Das hier ist keine Massenware vom Fließband. Die Cabinets von LaRoqua werden im hessischen Darmstadt von Hand gefertigt und sind in verschiedensten Ausführungen erhältlich. Der Kunde hat, was Bestückung und Optik angeht, weitgehend freie Hand. Verlockend, zumal man den Luxus nicht einmal besonders teuer bezahlen muss.
Die Firma ist noch jung, existiert erst seit 2013. Unter dem Motto „Wir bauen Boxen, die so sind wie du“ fertigt laut offizieller Info ein Team von Praktikern, alles Gitarristen „mit jahrelanger Auftritts- und Studioerfahrung auf professionellem Niveau“, inzwischen eine vielfältige Palette von Boxenmodellen. „Kompromisse sind hier streng verboten“ heißt es weiter – aber hallo, die hängen die Messlatte ja ziemlich hoch.
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individuell
Bevor wir uns im Detail unseren Testkandidaten zuwenden, soll ein kurzer Überblick das Programm von LaRoqua beleuchten. Hinsichtlich der Funktion ist entscheidender Faktor, dass alle Boxentypen in mindestens zwei Ausführungen erhältlich sind, nämlich mit geschlossener und offener Rückwand.
Das betrifft die äußerst kompakte 1×10″-Box (110 Air) sowie die ungewöhnlichen Modelle 412 Giant (senkrechte „Säulen“-4×12 mit versetzt angeordneten Chassis) und die dreieckig auf einer der Spitzen stehende 312 Triangle. Das konventionelle 4×12- Cabinet (412 Deluxe) wird in drei Ausführungen angeboten, geschlossen und mit zwei unterschiedlich offenen Rückwänden. Genauso ist es bei der hier zum Test angetretenen 112 Pro, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass die weniger offene Rückwand über einen Mechanismus zum Verschließen verfügt. Die zweite Box im Test, die 212 Studio gibt es gar in vier Varianten. Mehr dazu später.
Wie eingangs erwähnt, bietet LaRoqua dem Kunden die Möglichkeit, aus einem beeindruckend umfangreichen Optionenkatalog die Box individuell zu gestalten. Das beginnt mit den Speakern, wo allein schon 15 verschiedene 12″-Chassis von Celestion und WGS gelistet sind, geht über diverse Tolex-Farben/-Arten und unterschiedlichste Front-Bespannungen bis hin zu Bindings (4), Eckkappen (3) und Griffen (10) nach Wahl.
Alles da, was das Herz begehrt, und mehr: Wenn es drauf ankommt, werden auch noch speziellere Wünsche, so weit machbar, erfüllt. In welche Richtung das gehen kann, zeigt die Timberly-Line, eine weitere optionale Variante, bei der das Gehäuse nicht aus Plywood, sondern aus massiven Hölzern hergestellt wird (10 Sorten: Bambus, Fichte, Kirsche, Laurel u. a.).
Eine Spezialität von LaRoqua ist, dass man die Boxen bestückt mit Vintage-Lautsprechern bekommen kann. Dafür hält man in Darmstadt eine Auswahl am Lager bereit. Den Luxus muss man sich natürlich ein paar Euronen extra kosten lassen. Unsere Testmodelle sind derart ausgestattet und auch wegen anderer Details keine Standardausführungen.
einer oder zwei?
Die beiden Boxen ähneln sich sehr in der Bauweise und folgen grundsätzlich den üblichen Kriterien hochwertiger Cabinets. Auffällig sind bei der 212 Studio die üppigen, in Tiefe und Breite überdurchschnittlichen Ausmaße, ca. 40 x 80 Zentimeter. Was offensichtlich dem Bestreben entsprungen ist, ein hohes (Innen-) Volumen zu erreichen. Hoch ist allerdings auch das Gewicht. Knapp 28 Kilogramm, da ist man – allein auf sich gestellt mit dem Koffergriff – ganz schön gefordert. Zumal die Dimensionen so ausladend sind. Zwei Personen an den seitlich angebrachten Schalengriff, das geht gut.
Die 212 Studio ist innen durch eine Trennwand in zwei Kammern unterteilt, die mit unterschiedlichen Lautsprechern bestückt sind, in diesem Falle mit einem Vintage-Celestion G12 M und einem teuren Alnico-Modell von WGS/Warehouse Guitar Speakers/USA, dem Blackhawk. Unser Testmodell hat die sogenannte „Flexible Rückwand – die erlaubt es, jede der Kammern wahlweise offen oder geschlossen zu betreiben.
Der Mechanismus stabilisiert die Deckel mit in Aluschienen geführten Rändelschrauben, die hinten erheblich überstehen. Nicht die geschickteste Lösung, aber alles andere wäre vermutlich zu aufwendig bzw. würde die Kosten zu sehr in die Höhe treiben. Immerhin gehört zu der Box eine gut gepolsterte Schutzhülle, die zunächst einmal einigen Schutz beim Transport gewährleistet. Die drei anderen oben zitierten Modellversionen der 212 Studio sind: geschlossene Rückwand, offen, geteilt (eine Kammer offen, die andere geschlossen).
Seit einiger Zeit gehört bei LaRoqua ein kleiner „Gimmick“ zur Ausstattung, in Form einer LED-Leuchte, die parallel zur Signalstärke am Input, respektive dem Spiel des Gitarristen, eine Lightshow veranstaltet. Muss man nicht aktiv lassen, kann am ovalen Buchsenblech an der Rückseite mithilfe eines Mini-Switch ausgeschaltet werden. Dort lassen sich auch zwei Betriebsarten wählen; intensives oder gedämpftes Flackern. Für diese sogenannte „Head Lamp“ wird extra eine kleine elektronische Schaltung/Platine in die Box eingebaut. Die 212 Studio kann im Übrigen mono und stereo betrieben werden.
Die 112 Pro hat auch eine zweite Klinkenbuchse, hier dient die aber schlicht dazu, das Eingangssignal parallel durchzuschleifen. Unerwartet und speziell ist, dass die 1×12-Box einen Celestion G12 M mit Alukalotte beherbergt. Zum Transportieren hat sie lediglich einen Koffergriff an der Oberseite. Metallkappen an allen Ecken, flache Gummifüße, Aufnahmen für Rollen gibt es wie bei der 212 Studio nicht. An beiden Seiten sind allerdings je zwei Gewindeeinsätze, die die Möglichkeit bieten, die optional erhältlichen 15-Grad-Schrägsteller und/oder das Mikro Mount (Schwanenhals an Edelstahlschiene) zu montieren.
Soweit machen die beiden Cabs einen durchdachten Eindruck. Wie steht‘s aber mit der Verarbeitung? Im Großen und Ganzen gut. Aber nicht tadellos. Bei der 2×12 weniger, bei der 1×12 deutlich sichtbar, sind die Frontstoffe nicht gleichmäßig gespannt aufgezogen, der Gewebeverlauf bzw. die Nachgiebigkeit verrät es. Die 112 Pro zeigt außerdem eine Schwäche in der Passung der Rückwand, die nicht gleichmäßig mit dem Gehäusekorpus fluchtet, auf einer Seite flach abschließt, auf der anderen übersteht. Außerdem hebt sich an einer Stelle das Tolex ein wenig.
Lobenswert ist andererseits aber auch wieder, dass die Verdrahtung in der 212 Studio innen sauber über angeschraubte Blechkammern verlegt ist. Dass die Rückwandschrauben bei beiden ein Stück hervorstehen, ist unter dem oben genannten Aspekt der mitgelieferten Schutzhüllen vernachlässigbar.
laut und deutlich
Lautsprecher mit Alukalotten haben bei vielen Gitarristen einen zweifelhaften Ruf, weil man Ihnen nachgesagt, dass sie schneidende, unerwünscht betonte Höhen erzeugen. Falsch, das darf man nicht pauschal sagen. Bestes Gegenbeispiel sind die Speaker-Modelle D120 und K120 von JBL, die zwar schon eine spezielle Brillanz von sich geben, aber alles andere als aufdringlich klingen. Und so verhält es sich auch mit dem G12 M in der 112 Pro. Nix da bissig oder unangenehm. Auf den Ton legt sich ganz im Gegenteil eine feine Heiserkeit, die gerade bei Overdrive und Distortion z. B. den Attack interessant koloriert und betont.
Und einfach auch insgesamt gesehen für eine spezielle Markanz in den Sounds sorgt. Jedenfalls absolut gepflegt und in sich homogen. Ein Aha-Erlebnis, was auch für die Performance der 112 Pro insgesamt gilt. Unerwartet, eine Überraschung, wie voluminös diese Box aufspielt. Im Blindvergleichtest mit größeren Cabs würde sie wohl kaum jemand als „kleine“ Box definieren. Die schiebt regelrecht bei gedämpft gespielten Noten auf der E6- Saite. Konkreter Ton, differenziert bis in höhere Lautstärken, in den Mitten und so auch insgesamt musikalisch aussagekräftig. Achtung: Man sollte die Box beim (probe-) hören so platzieren, dass einen der G12 M mehr oder weniger „on axis“ anstrahlt.
Man bekommt sonst von den Feinheiten ihrer Klangqualität nicht genug/alles mit. (Der Rat ist natürlich allgemeingültig gemeint. Die Box auf dem Fußboden und man steht nahe daneben, das belüftet schön die Beine, bedient aber die Ohren nicht korrekt.)
Wie zu erwarten, nimmt das Öffnen der Rückwand hauptsächlich Energie aus der Wiedergabe der unteren Frequenzen, der Bässe und Tiefmitten. Daneben wird das Klangbild luftiger und die druckige Dynamik verspielt sich zu einer deutlich lockerer reagierenden Ansprache. Es ist sehr zu empfehlen, zu dieser Version der 112 Pro zu greifen, allein schon, weil damit eine gewisse Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche (Veranstaltungs-) Räume gegeben ist.
Was mit der 112 Pro richtig gut begonnen hat, wird von der 212 Studio noch getoppt. Weil sie weit über sich hinauswächst. Über ihre Dimensionen. Mit einer höchst voluminösen Charakteristik gelingt es ihr, in Sachen Klangfülle hochwertigen 4×12-Cabs Paroli zu bieten. Das alleine ist schon eine beachtliche Leistung. Sie zeichnet sich aber auch in anderen Gesichtspunkten durch beste Manieren aus. Details werden sehr präzise dargestellt, die Box wirkt in allen Betriebssituationen kontrolliert und in sich ausgewogen, geht mit hohen Leistungen und basslastigen Signalen lässig um.
Der G12 M (mit Stoffkalotte) ist hier quasi der Lieferant für den Grund-Sound, dank seiner reichen Mitten. Der WGS-Blackhawk klingt viel höhenreicher, ohne unangenehm scharf zu wirken. Ergibt ein wohlausbalanciertes Team, dass tonal besonders im Blues und Retro-Rock seine Trümpfe ausspielen kann. Wer glaubt, dass die individuelle Verstellung der Rückwand für jede Kammer kaum ein nützlicher Aufwand sein kann, liegt falsch. Es macht deutlich wahrnehmbar einen Unterschied – sowohl im Low-End-Volumen, als auch im Klangcharakter – welche der beiden Kammern geöffnet und welche geschlossen ist. Fein-Tuning Deluxe, könnte man sagen.
alternativen
Wenn wir den Aspekt der Vintage-Speaker außen vor lassen, bietet ein recht ähnliches Produktportfolio und ähnliche Kundennähe Kunz Custom Cabinets in Ochtendung/Hunsrück. Auch die Preise liegen nicht weit auseinander. Ein direkter Gegenspieler der 212 Studio ist Kunz‘ 2×12-Halb-und-Halb, die bei einem Gewicht von ca. 19 Kilogramm ebenfalls sehr groß klingt.
resümee
Respekt, LaRoqua hat bei beiden Cabinet-Modellen Konstruktionslösungen entwickelt, die für exzellente, sozusagen musikalisch wertvolle Tonqualität sorgen. Hervorzuheben ist hierbei die maximal definierte Wiedergabe in den unteren Frequenzen. Und beide Boxen, insbesondere aber die 112 Pro, klingen voluminöser, als es ihre Dimensionen erwarten lassen. Ein völliges Alleinstellungsmerkmal ist, dass man LaRoqua-Cabinets mit alten Vintage-Speakern bestückt bekommen kann. Funktional steht bei der 112 Pro und der 212 Studio also alles zum Besten. In der Verarbeitung fehlte aber der letzte Schliff. Den grundsätzlich positiven Eindruck in Hinsicht auf das Preis-/Leistungsverhältnisses kann dies jedoch nur wenig schmälern.