Very British

Test: Laney DB500H und DBV410-4

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(Bild: Dieter Stork)

Laney hat bei uns nie den Stellenwert der anderen Großen aus dem UK, also Marshall, Vox, Hiwatt oder Orange, erringen können. Dennoch erweist sich der Hersteller als zäh, langlebig und innovativ. So auch beim neuesten Bassanlagen-Streich, der moderne Technik in Retro-Gehäuse verpackt.

Digbeth ist ein Teil von Birmingham, der zu Zeiten der industriellen Revolution eine unglaublich hohe Dichte an Manufakturen aufwies. Dorthin zog Lyndon Laney mit seiner Fertigung, nachdem der Erfolg der mit seinen Amps eingespielten Black-Sabbath-Debüt-LP die Nachfrage steil ansteigen ließ. Danach zog man noch zweimal in jeweils größere Werke um, aber der charmante Name ziert jetzt die neue Bassrange.

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DAS TOP

Als erste Geräte aus der neuen Reihe stellen sich das Digbeth DB500H Top samt passender DBV410-4 Box dem Test. Schon optisch machen die beiden ganz schön was her. Robustes, schwarzes Tolex, weißer Keder, und grau-schwarzer Frontbespannstoff ergeben einen sehr schönen Vintage-Look. Das Topteil hätte deutlich kleiner gebaut werden können, aus dem Gehäuse ausgebaut bleibt ein, im Vergleich zu anderen Class-D- Tops, etwas breiteres, aber sonst normal kompaktes und auch für sich stehend solides Metallgehäuse über – aber warum auf die tolle Optik verzichten?

Mit gut 7 kg bleibt der Amp allemal tragbar, der große und stabile Riemengriff reicht locker aus. Vier dicke Gummifüße sorgen für guten Stand auf der Box. Nach dem Eingang per Klinkenbuchse folgt der Volume-Regler für den FET-Kanal. Feldeffekttransistoren sagt man einen angenehmen, röhrenähnlichen Klang nach. Wenn er richtig nach Röhre klingen soll, schaltet man eben per satt rastendem Hebelschalter um auf den entsprechenden Kanal, der in Drive und Volume einzustellen ist.

Ein wenig entsetzt es mich ja, auf einem in Großbritannien designten Amp „Tube“ statt „Valve“ zu lesen, aber wenn’s auf dem internationalen Markt hilft … Der Tube-Volume-Regler hat noch eine Pull-Funktion, mit der FET und Röhre parallel gefahren werden können. Die Klangregelung ist dreibandig aufgebaut. Bass und Treble funktionieren ganz konventionell, hier wird ein festes Band angehoben resp. abgesenkt. Interessanter ist die Mittenregelung: Hier gibt es vier Presets, die am linken Drehschalter abgerufen werden können, um dann am rechten Drehregler wiederum angehoben oder eben abgesenkt zu werden.

Etwas abgesetzt und auch nicht als Teil des EQs markiert, sitzt der Tilt-Regler. Den Ausdruck kennt ihr vielleicht vom Flipper, wo Tilt anzeigt, dass man (illegalerweise) den Flipper gekippt hat. Beim Laney wird stattdessen der Ton „gekippt“, ausgehend von einer neutralen Mittelstellung betont die Klangwaage entweder den Bassbereich und reduziert die Höhen, oder umgekehrt.

Unter einer großen, roten Old-School-Leuchte sitzt ein weiterer robuster Schalter, der den Amp stummschaltet. Sieht die Frontplatte aus, als könnte sie auch den Siebzigern entsprungen sein, geht es auf der Rückseite ganz nüchtern-modern zu. So ist der Speaker-Anschluss natürlich eine Speakon-Klinken-Kombibuchse.

(Bild: Dieter Stork)

Wie die Verstärkerbezeichnung schon vermuten lässt, werden hier 500 Watt an vier Ohm abgegeben. Der Tuner Out führt auch bei stummgeschaltetem Amp noch ein Signal, an Remote kann ein optionaler Fußschalter angeschlossen werden, der Tube Drive und Mute fernbedient. Der serielle Effektweg mit Send und Return kann mit einem Schiebeschalter zwischen ganz aus, einem hohen Pegel mit 0 dB oder einem um 10 dB reduzierten umgeschaltet werden, sodass Rackgeräte (benutzt die noch wer?) wie auch Bodentreter eingeschliffen werden können.

Stufenlos im Pegel einzustellen sind Aux In mit der obligatorischen Miniklinke und der Kopfhörerausgang, der untypisch, aber robust als große Klinke ausgeführt ist. Der XLR DI-Out kommt mit zwei Schaltern, die die Erdung aufheben und das Signal entweder Pre direkt am Eingang oder Post nach Preamp, EQ und Tilt abgreifen. Neben der Buchse für das KGS-Kabel sitzt noch der Netzschalter.

(Bild: Dieter Stork)

DAS CABINET

Im gleichen schicken Vintage-Styling präsentiert sich die Box. Aus solidem Sperrholz gebaut, sind die Kanten abgerundet, das Tolex sauber aufgezogen, Keder oben am Gehäuse und Piping um den Frontbespannstoff sind akkurat und gleichmäßig. Aus eigener Erfahrung mit 70er-Jahre-Boxen weiß ich, dass diese Bauweise robust ist, aber so ganz ohne Ecken- und Kantenschutz sollte man entweder vorsichtig mit der Box umgehen, oder sich eine Hülle besorgen, die es von Laney selbst leider nicht gibt.

Was ich an der DVB-410 sehr cool finde, ist das Format. Bei vielen Gigs reicht eigentlich eine 4x10er, aber gerade auf der Rockbühne sieht das kleine Besteck dann etwas verloren aus. Diese Box (es gibt auch eine konventionelle, kleinere) baut mit 91 cm ordentlich hoch und ist dafür ein wenig schmaler. Das wirkt schon optisch ganz anders.

(Bild: Dieter Stork)

Vier HH-Black-Label-Zehnzöller mit keramischen Magneten und ein LaVoce-1″-Hochtontreiber in einer innen versteiften und mit einer Fasermatte auf der Rückseite gedämpften Bassreflex-Kammer ergeben eine Belastbarkeit von 600 Watt. Der Hochtöner kann im Anschlussfeld mit einer einsamen Speakon-/ Klinkenkombibuchse mit zwei versenkten Schiebeschaltern an- und aus- sowie auf volle oder halbe Kraft geschaltet werden. Geht mit spitzen Fingern gerade so ohne Werkzeug, dafür verstellt sich auch nichts beim Transport.

Apropos Transport: Da sich eine Box dieses Formats auch anders anpacken lässt als eine normal gebaute, gibt es neben den ziemlich mittig sitzenden, gut greifbaren Schalengriffen auch Rollen und einen Griff hinten oben, dazu ein Trittblech, das beim Ankippen hilft. So kann die DVB wie eine traditionelle Kühlschrank-Box bewegt werden. Mit knapp 33 kg ist sie auch alleine noch tragbar, zu zweit ist es ein Kinderspiel.

(Bild: Dieter Stork)

ALL TOGETHER NOW

Zusammen aufgebaut ergeben Top und Box ein schönes Retro-Stack, das auch in den 70ern nicht wirklich aufgefallen wäre. Jedenfalls von der Optik her. Was Wiedergabe und Tragbarkeit angeht, ist Laney hier Lichtjahre weiter. Aber eins nach dem anderen.

Mit dem Netzschalter auf der Rückseite angeschaltet, blinkt die rote Pilotlampe solange vor sich hin, bis ich das Top mit dem dicken Schalter aus dem Mute-Modus befördere, worauf die Lampe zum Dauerleuchten übergeht. Die beiden Lüfter bleiben erstmal stumm, und überhaupt herrscht wundersame Stille.

Des Rätsels Lösung ist ein nicht einstellbares Noisegate, das in Spielpausen automatisch den Eingang dichtmacht. Eigentlich eine gute Idee, manchmal nervt es mich aber, dass bei jeder Bewegung mit dem Instrument das Gate aufgeht, kurz flattert, und wieder zugeht. Regel- oder schaltbar wäre da eine schöne Option. Recht geschickt täuscht das Top so darüber hinweg, dass der Nebengeräuschpegel am Speaker-Ausgang ganz ordentlich ist …

Über den FET-Schaltkreis klingt mein Bass rund, warm und transparent – eine gute Grundlage für die Weiterverarbeitung. Drastisch greift Tilt ein, der von sehr warm und wollig bis sehr trocken und hell reicht. Dabei funktionieren natürlich die anderen Klangregler noch, sodass dem hellen Ton Bässe zugefüttert werden können, während dem wolligen Ton in Maßen Definition zugegeben werden kann. Da reden wir dann aber auch über Extremstellungen. In der Praxis wird man ihn eher weniger krass einsetzen.

Der reine EQ kann sich auch sehr hören lassen, der Bass packt fundamental zu. Die Höhen tummeln sich weniger in luftigen Gefilden als vielmehr beim Britischen Klingeln, das sich offensiv boosten oder eben zügeln lässt. Mit dem Mittenregler muss man sich erstmal vertraut machen. Der Drehschalter gibt vor, welche Frequenz bearbeitet wird, und mit welcher Charakteristik. Das geht recht schmalbandig in den tiefen Mitten los, geht dann etwas höher mit breitbandigem Ansatz, und dann in zwei Stufen wiederum schmalbandig in die hohen Mitten.

Mit dem zweiten Regler wird dann diese Frequenz angehoben oder abgesenkt. Das ist ganz schön effektiv. Sparsam eingesetzt, bringt es mir am meisten. Auch erwische ich mich dabei, statt z. B. tiefe Mitten anzuheben, eher hohe Mitten abzusenken. Auf jeden Fall mal ein anderer Ansatz!

Untereinander agieren die EQ-Regler weitgehend unabhängig voneinander, insgesamt aber abhängig vom Tilt, sobald der die Mittelstellung verlässt, was interessante Möglichkeiten eröffnet. Wird der Tube-Schaltkreis aktiviert, der ganz ohne Röhre auskommt, bleibt der Ton bei cleaner Einstellung exakt gleich. Weiter aufgedreht, fühlt sich der Ton zunächst angenehm komprimiert an und fängt an zu knurren, bevor es in einen immer harmonischen Overdrive geht. Der gefällt mir tatsächlich mal über den gesamten Regelweg!

Dabei gerät der Ton nicht außer Form und bleibt als Bass erkennbar. Wird noch mehr Knack und Definition gewünscht, kann ja noch der cleane Ton zugeschaltet werden, auch ohne frequenzmäßige Aufteilung ist das sehr homogen. Bei entsprechender Einstellung der Volume-Regler funktioniert die Umschaltung auch auf den kombinierten Ton ohne Lautstärkesprünge – sehr gut!

Die Box gibt das alles mit einem fetten Mittenbrett wieder, mit dem man sich in jeder Band durchsetzen dürfte. Griffig, konkret und auch bei den hohen Lautstärken, die das Top in der Lage ist zu produzieren, entspannt haut die DVB-410 das alles raus. Dabei kommt auch das Fundament nicht zu kurz, und auch die Präsenz ist packend vorhanden. Für modernere Sounds lassen sich die Höhen mit dem Horn noch expliziter gestalten, schon auf halber Kraft kommen feine Brillanzen ins Spiel. Vom Spielgefühl ist die Box angenehm nah an einer geschlossenen, was an der Platzierung der Bassreflex-Öffnungen hoch auf der Rückseite liegen mag.

RESÜMEE

In der bunten Welt der Class-D-Topteile punktet Laney mit dem neuen Digbeth, dem ein Gehäuse in der Machart alter Vollröhren-Tops verpasst wurde. Das passt in der Kombination mit der originell formatierten 4x10er-Box auf jeden Fall sehr gut zusammen und ergibt ein tolles Stack in bestechender Vintage-Optik, das klanglich aber weit darüber hinaus gehen kann.

Die cleanen Sounds reichen von traditionell bis modern, ein besonderes Highlight ist für mich der Tube-Schaltkreis – sowohl für sich alleine als auch in Kombination mit dem FET-Preamp. Kombiniert mit den Möglichkeiten des originellen EQs in Verbindung mit dem Tilt-Regler hat Laney eine sehr interessante Anlage am Start, die auch preislich überzeugt.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Welchen Stellenwert hat Ashdown bei Euch?

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. danke für den review. ihr habt den stack nicht zufällig mit einem 5 Sauter getestet oder?
    Ich habe die Erfahrung gemacht das gerade so manches Cab super klingt aber dann mit den frequenzen der B sie
    saite einfach nicht klar kommt, was die suche zum Teil sehr erschwert.

    Beste Grüße
    Falk

    Auf diesen Kommentar antworten

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