicht nur cool aus, sie fasst sich auch noch extrem glatt an und ist überaus freundlich zu Fingern wie Griffbrett gleichermaßen.
Trocken angespielt spricht der Ton mit einem schönen Schmatzen an, das mich direkt dazu bringt, erstmal eine Runde zu slappen. Gezupft und den Tönen mehr Gelegenheit gebend, auch auszuklingen, singen sie gar herrlich. Und das gilt für jeden Ton, in jeder Lage – wirklich sehr beeindruckend!
Am Amp und mit dem Minischalter in Mittelstellung kommen J-bassige Anklänge auf. Kein Wunder, sind hier doch die beiden stegnäheren Spulen aktiv, die dem Steg-Pickup eines Jazz Basses am nächsten kommen. Auch wenn das der Einfachheit halber als Singlecoil-Modus geführt wird, haben wir es mit einem Humbucker zu tun, der jegliche Nebengeräusche außen vor lässt, aber trotzdem die typische Offenheit und den typischen Biss an den Tag legt.
Nach oben geschaltet bleibt es brummfrei, die Spulen sind hier parallel geschaltet. Der Biss tritt etwas zurück, der Ton wird glatter, behält aber seine offene Qualität und die Gleichmäßigkeit bis in den Basskeller. Mit einem beherrschbaren Lautstärkesprung geht es in den seriellen Modus, hier packt der Xtender den vollen Mittendruck aus, der dem Fretless exzellent zu Gesicht steht. Das wären dann schon mal eine dezente und eine deutliche Klangveränderung, die sich darüber abrufen lässt, und dann mit dem Anschlag noch weiter variiert werden kann.
Ob ich den Daumen in der dafür vorgesehenen kleinen Mulde am Pickup absetze, oder die rechte Hand bis übers Griffbrett wandern lasse, der Bass reagiert darauf sensibel und der Delano setzt es kongenial um. Gerade bei einem Bundlosen ist die Tonblende ein weiteres wichtiges Werkzeug zur Klangformung, und auch die enttäuscht beim Nude nicht. Wie und wo der Cut einsetzt, ist immer vom Pickup abhängig, und da man diesen umschalten kann, reagiert auch die Blende jedes Mal etwas anders. Für jede Variante finde ich aber schnell meinen Sweetspot mit dem richtigen Mix aus reduzierten Höhen und (noch) mehr in den Vordergrund tretenden Mitten.
RESÜMEE
Wild gemaserte Hölzer, umfangreiche aktive Klangeregelungen, multiple Tonabnehmer – das hat alles seine Berechtigung. Auch Marleaux hat ja entsprechendes im Angebot, siehe die letzte Neuerscheinung, den Tiuz mit all seinen ausgefuchsten Möglichkeiten. Der neue Votan Nude XS 5 dagegen ist in seiner Schlichtheit berührend – und inspirierend. Er perfektioniert den bundlosen Ton eines passiven Schraubhalsbasses und liefert ein Klang- und Spielerlebnis auf höchstem Niveau.
Man spürt, wie viel Erfahrung hinter diesem Bass steht, wie viel Sorgfalt und Liebe in seine Fertigung einfließen, und im Ergebnis mag man ihn nicht wieder aus der Hand legen – geschweige denn wieder zurückschicken. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal wieder …
PLUS
● Sounds
● Konzept
● Korpus Regio Tone Wood
● Bespielbarkeit
● Gewicht
● Ausbalanciertheit