Ein großes Rock'n'Roll-Herz

Test: Knaggs Steve Stevens SSC-J Blackburst

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BRETTER VERLEGEN UND DURCHAUS MEHR …

Sucht man nach der Urform dieses Brettgitarrentyps, kommt man natürlich um die Gibson Les Paul Special nicht herum. Eine gewisse Eigenständigkeit ist dem Knaggs-Modell aber nicht abzusprechen. Dennoch stehen wir letztlich immer auf den Schultern unserer Vorgänger. Selbst Beethoven wurde einst vorgeworfen, bei Mozart geklaut zu haben. Seine Antwort: Ja, bei wem denn sonst?

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Die mit runden 3 Kilogramm schön leichte Steve Stevens SSC-J vermittelt sofort ein großartiges Spielgefühl. Auch wenn ihr die Anlagebucht der SSJ am Boden oben fehlt, fügt sie sich doch bestens an und ihr Hals ist einfach ein Gedicht, allerdings nichts für Flachhalsspezialisten. Nun, da bewegen wir uns natürlich im individuell durchaus unterschiedlich zu bewertenden Bereich, aber dieses Knaggs-C-Profil mit einem Hauch von angehobener Mitte ist kräftig, schmeichelt der Hand ungemein und vermittelt ein profundes Spielgefühl.

Perfekte Medium-Bundierung, sauberes Set Up und Freistellung der hohen Bünde tun ein Übriges, um alles Technische links liegen zu lassen und spontan zu musikalischem Schaffen durchzustechen. Bei den ersten Akkorden ahnt man schon, was Steve mit dem Begriff Jazz in seiner Funktionsbeschreibung wohl meinen könnte. So rund und geschmeidig abfedernd löst sich der resonanzstarke Ton, so transparent und griffig erscheinen die Voicings, dass einfaches Comping bereits in Freude pur mündet. Das aber ist natürlich eher ein Nebeneffekt, denn in dieser Gitarre schlägt selbstredend ein großes Rock‘n‘Roll-Herz.

Wie im Steve-Stevens-Signature-Modell, so sorgen auch in der kleinen SSC-J Bare-Knuckle-Steve Stevens-Signature-Pickups für angemessene elektrische Kompetenz. Diese Humbucker sind aber keine breitbeinig in den Raum springenden High-Output-Typen, eher haben wir es mit auf zurückhaltenden Output gewickelten und transparent übersetzenden Tonwandlern zu tun.

Der Hals-Pickup, kraftvoll und harmonisch ausgeglichen in der Darstellung, legt mit wohldosierten Bässen das konturstarke Fundament. Auf dem bauen die zentralen warmen Mitten und ein fein gerundeter Höhenbereich stimmig auf. Neben stimmlich bestens gewichteten und tiefenscharf aufgelösten Akkorden, lassen sich dank eines tendenziell akustisch anmutenden Aspektes im Klangbild substanzreiche Linien mit durchaus jazzigem Feel (mal nicht übertreiben mit diesem Begriff) ins Leben holen. Letztere nehmen in Zerre genommen aber schon ein leicht holzig raues, mit abgeregeltem Ton alternativ auch weich singendes Timbre an. So oder so ein Premium-Sound!

Schalten wir auf den Steg-Pickup, gibt der uns ein deutlich enger gefasstes, mittig zentriertes Akkordbild an die Hand. Sehr schön kompakt lässt sich damit Schrubben. Der Anschlag wird perkussiv herausgestellt und Akzente sitzen perfekt, denn der Höhen-Peak zeigt guten Biss und das alles ist auch immer dynamisch bestens steuerbar. Im Overdrive ist zunächst die stramme und konturscharfe Umsetzung von Powerchords zu loben, ein Rock-Brett mit dem sich wunderbar raspeln und sägen lässt!

Übertroffen wird das dann aber mit leichtem Fuß vom bärenstarken Lead-Sound, den diese Bare Knuckle Pickups höchst effektiv in Szene zu setzen in der Lage sind. Mit feiner Mittennase lässt sich das Skalpell präzise durch den Mix führen, leicht lassen sich kraftvoll aufsteigende Obertöne provozieren.

Bemerkenswert differenziert reagiert das Instrument mit markanter Perkussion auch auf das Plektrum und die Anschlagsposition. Ein Ton der folgt, keiner mit dem man kämpfen muss. Wenn es sein muss, und manchmal muss es ja einfach sein, kannst du mit viel Gain-Potenz auch die blitzende Machete zücken und dir eine Schneise in den Punk-Urwald schlagen. Toll ist aber selbst in diesem Feld stets die gute Kontrolle und Steuerbarkeit der angriffslustigen Sounds.

Den Sack zu macht dann die Schaltstellung Mitte mit kombinierten Humbuckern. Die Saitenseparation wird nochmals erhöht, leicht glasiert springen Akkorde und Linien vor. Das bringt viel Luft und Licht ins Geschehen und macht sich in klaren Einstellungen so gut wie im anschmelzenden Crunch.

Bare-Knuckle-SSC-Pickups, konventionell verschaltet (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit der Steve Stevens SSC-J legt Knaggs Guitars einen tollen Kracher vor – die perfekte Mischung aus pointiert originärer Klangschöpfung und spieltechnischer Eleganz. Die Umsetzung ist schlagend, da sie das Wesentliche in den Vordergrund stellt und das auf höchstem Niveau. Der mahagonisatte Ton bei klar eingestelltem Verstärker hat Klasse, findet seine wahre Bestimmung aber zweifellos in satt saftenden Gain-Positionen.

Für den heißen Rock-Sound der SSC-J lassen sich die starken Bare-Knuckle-Steve-Stevens-Signature-Pickups gerne verantwortlich machen. Die dominante Position nimmt beim Kommando Rock natürlich der Steg-Pickup ein. Mit ihm lässt sich prächtig abledern, wenn nicht gar dank anschiebender Obertoneskorte fliegen. Sie kann zwar auch anders (jazzy), aber die stringente kompromisslose Rock-Attitüde steht dieser auf das Wesentliche reduzierten Steve-Stevens-Variante einfach am besten.

Top-Materialien und perfektionistische Verarbeitung schlagen sich allerdings auch in einem recht hohen Preis nieder. Dennoch: tolles Teil von hohem Begehrwert!

PLUS

● Design
● Resonanzverhalten
● Bare-Knuckle-Pickups
● Premium Sounds
● kraftvolles Halsprofil
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung

MINUS

● Preis ist nicht von Pappe

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2024)

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