(Bild: Dieter Stork)
Der kalifornische Hersteller Line 6 feiert mit dem HX Stomp große Erfolge bei Gitarre- sowie Bassspielenden gleichermaßen und hat dem Gerät mit Software Update 3.0 einen noch größeren Funktionsumfang spendiert. Für uns Grund genug, einmal die Basstauglichkeit der in „Stormtrooper White“ gehaltenen Variante auf die Probe zu stellen.
In der Vergangenheit sind sowohl das Line 6 HX Stomp (Ausgabe 02/2019), die etwas größere Variante HX Effects (06/2018) als auch die großen Geräte der Helix-Familie Helix Floor (03/2016) und Helix Rack (11/2016) auf Herz und Nieren geprüft worden. In der Zwischenzeit ist allerdings einiges passiert. Line 6 gehört nun zu Yamaha (ebenso wie Traditionshersteller Ampeg) und dank kostenloser Firmware-Updates sind immer mehr Funktionen und Sounds beim Helix hinzugekommen. Mir obliegt nun die Aufgabe, aufzuarbeiten, was die aktuelle Firmware des in der limitierten Version in edlem Weiß gehaltenen Gerätes für Freunde des Tieftons bereithält. Aber auch für alle anderen könnte dieser Test durchaus von Interesse sein.
ÜBERSICHT
Abgesehen von der Farbe gibt es keine Unterschiede zum regulären HX Stomp, auf eine detaillierte Übersicht der Hardware und der Bedienelemente werde ich hier also verzichten und verweise auf die Review von Kollege von der Ohe aus Heft 02/2019. So viel aber sei gesagt: Mit symmetrischen Stereoausgängen, FX-Loop, USB-Audio, Kopfhörerausgang und Midi bietet das Gerät für beinahe jede Situation die passende Ausrüstung und Flexibilität.
Befassen wir uns lieber mit den klanglichen Möglichkeiten und der Frage, wann und wozu man ein Gerät wie das Stomp nutzen kann. Wer ein kompaktes Multieffektgerät für das Pedalboard sucht oder eine „all-in-one“-Lösung für kleinere Setups, ist hier an der richtigen Stelle. Wer Hosenbeinflattern, Druck in der Magengrube und „echtes“ Feeling bevorzugt, überspringt die nächsten Seiten am besten, richtig? Falsch!
Bei Amp-Modeling denken viele entweder an die klanglich längst überholten Geräte vom Anfang des Jahrtausends oder an voll automatisierte Shows mit In-Ear-Monitoring und wenig Spontanität. Und obwohl das natürlich auch ein Einsatzszenario des HX Stomps ist, lassen sich auch Setups aus der Kombination von Modelling und echtem Amp realisieren, die an Spontanität und Flexibilität gegenüber einem traditionellen Setup nichts vermissen lassen. Im Gegenteil: Wer möchte, kann sogar beides gleichzeitig haben, um das Beste aus beiden Welten zu genießen. Wie genau das geht, kommt später.
MEHR IST MEHR
Seit dem letzten Test sind einige spannende Updates für die Helix-Familie veröffentlicht worden. Das aktuelle mit der Versions-Nr. 3.0 behandelt einige der am stärksten kritisierten Punkte des Stomps und der HX-Familie allgemein: die Limitierung auf lediglich sechs Blöcke im Stomp, das Nichtvorhandensein polyphonen Pitchshiftings und die eingeschränkten Midi-Funktionen im Stomp. All das ist nun passé.
In einem Patch finden nun acht Blöcke Platz. Das reicht, um auch aufwendigere Ketten zu realisieren, sofern denn die Leistung dafür vorhanden ist. Da sich mehr Rechen-Power nicht mal eben so per Update zur Verfügung stellen lässt, ist dies oft der neue limitierende Faktor. Insbesondere bei Verwendung eines der neuen Pitch-Effekte ist hier teilweise schon nach drei oder vier Blöcken Schluss. Allerdings klingen die alten Pitcheffekte in meinen Ohren ehrlich gesagt eh besser, direkter und weniger verwaschen.
Sehr willkommenen und gelungenen Zusatz stellen hingegen das Command Center für volle Midi-Funktionalität und ein Sustain-Effekt dar. Letzterer verhält sich in der Funktion wie ein EHX Freeze und bringt zusammen mit einigen neuen Effekten aus dem Bereich des granularen Loopings viel kreatives Potential mit sich. Natürlich sind aber auch „normale“ Verstärker- und Effektmodelle Teil der regelmäßigen Updates. Mit FW 2.8 hat es z.B. auch der beliebte BDDI mit auf die Liste geschafft.
Für einen nicht explizit auf Bass zugeschnittenen Modeler ist die Auswahl an Verstärker- und Effektmodellen vergleichsweise groß und vor allem gut sortiert. Insgesamt 26 Modelle von beliebten, speziell für Bass gemachten Verstärkern, Overdrives und Boxen diverser Hersteller gehören derzeit zum Katalog. Man darf aber bei dieser auf den ersten Blick wenig beeindruckend aussehenden Zahl nicht vergessen, dass die meisten Konkurrenzprodukte hier lediglich im unteren einstelligen Bereich aufwarten können.
Zudem sind Effekte wie Delay, Modulation, Kompression und Hall etc. nicht wirklich instrumentenspezifisch und machen an Gitarre und Bass gleichermaßen eine gute Figur. Auch das Mischen von normalem Bass-Signal mit Effekten aller Art ist Dank parallelen Routings kein Problem. Wenn man sich nun von dem Gedanken löst, dass nur Bassverstärker am Bass gut klingen, eröffnen sich zusätzlich ganz neue Welten.
Einer der großen Vorteile digitalen Modellings ist, dass man bei der Auswahl eines Verstärkers nicht an seine Leistung oder den Formfaktor gebunden ist. So gibt es viele Gitarrenverstärker, die auch am Bass ganz wunderbar klingen, aber für den Liveeinsatz viel zu unterdimensioniert wären oder gar Teil eines Combos sind. Diese können nun ohne Rücksicht auf Leistung und entkoppelt von ihren Boxen im Bass-Setup eingesetzt werden. Das Ausprobieren lohnt sich!
Wer möchte, kann sich auch von den Patches anderer Nutzer inspirieren lassen, welche sich über die „Line 6 Custom Tone“-Seite herunterladen lassen. Dank der hohen Beliebtheit der Helix-Familie sind auch die Gruppen in den Social Media inzwischen sehr groß und bieten neben dem Nutzerhandbuch eine gute Quelle für Infos und Inspiration.
(Bild: Dieter Stork)
SPIELPRAXIS
Eingangs erwähnte ich die verschiedenen Einsatzszenarien für das Stomp, auf die häufigsten möchte ich kurz eingehen.
1. Das „all-in-one“ Kompakt-Rig. Hier geschieht sämtliche Klangformung im HX und das fertige Ergebnis wird ans Mischpult und/oder die PA geschickt. Ein vollwertiges Setup, das in jedes Gigbag passt.
2. „Amp in a Box“ für das Pedalboard. Vielleicht gibt es ja das eine oder andere Pedal, das unbedingt dabei sein muss? In diesem Szenario bietet es sich an, das Stomp als Amp- und Cabsim auf dem Pedalboard zu nutzen. Dank 9V-Anschluss und FX-Loop gliedert sich das Gerät ausgezeichnet in vorhandene Setups ein.
3. Das Hybrid-Setup mit echtem Verstärker auf der Bühne. Wer nicht auf den Klang oder den Druck seines Amps auf der Bühne verzichten möchte, kann das Stomp einfach als Effektgerät nutzen und auf die Ampsimulationen verzichten. Durch das Aufteilen des Signals im Stomp lassen sich sogar getrennte Sounds für Bühne und Pult realisieren, letzteres dann mit Cabsim. Hierzu hat man zum einen die Möglichkeit, das Signal aufzuteilen und auf separate Ausgänge zu routen, wobei nur ein Ausgang mit Cabsim versehen wird. Zum anderen kann der Send-Ausgang des FX-Loops direkt vor der Cabsim platziert werden, um hierüber ein „nacktes“ Signal an den Verstärker zu senden. Das hat den Vorteil, dass der Split für z.B. Bi-Amping erhalten bleibt. So ertönt über die PA das fertige Signal mit Cabsim und auf der Bühne nutzt man das Gerät gleichzeitig als normales Multieffekt.
Natürlich gibt es noch mehr Möglichkeiten und im Endeffekt muss jeder für sich selbst ein wenig herum probieren. Dank USB und vollwertigem Midi sind der Kreativität hier keine Grenzen gesetzt. Das auf acht Blöcke angehobene Limit lässt nun noch mehr Platz für nicht rechenintensive Kleinigkeiten, wie einen weiteren EQ, den FX-Loop oder paralleles Routing. Mit Letzterem lässt sich das sehr beliebte Bi-Amping realisieren, also die Auftrennung und separate Verarbeitung des Signals, bei Bedarf auch nach Frequenzen.
Besonders beliebt ist die Kombination aus verzerrten Höhen und komprimierten, aber sauberen Bassfrequenzen. Gut geeignet für wunderbar dichte Bässe sind unter anderem die Modelle des LA2A oder Ashley CLX-52. Aber auch hier gilt es, der Kreativität freien Lauf zu lassen und mal z.B. einen Chorus oder anderen Effekt nur auf die Bässe zu legen. Hierzu kann ohne Verwendung eines Extra-Blocks der Splitter direkt als variable Frequenzweiche eingestellt werden und die Ergebnisse können sich hören lassen!
Qualitativ gibt es an den Modellen nicht viel auszusetzen, die Ansprache ist dynamisch und meist erkennt man sehr schnell, welcher echte Verstärker oder Overdrive Pate gestanden hat. Auch die Qualität der Effekte ist durchweg gut bis sehr gut, die größte Kritik müsste ich wohl an den Kompressoren üben. In besonders schnellen Einstellungen unter 2-3ms arbeiten diese leider etwas unsauber, darüber sind sie aber absolut praxistauglich.
Für die bei vielen Bassspielenden beliebten gelegentlichen Ausflüge ins Keyboard-Territorium sind auch Octaver und Synth-Engines mit an Bord, die gut tracken und dank einer großen Bandbreite an Sounds vor allem – aber natürlich nicht nur – für Coverbands von Interesse sein könnten.
RESÜMEE
Modeler werden meist mit Hauptaugenmerk auf die Verwendung mit der Gitarre betrachtet, doch auch am Bass bieten sich hier tolle Möglichkeiten. Man muss sein geliebtes Fullstack ja nicht gleich aufgeben, um die Vorzüge der digitalen Plattform genießen zu können. Auch als reines Multieffekt liefert das HX Stomp sehr gute Ergebnisse und die intuitive Bedienung, gepaart mit einem fairen Preis, machen das Gerät in meinen Augen fast schon zu einem Must-Have. Oder wenigstens Must-Try.
PLUS
● Sound-Qualität
● Bedienung
● Funktionsumfang
● Preis/Leistung
● Verbesserungen durch Updates
MINUS
● polyphones Pitchshifting nicht auf dem Niveau der Konkurrenz
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)