(Bild: Dieter Stork)
Nach diversen Ibanez-Signature-Gitarren und DiMarzio-Pickups hat Virtuose Paul Gilbert nun auch sein eigenes Pedal auf den Leib geschneidert bekommen. Das PG-14 sieht nicht nur anders aus als konventionelle Overdrives, es hat auch einiges mehr zu bieten. Was haben sich die Effektschmiede JHS und der High-End-Gitarrero dabei gedacht?
Noch vor einem Jahr war Paul Gilbert ein klassischer Stacker. Wie er diesem Magazin seinerzeit verriet, erzeugte er seinen Zerrsound mit drei bis vier Drive-Pedalen, die er in verschiedenen Kombinationen vor einen clean eingestellten Marshall schaltete. Das mit dem Marshall ist noch immer so, auf seinem Board hingegen hat sich eine neue Ordnung etabliert. Schuld daran ist vor allem Joshua Heath Scott. Der Mann hinter JHS Pedals hat mehrere Bodentreter designt, die Gilbert gerne verwendet, etwa den Preamp/EQ Haunting Mids, das Supro-In-A-Box-Pedal Superbolt sowie den grünen Multi-Screamer Bonsai. Da die beiden sich auch persönlich offensichtlich gut verstehen und den Sinn für Humor teilen, wie zahlreiche Internet-Videos belegen, lag es nahe, dass Paul sein eigenes Pedal auf den Leib geschneidert bekommt. Und das ist weit mehr als eine weiteres Zerre – das Konzept war, einen Amp-Kanal zum Mitnehmen zu designen, der vor jedem gängigen Verstärker funktioniert.
AMP…
So packte Scott einen Verstärker-Schaltkreis in eine Kiste, ersetzte die Röhren durch FETs, und fertig war das Paket. War es natürlich nicht, denn Gilbert hatte ein paar spezielle Vorstellungen und brachte Ereignisse seiner Vergangenheit im Pedal unter. So erstand er nach eigener Aussage vor langer Zeit auf einem Flohmarkt einen Audio-Röhrenverstärker der Firma Montgomery Ward, in den sein Vater eine Klinkenbuchse für Pauls Gitarre einbaute. Das gute Stück war mit DiMarzio Super Distortions bestückt und überfuhr den ahnungslosen Amp damit, es brauchte immer eine gewisse Zeit, bis er nach den Eingangspeaks buchstäblich zu Atem kam und ein Signal abgab. Diesen Attack-gesteuerten Kontrollverlust hat Paul auch in seinem Pedal haben wollen. Aber keine Sorge, er ist regelbar. Bevor wir uns weiter mit dem Konzept beschäftigen, zunächst ein Blick auf das Design.
Das hellblaue Gehäuse mit seinen pinken und schwarzen Potis unterscheidet das Pedal von den meisten seiner Artgenossen, der aufgemalte Turnschuh mit Gilberts Namen in japanischer Katakana-Silbenschrift rundet die außergewöhnliche Optik ab und zeigt dabei auch einmal mehr, dass Paul sich trotz all seiner Fähigkeiten auf dem Instrument nicht zu ernst und wichtig nimmt. Die Bezeichnung des Pedals wurde nach Gilberts Aussage von seiner Schuhgröße abgeleitet. Das amerikanische 14 entspricht dabei dem europäischen 46 2/3, was bei seiner Körpergröße von 1,93 hinkommen könnte – genauso aber auch eine lakonische Irreführung sein kann, denn Pauls DiMarzio-Pickups firmieren als PG-13. Vielleicht ist es also auch nur eine simple Zahlenabfolge. Noch zwei Hard-Facts, ganz ohne Ironie und doppelten Boden: Pauls Pedal ist als True Bypass konzipiert und lässt sich nur per Netzteil betreiben.
Das PG-14 weist insgesamt sechs Potis auf. Drei davon finden sich auf den allermeisten anderen Zerrpedalen auch: Drive, Tone und Volume, also Zerranteil, Grundton von mild bis crisp sowie Lautstärke. Dazu gibt es eine aktive semi-parametrische Mittenregelung mit Potis für den Anteil (Mid) und die Frequenz (Mid Fred). Das Frequenzspektrum gibt JHS mit 400 Hertz bis 7,5 Kilohertz an.
Wie wir noch sehen werden, kann diese Klangregelung einiges ausrichten. Vor allem die Tatsache, dass sie vor der eigentlichen Zerr-Einheit sitzt, macht sie und damit das Pedal deutlich flexibler als viele andere Drives. Kommen wir zum letzten Poti, Gilberts eingebautem „Montgomery Ward“-Moment: „Push“ bestimmt, wie stark der Eingang des Schaltkreises angefahren wird. Es handelt sich also um eine Art integrierten Preamp, dessen Einstellung sich auch auf den „Drive“-Regler auswirkt.
(Bild: Dieter Stork)
… AUS DER BOX
Mit diesen Optionen kann das Pedal auf vier Arten Zerrsounds erzeugen. Die gängigste ist natürlich die Steuerung via Drive-Poti. So macht es auch der Namensgeber in den meisten Fällen. Die zweite Option ist es, das Pedal per Mittenreglung scharf anzufahren und dabei den Drive etwas zurückzunehmen, was den Klangcharakter verändert und einen sehr Amp-artigen Ton mit reichlich Punch erzeugen kann. Und dann ist da ja noch „Push“. Vor allem in den unteren Frequenzen kann man hier mit dem Pick Attack spielen und seine eigene Grenze zwischen „geht noch gut“ und „bröselt auseinander“ ausloten – oder auf diese Art bewusst einen abgedrehten, beinahe Fuzz-artigen Spezial-Sound erzeugen. Und natürlich lassen sich diese drei Optionen auch beliebig kombinieren und dem eigenen Geschmack, Stil und Equipment anpassen. Alle drei Optionen sind in erster Linie dafür gedacht, einen clean eingestellten Amp anzufahren – so, wie Paul das selber auch macht. Auf die vierte Option verzichtet er dabei: Einen bereits leicht bis mittel zerrenden Verstärker via Volume-Poti auf die nächste Drive-Ebene zu heben.
Schon beim ersten Test stellten sich drei Dinge heraus: Das Pedal bewahrt den Charakter der Gitarre und ist alles andere als ein Gleichmacher. Paula bleibt Paula, Strat bleibt Strat. Dazu ist es extrem dynamisch und reagiert äußerst sensibel auf den Anschlag und die Stellung des Volume-Potis an der Gitarre. Selbst bei höheren Gain-Settings klart das Pedal beim Zurückdrehen wunderbar auf. Und drittens: Schon in Mittelstellung aller Regler klingt das PG-14 richtig gut, die Basis für den persönlichen Wunsch-Sound ist also von Anfang an gelegt. Vor allem die Kombination der Mittenregler mit dem Drive-Poti ermöglicht schnell eine Vielzahl an Sounds von AC/DC bis ZZ Top. Beeindruckend ist dabei, dass das Pedal immer warm und rund klingt. Damit stach es im direkten Vergleich auch das vom Tester sonst so gerne hergenommene Fulltone OCD ein ums andere Mal aus und ließ es vergleichsweise kratzig dastehen. Beim Abhören der Audioaufnahmen zum Test fiel jedenfalls ungewöhnlich häufig der Begriff „geiles Teil“. Egal ob mit Humbuckern oder Singlecoils – die Sounds, die das Pedal bereitstellt, können sich ausnahmslos und durch die Bank absolut hören lassen.
Die Mittensektion kann den Sound dabei nicht nur feintunen, sondern dank des Aufbaus und der Position in diesem für Gitarren so relevanten Bereich auch maßgeblich eingreifen. Sie kann ebenso durchsetzungsfähige Solosounds erzeugen wie das Pedal an unterschiedliche Verstärker anpassen. Noch vielseitiger wäre das PG-14, wenn man die Mitteneinheit separat zuschalten könnte. Noch ein finales Wort zum Preamp-Push: Den kann man in diesem Kontext als Extra- oder Zusatzfunktion betrachten, die man mit etwas Vorsicht genießen muss – was aber exakt so gedacht ist. Dafür liefert er spezielle und interessante Sounds an der Schwelle zum akustischen Verschlucken, die sich per Anschlag steuern lassen. Nennen wir es eine zusätzliche Zündstufe, die auf Wunsch zu Verfügung steht.
Paul Gilbert hat über Jahrzehnte seine Hausaufgaben gemacht, kennt die Rockhistorie auswendig und kann einen Großteil davon perfekt rezitieren. Mit dem PG-14 hat er nun ein Pedal am Fuß, das ihm eine optimale Grundlage dafür bietet. Speziell Classic Rock im Stil der 60er- und 70er-Jahre von The Who über Led Zeppelin bis hin zu den frühen Van Halen geht damit perfekt – und natürlich auch traditionsbewusste Sounds von heute. Mit seinem Konzept lassen sich röhrenartige Drive-Sounds mit hoher Transparenz und Dynamik auch bei Mietwohnung-verträglichen Lautstärken erzeugen. Neben seiner Bandbreite an guten Sounds konnte das Pedal im Test auch mit einem sehr nebengeräuscharmen Betrieb punkten. Beide Daumen hoch für die „Driverly Brothers“ Josh und Paul!
RESÜMEE
JHS und Paul Gilbert haben mit dem PG-14 ein beeindruckendes Pedal erschaffen, das vor allem Rockgitarristen jede Menge Spaß bereiten dürfte. Mit einer überaus flexiblen Gain-Struktur lässt es sich sehr nuanciert an die eigenen Bedürfnisse und vorhandenen Amps und Gitarren anpassen und punktet zudem mit große Dynamik und Transparenz. Das einzige wirkliche Manko ist der Umstand, dass sich Gilberts Talent und Fähigkeiten, anders als im Werbetext erwähnt, nicht über das Pedal auf den Spieler übertragen. Das muss wohl wieder die Ironie der beiden Macher gewesen sein … Dafür macht der Sound aber so viel Spaß, dass man zumindest gerne spielt und damit auch immer ein wenig übt.
PLUS
- erstklassige Drive-Sounds
- drei verschiedene Zündstufen
- Bandbreite
- Dynamik
- originelles Design
MINUS
- Handarbeit hat ihren Preis
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)