Nahöstliche Blondine

Test: Macmull Guitars T Classic

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Macmull T Classic
(Bild: Dieter Stork)

Brettgitarren aus Jerusalem zu einem biblischen Preis? Warum nicht, wurde in der Gegend früher doch auch schon einmal Wasser in Wein verwandelt! Macmull Guitars ist ein kleiner Boutique-Hersteller, der dank eigener Formel seine Instrumente mit klassischen Vintage-Sounds zu impfen verspricht. Der ganz heiße Scheiß oder doch nur ein lauwarmes Lüftchen?

Für Macmull Guitars haben sich Master Luthier Tal Macmull, Gitarrist und Produzent Amit R. Sadras und der professionelle Gitarrist Sharon Levi zusammengetan, um mit Bündelung ihrer Kräfte und Erfahrungen definitiv vintage klingende klassische Modelltypen zu entwickeln. Viel Zeit nahm man sich zur genauen Analyse der alten Originale, um das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten genauestens zu erkunden. Beste Materialien und absolute Detailwidmung in der Fertigung sollen zum verheißenen Ziel führen.

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Das Testinstrument wurde uns netterweise von Karl Dieter vom Gitarren Studio Neustadt für den Test zur Verfügung gestellt. Jetzt aber ans Eingemachte!

fein, feiner, am feinsten

Formgebung, Dimensionen, Ausstattung – das alles folgt dem bewährten und bekannten Muster, wäre da nicht diese Kopfplatte. Die ist Firmenkennzeichen und selbstbewusstes Statement zugleich. Mit den richtigen Hölzern fängt es im ambitionierten Gitarrenbau bekanntlich an und da kann die israelische Firma auf natürlich gealterte Ressourcen zurückgreifen. Zwei Kriterien greifen dabei stark auf den Preis zu, was mit ihren Verfügbarkeiten zusammenhängt: Gewicht und Abmessung. Leichte Erle in der richtigen Qualität und Größe ist wohl so schwer zu bekommen, dass sie für einteilige Bodies bei Macmull mit sage und schreibe € 2000 Aufpreis zu Buche schlägt. Zweiteilige Bodies sind in der Regel € 500 günstiger. So kommen schnell Preise zwischen 5500 und 7000 Euro zusammen.

Macmull T Classic
Tolles Halsprofil mit perfekter Bundierung (Bild: Dieter Stork)

Im aktuellen Fall, das Instrument wurde uns vom Gitarren Studio Neustadt zur Verfügung gestellt, haben wir es dagegen fast schon mit einem Schnäppchen zu tun, was den Preis im Verhältnis zum Gewicht angeht, da das Letztere genau an der Grenze zum Hochpreisniveau liegt.

Für das zu testende T-Classic-Modell wurde also gut abgelagerte und immer noch leichte einteilige Erle zum bekannt flach und konturlos gestalteten Korpus verarbeitet. Sehr schön gemacht ist dabei auch die Transparent-Blonde-Nitro-Lackierung mit maßvoll gesetzten Soft-Relic-Spuren.

Als wesentlichen weiteren Schritt zum Top-Instrument beschreibt Macmull sein Body-Neck-Matching-System. Gemeint ist damit die Kombination der richtigen, also perfekt zueinander passenden Hölzer durch ein präzises Aufeinanderabstimmen der jeweiligen Resonanzfrequenzen. Die vorgelegte Testgitarre kommt mit einem einteiligen Hals aus Ahorn (‚Premium Maple‘), dessen rückseitige Fräsnut nach Einsatz des Stellstabes mit dem allseits bekannten Skunk Stripe aus Nussbaum verschlossen wurde. Alternativ wählbar ist selbstredend auch eine Version mit Palisandergriffbrett (ohne Stinktierstreifen). Vierfach aufgeschraubt über eine Metallplatte, Firmenname und Seriennummer sind darauf eingeprägt, sitzt der Hals mit wunderbar griffigem ‚Oval C‘-Pofil bombenfest in seiner präzise angepassten Halstasche. In die lackierte Greiffläche mit sorgfältig abgerundeten Außenkanten sind 21 mittelstarke Bünde (6105 Dunlop) eingelassen. Politur und Bundverarbeitung lassen keine Wünsche offen.

So perfekt Macmull-Gitarren auch in fast jeder Hinsicht den Vintage-Look spiegeln, der Kopf nimmt sich die Freiheit der individuellen Eigenständigkeit. Natürlich ist er – wie üblich – parallel nach hinten versetzt, formal aber auf eine schlichte, durchaus geschmackvolle Weise begradigt. Wo wir schon einmal so weit sind, können auch alternativ mit weißen Knöpfen bestückte 6-in-line Gotoh Classic Tuners den eigenständigen Akzent nochmals verstärken.

Mit geradem Zug werden die Saiten über den feinen Sattel aus Knochen geführt und laufen mit der erwarteten 648-mm-Mensur hinüber zur Classic Custom Telestyle Bridge mit „threaded“ Saddles.

Elektrisch wird die T Classic durch ihr Macmull TC52 Set, von Hand gewickelte Singlecoils im klassischen Stil; der Hals-Pickup ist in ein Raw Nickel Silver Cover gehüllt; der Steg-Pickup mit flachen Pole Pieces wurde wie üblich auf die Bodenplatte der Tele-Style-Bridge geschraubt. Vertraute Schalt- und Regelmimik mit Volume & Tone, klassische Dome Knobs auf Metallplatte. Darunter: CTS Pots, Paper in Oil Cap – sauber verarbeitet.

Zu erwähnen ist noch das weiße einfache Pickguard, welches sich oben schon wie ein altes mit leichter Welle vom Body abhebt. Geliefert wird die T Classic in einem festen Hiscox Case, Ledergurt und Zertifikat sind beigelegt und Firmenstandard.

vintage perfekt

Die Macmull T Classic wiegt nette 3,1 kg und fühlt sich an, wie sich das für ein richtig gutes Tele-Modell gehört. Der rückseitige Abschliff des Nitrolackes am Hals vermittelt eine samtige Haptik, die zusammen mit dem rundlichen, absolut fluffigen Halsprofil und der Premium-Bundierung einfach großartige Spieleigenschaften eröffnet.

Ist das schon so gut, wie es nur sein kann, so hebt sich die Augenbraue des Connaisseurs anerkennend beim Aufleuchten der ersten Akkorde. Was da ans Ohr kommt, kann man wirklich Glockenton nennen. Kraftvoll durchzeichnet mit toller Saitenseparation zeigen Mehrklänge eine bemerkenswert plastische Darstellung. Leichtfüßig in der Ansprache, dynamisch auf den Anschlag reagierend und damit optimal steuerbar wird jeder Ton zum Vergnügen und Akkordarbeit mit offensivem Perlglanz belohnt. Heyhey, das ist schon mal große Klasse und zeigt, dass die Jungs wirklich wissen, was sie tun.

Am Amp aber muss sich jetzt noch bewahrheiten, was das alles elektrisch wert ist – stöpseln wir also ein.

Macmullan behauptet nun, jeden Pickup in Perfektion auf das entsprechende Instrument hin anzupassen, ein individueller Custom Wound auf Anschlag sozusagen, in Verbindung mit matching Pots und Cabs dann natürlich auch noch. Voodoo oder einfach nur absolute Detailversessenheit? Mir letztlich egal, wenn das Ergebnis stimmt! Und tatsächlich, auch die Umsetzung in faszinierend stramme elektrische Signale gewinnt sofort des Testers Herz.

Die Pickups transportieren tatsächlich diesen akustisch schon so delikat auftretenden Sound mit beeindruckender Souveränität. In bestem Ausgleich zueinander setzen beide Tonabnehmer klassisch geprägte Klangbilder in Szene, die vor Vitalität nur so strotzen.

Macmull T Classic
Von Hand gewickelte, speziell an das Instrument angepasste Pickups (Bild: Dieter Stork)

Der Singlecoil in Halsposition eröffnet das Spiel mit einer seidig transparenten Auflösung in präzise definierte Stimmen, welche Akkorde höchst plastisch erscheinen lässt. Federleicht löst sich der Ton auf den markant akzentuierten Anschlag hin, schwingt sich wie gespornt auf und erweist sich im Bass als trocken und konturstark, ergänzt um warme, höchst präsente Mitten und einen glockenreinen Hochtonbereich. Wem der Hals-Pickup einer Tele bisher immer eher langweilig vorkam, der sollte hier wirklich einmal ein Ohr riskieren.

Wechseln wir auf den Kollegen am Steg, so zieht der sofort gleich mit ebenfalls erstaunlich runder und doch eindringlich bissiger Darstellung. Der sehr weit vorn stehende Ton ist auch in dieser Schaltposition mit ultraschnellem Attack-Verhalten gesegnet, er springt nur so unter dem Finger weg und ist dynamisch perfekt steuerbar. Die Transparenz der Darstellung und das großartige Obertonverhalten verschaffen Akkorden bei aller Präsenz nun auch noch diese erstaunliche Rundung. In Zerrpositionen des Amps zeigt die T Classic über den Steg-Pickup dann ein gutes Aggressionsverhalten mit saftigem Twang. Der obertonreiche Ton ist leicht reizbar, setzt sich bestens durch und schwingt, wenn gehalten, höchst ebenmäßig aus – Klasse!

Bei Zusammenschaltung beider Pickups öffnet sich uns die Gitarre nochmals mit einer absolut hochklassigen Klangfarbe. Die seidig offene Tonqualität gewinnt an Intensität und Licht, mit wunderbarer Eleganz und Leichtfüßigkeit perlen Akkorde aus den Speakern. Etwas stärker ausgekehlt und mit schmissigem Höhenglanz überzeugt der Kombi-Sound in allen Betriebsarten.

Bemerkenswert ist am Ende auch die gute Abstimmung der Elektrik, die über ihre Regler sehr feinfühlige Abstimmungen ohne Vitalitätsverluste in der Tonbearbeitung zulässt.

resümee

Immer wieder schön, wenn ein neuer Mitbewerber versucht, die Latte nochmals höher zu legen – und Macmull legt mit dem Modell T Classic eine wirklich Achtung gebietende Arbeit vor. Tatsächlich ist man dem goldenen Vintage-Ton (was’n das jetzt genau?) hart auf den Fersen. Die T-style Konstruktion, so schlicht und abgehangen sie auch scheint, ist doch derart funktionsstark und schwingintensiv auf den Punkt gezogen, dass Legionen von schnell zusammengeschraubten, mickrig klingenden Tele-Modellen vor Scham im Boden versinken sollten. Dabei haben diese wunderbar zugespitzten Sounds der T Classic nichts mit Voodoo zu tun, sondern sind einfach Ergebnis von analytischem Vermögen, definitivem Materialeinsatz, von Detailwidmung und kunsthandwerklicher Passion.

Tal Macmull und seine Mitstreiter sind nicht ohne Grund im Gespräch, auch wenn das ehemalige Leo-Fender-Prinzip „möglichst billig zu bauende Gitarren für jedermann“ von der Preisgestaltung her auf den Kopf gestellt wird. Diesen Kopfstand kennen wir aber längst auch schon vom Custom Shop des originären Herstellers, auch wenn wir die oben genannte Passion dort nicht unbedingt in diesem Maße voraussetzen können. Ich wiederhole mich: am Ende zählt das Ergebnis! Da das bei der Macmull einfach großartig ist, sei das Ziel bestätigt: Ja, diese T Classic ist in Sachen Bespielbarkeit und vom Schwingverhalten her fabelhaft, vor allem aber ist ihr Sound höchst inspirierend!

Macmull T Classic

Macmull T Classic

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(erschienen in Gitarre & Bass 07/2018)

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