(Bild: Dieter Stork)
Nach vielen Jahren des Erfolgs mit der Helix-Baureihe besinnt man sich bei Line 6 nun auch wieder auf die Wurzeln und lässt den preiswerten „All in One“-Amp-Modeler POD neu aufleben – originalgetreu im Plastikgehäuse.
Während der POD Go eher als Nachfolger des professionellen HD500 oder Firehawk FX bzw. als weniger komplexe Alternative zum Helix zu sehen ist, stellt der POD Express eher eine Neuauflage des ikonischen POD im bohnenförmigen Gehäuse dar. Jetzt ganz ohne Display, dafür im Pedalboardfreundlichen Format.
Wie es bei den „Bohnen“ auch schon der Fall gewesen ist, gibt es eine Version speziell für Gitarre und eine für Bass, letztere ist genau wie früher am grauen Gehäuse schnell zu erkennen. Das Konzept ist denkbar einfach und vielversprechend: Die beliebten Algorithmen aus dem Helix, verpackt in einem kompakten und preiswerten Format, intuitiv zu bedienen und direkt startklar zum Loslegen.
KOMPROMISSE
Trotz des Plastikgehäuses fühlen sich die Geräte hochwertig und stabil an. Allerdings sind die stirnseitigen Anschlussbuchsen nicht am Gehäuse verschraubt, hier sehe ich den größten Kritikpunkt an der Bauweise. Durch ständiges Ein- und Ausstecken werden die Lötstellen der Buchsen belastet und können irgendwann brechen.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Buchsen entweder mittels zusätzlich angelöteter Zugentlastung stabilisiert oder am besten gleich verschraubt werden. Ein schneller Blick ins Innere zeigt, dass letzteres problemlos möglich gewesen wäre, die Buchsen haben sogar bereits Gewinde und Platz wäre vorhanden.
Ansonsten gibt es an der Konstruktion nichts auszusetzen, im Gegenteil. Line 6 verwendet beim POD Express nun endlich „normale“ DC-Buchsen, also mit 2,1mm Centerpin. In der Vergangenheit wurde auf einen 2,5mm Anschluss zurückgegriffen, was gesonderte Netzteile oder Adapter erforderte.
Nun können die Geräte auch mit jedem Pedalboard-Netzteil betrieben werden, solange es 9V und mindestens 100mA zur Verfügung stellt. So viel genehmigt sich das Gerät nämlich im Betrieb. Tatsächlich muss man das auch, denn ein Netzteil ist nicht im Lieferumfang enthalten.
Alternativ befindet sich ein Batteriefach auf der Rückseite, das Platz für drei AA-Batterien bietet. Wie lang die Laufzeit mit Batterien tatsächlich ist, habe ich nicht getestet, der Hersteller gibt unter Idealbedingungen ca. zehn Stunden an, was mir bei der gemessenen Stromaufnahme und einem geschätzten Wirkungsgrad von 70-80% realistisch erscheint.
Über USB lässt sich der POD leider nicht mit Saft versorgen, auch wenn moderne USB-Anschlüsse durchaus ausreichend Strom bereitstellen würden. Diese Schnittstelle dient neben einer USB-MIDI-Verbindung als Audio-Interface zum Aufnehmen und natürlich zum Abspielen von Computer-Audio. Großartig viel gibt es hier nicht zu sagen, außer dass es wie angepriesen funktioniert.
An die Studioqualität eines dedizierten Interfaces kommt der POD nicht heran, für Demos oder alltägliches, nicht kritisches Hören und Spielen reicht es aber allemal. Sogar das gleichzeitige Aufnehmen eines DI-Signals und Reamping ist möglich, und wer nicht immer den Rechner anschmeißen will, kann dank class compliant Treibern auch sein Smartphone oder Tablet über USB zum Einspielen von Backing-Tracks nutzen. Über die MIDI-Verbindung lässt sich der POD auch mit dem Computer bzw. der DAW automatisieren.
(Bild: Dieter Stork)
FINGERSPITZENGEFÜHL
Abgehört wird entweder über die als TRS zur Verfügung stehenden Klinkenbuchsen an der Stirnseite oder über den Kopfhörerausgang an der linken Gehäuseseite. Das Stellrad für die Lautstärke betrifft dabei nicht nur den Kopfhörerausgang, sondern auch den Main-Out inklusive Bypass-Lautstärke.
Einen True-Bypass gibt es also nicht, das Signal ist stets zumindest gebuffert und verstärkt. Macht aber nichts, die Audioqualität ist hoch genug, sodass Rauschen oder Zerren nicht hörbar oder gar störend sind. Zumindest, sofern die Lautstärke entsprechend angepasst ist, denn die Ausgangsstufe liefert bei Bedarf einen wirklich saftigen Pegel, der auch problemlos in den Clipping-Bereich kommt. Es ist also etwas Vorsicht beim Einpegeln geboten. Ich empfehle, den Pegel mittels Bypass-Lautstärke einzustellen und die restlichen Lautstärkeänderungen mittels Volume-Parameter des Modelings vorzunehmen.
Auf den ersten Blick sind die Basisfunktionen und Parameter auf dem Bedienfeld gut sichtbar und zugänglich. Farbig und groß aufgedruckt sind die Hauptfunktionen der einzelnen Encoder und Schalter. Etwas kleiner und in weißer Schrift stehen die Parameter, die durch Gedrückthalten des „Alt“-Tasters erreichbar sind. Damit sind bereits die wichtigsten Einstellungen abrufbar und für die meisten Interessierten werden diese Möglichkeiten auch ausreichen.
Wer noch mehr verändern möchte, muss weitere Tastenkombinationen lernen bzw. dem Handbuch entnehmen. So gelangt man z.B. in den Modus zum Einstellen der Globalen Settings oder zum Verändern einzelner Effektparameter, wie etwa dem Gain der Verzerrer oder der Mittenfrequenz des EQs. Die diversen Kombinationen sind doch mannigfaltiger als der simple Aufbau vermuten lässt, ein Blick ins Handbuch ist daher unerlässlich. Schließlich gibt lediglich der farblich codierte LED-Ring um den „Amp“-Encoder herum Aufschluss darüber, in welchem Menü man sich gerade befindet und wie die Parameter eingestellt sind.
Ein genauerer Blick lohnt allerdings, denn auch die Funktionen der Fußschalter lassen sich umprogrammieren. Ab Werk schalten sie jegliche Signalverarbeitung ab, sie können aber auch zum Preset-Wechsel oder Ein- und Ausschalten einzelner Effekte umprogrammiert werden. Auch A/B-Einstellungen sind möglich, was den POD live- und praxistauglicher macht, als ursprünglich gedacht.
Die gleiche Funktionalität gilt für die zusätzlich über eine Klinkenbuchse anschließbaren Fußschalter. Ein angestecktes Expression-Pedal kann als Volume-Pedal genutzt werden. WahWah bieten derzeit weder die Gitarren- noch die Bassversion des POD Express. Schade.
(Bild: Dieter Stork)
(Bild: Dieter Stork)
BUNTE TÜTE
Mit dem „Mutant“-Effekt bietet die Bassversion immerhin einen Envelope-Filter, falls es doch mal funky sein darf. Insgesamt finde ich die Auswahl der Effekte aber gut gelungen. Sie deckt mit Ausnahme eines klassischen Wah-Wahs alle „Brot & Butter“-Effekte ab und liefert on top noch ein bisschen mehr zum kreativen Rumspielen und Spaß haben. Sogar ein Looper ist mit an Bord, der über die Delay-Engine aktiviert werden kann.
Da die Algorithmen aus dem Helix stammen, klingen sie erwartungsgemäß gut und es gibt keine Überraschungen. Im Handbuch ist hinterlegt, welcher Effekt welchem Gerät konkret zugeordnet ist. Neben Klon Centaur, Tube Screamer und Phase 90, Big Muff, B7K oder Mutron finden sich gerade bei Delay und Reverb auch originale Line-6-Algorithmen.
Ähnliches gilt für das Kernstück des POD, dem Amp-Modeling. Jeweils sieben verschiedene Verstärkeremulationen stehen in den kleinen Kisten zur Verfügung und auch diese decken stilistisch alles ab. Vom Princeton über den 5150 oder BE-100 bis hin zum SVT, Tone Hammer oder 800RB ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Und wer den POD lieber als reines Effektgerät vor einem echten Amp nutzen möchte, kann das Amp-Modeling auch komplett deaktivieren. Jedem Amp-Model ist dabei auch ein passendes Cab zugewiesen, bei Bedarf kann aber jeder Amp auch mit jedem anderen Cab kombiniert werden.
Auch die Cab-Sim kann natürlich individuell deaktiviert werden. Leider ist es nicht möglich, eigene IRs in das Gerät zu laden. Out of the Box machen die Geräte bereits viel Spaß und passende Einstellungen sind schnell gefunden. Dank dynamisch reagierender Amp-Sounds fühle ich mich direkt zuhause, die passende Abhöre vorausgesetzt.
Ich teste beide Geräte vor allem mit Kopfhörern und an meinen Focal Alpha 65. Gerade bei günstigeren Modeling-Lösungen wirken die Sounds oft undynamisch und „flach“, nicht so beim POD Express. In den gut zwanzig Jahren seit Einführung der alten PODs hat sich doch einiges getan und so kommen nicht nur die Clean-Sounds knackig und crispy aus den Lautsprechern, sondern auch die verzerrten Sounds wirken „erwachsen“ und authentisch. Keine Spur von plattem, digitalem Fizz. Sogar leicht angezerrte, „edge of breakup“-Einstellungen sind kein Problem, weder für die Bass- noch für die Gitarrenversion.
RESÜMEE
Als gut klingendes Tool zum Üben oder als Backup-Lösung sind die neuen POD Express eine erstklassige Wahl. Prinzipiell bieten sie auch den Funktionsumfang, um bühnentauglich zu sein, aber aus Gründen der Robustheit und Bedienbarkeit würde ich hier eher gleich zu einem POD Go oder HX Stomp raten. Wer jedoch nur eine platzsparende Lösung mit super Sound fürs Üben oder die gelegentliche Jam-Session sucht, sollte sich die neuen PODs mal genauer anschauen.
PLUS
● Sound
● schnell einsatzbereit
● Funktionsumfang
● Zusatzmenüs
MINUS
● Buchsen nicht verschraubt
● Einsatz eigener IRs nicht möglich
● Expression nur für Volume
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)