Gute alte Zeiten

Test: JHS Legends of Fuzz Serie

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(Bild: Dieter Stork)

Vor allem in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre waren Fuzz-Pedale das große Ding. Kaum einer der damaligen Giganten kam ohne mindestens ein Exemplar unter dem Fuß aus. Ebenso wie die Gitarrenhelden von einst werden auch die charaktervollen Zerr-Aggregate bis heute hoch geschätzt. JHS hat den „Legenden des Fuzz“ nun eine eigene Serie gewidmet.

Joshua Heath Scott baut nicht nur Pedale, er ist ihnen mit Haut und Haaren verfallen. Der Macher von JHS verfügt über eine riesige Kollektion alter Effektgeräte, von denen er sich immer wieder inspirieren lässt. Er kennt sich nicht nur mit der Historie der Fuzz-Pedale aus, er weiß auch über ihre Innenleben Bescheid. Mit der „Legends Of Fuzz“-Serie möchte er vier seiner persönlichen Favoriten ein Denkmal setzen.

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Und da er nicht nur Pedale sammelt, sondern sie auch tunen kann, hat er es dabei nicht belassen – jedem Pedal der Serie wurde eine schaltbare Modifikation und damit eine Sound-Alternative beigefügt. Sämtliche Vorlagen wurden erstmals in den 1960er-Jahren gebaut, auch wenn dies nicht auf den ersten Blick erkennbar wird. Dass man nicht jede Jahreszahl einem Original zuordnen kann, liegt daran, dass Joshua hier nicht einfach das Erst-Erscheinungsjahr eines jeden Pedals angegeben hat, sondern jenen Jahrgang, den er für seine Nachbildungen auserkoren hat. Scotts Sammelleidenschaft beschränkt sich nicht darauf, von jedem Pedal eine Version zu haben, sondern mindestens eine pro Baureihe.

Laut eigener Aussage besitzt er alleine aus dem Sola-Sound/ Tonebender-Kosmos rund 30 Bodentreter. Da fiel die Auswahl der Vorlage sicher schwer. Denn man darf nicht vergessen, dass aufgrund der Toleranzen und Streuungen der damaligen Bauteile auch gleiche Ausführungen von einst in Sachen Sound zum Teil stark voneinander abweichen können – gerade weil nur so wenig drinsteckt. Dazu kommt: Wenn sie überhaupt auf den Markt gelangen, wechseln einige der Originale heute für vierstellige Summen den Besitzer. Mit akkuraten Replikas kann diese Vakanz zumindest zum Teil gefüllt werden – was verschiedene Hersteller auch immer wieder gerne tun.

DIE PROBANDEN

Zwei von ihnen werden auch in diversen „Original“-Versionen auf dem aktuellen Mainstream-Markt angeboten: das Fuzz Face (heute unter dem Brand Dunlop/Jimi Hendrix) und der Big Muff. Original steht hier in Anführungszeichen, weil das Fuzz Face einst von der Firma Arbiter gebaut und verkauft wurde, der legendäre Big Muff ist zwar klar mit dem Brand Electro-Harmonix verbunden, aus rechtlichen Gründen erblickte die von Joshua Scott favorisierte Version allerdings unter der Bezeichnung „Mike Matthews Red Army Overdrive“ das Licht der Welt. Die anderen beiden geklonten Pedale sind der Tonebender der englischen Firma Sola Sound sowie das Univox Super-Fuzz, hinter dem einst die japanische Company Shin-Ei stand. Bei so viel Namedropping schon am Anfang eine kurze Bemerkung: Viele der damaligen Produkte kamen in OEM-Versionen mit gleichem Inhalt und verändertem Gehäuse auch für und von anderen Companies auf den Markt, der Tonebender etwa auch von Vox.

Bevor wir näher auf die Originale eingehen, werfen wir einen Blick auf die Gemeinsamkeiten des Quartetts. Das übersichtlich-elegante Gehäuse beherbergt auf der Oberseite lediglich einen „Fuzz On“-Switch, alle weiteren Justier- und Schaltoptionen finden sich an der Stirn- bzw. vom Spieler aus gesehen linken Seite des Gehäuses. Die Ausstattung und die Bezeichnungen der Potis entsprechen dabei denen des Originals. Je ein Poti kontrolliert Volume und Zerranteil, beim Bender und beim Crimson kommt noch ein Tone-Regler hinzu. Die „Mode“-Sounds können über einen kleinen roten Schalter an der Seite angewählt werden.

Um die Kosten im Rahmen und die Sounds konstant zu halten, sind die JHS-Versionen im Inneren mit Platinen bestückt und nicht wie die Originale handverlötet. Die abgeschrägte Gehäuseform ist angelehnt an das „Ur-Fuzz“, das Gibson Maestro FZ-1 Fuzz-Tone aus dem Jahr 1962, das sich auch andere Pedale dieser Dekade zum Vorbild nahmen. So passend das für eine Retro-Serie auch sein mag – die Ablesbarkeit leidet darunter. Man kann weder die Position der Potis erkennen, noch wird optisch angezeigt, ob man gerade im Standard- oder Custom-Mode ist. Früher war halt doch nicht alles besser. Und damit zu den einzelnen Pedalen. Gehen wir dabei JHS-chronologisch vor.

SMILEY, LONDON 1969

Smiley (Bild: Dieter Stork)

Dass das Fuzz Face, das hier nachgebildet wurde, nicht nur durch Jimi Hendrix seit 1966 die Musikgeschichte geprägt hat, dürfte ein allgemein bekannter Fakt sein. Im Jahr der Mondlandung wechselte das Innenleben des so außergewöhnlichen Pedaltellers von Germanium- zu Silizium-Transistoren. Das Ergebnis war neben mehr Stabilität und Kontinuität auch ein bissigerer Sound, der dem Gitarrengott aus Seattle besser gefallen haben soll als die Urversion. Beim „Lächler“ von JHS kommt zur klassischen Fuzz- und Volume-Regelung eine schaltbare Sound-Option hinzu, die das Pedal in ein „Gated Fuzz“ verwandelt, bei der das Signal ab einer gewissen Lautstärkeschwelle abgeschnitten wird und sodann komplett verstummt. Wie das Original reagiert auch das Smiley feinfühlig auf die Stellung des Volume-Potis der Gitarre und klart beim Zurückdrehen schön auf.

SUPREME, JAPAN 1972

Supreme (Bild: Dieter Stork)

Hier stand das wohl außergewöhnlichste Pedal der Viererauswahl Pate: ein Univox Super-Fuzz, das ab 1968 von der japanischen Company Shin-Ei (kennt man vom Ur-Uni-Vibe) unter verschiedenen Brandings gebaut wurde. Prominentester User seinerzeit war Pete Townshend von The Who, der in einem Interview jedoch mal erwähnte, dass er das Pedal nur für „den Krach am Ende“ eingeschaltet hatte. Zu dem sehr eigenen Sound des Super-Fuzz trug der Umstand bei, dass eine Oktave oberhalb des Signals beigefügt wurde. Auf seiner Homepage findet JHS einen schönen Vergleich: „Wie ein Octavia Fuzz, das mit dem falschen Fuß aufgestanden ist.“

Wie das Original weist auch das Supreme einen Tone-Switch auf, der den Mittenbereich um 1kHz herum massiv aushöhlt. Dazu kommt eine Modifikation, bei der ziemlich genau das Gegenteil passiert – hierbei werden die Mitten geboostet. Auch wenn es sich komisch anhören mag: Die Kombination der beiden liefert interessante Ergebnisse, die alles andere als alltäglich klingen.

BENDER, LONDON 1973

Bender (Bild: Dieter Stork)

Wie das Fuzz Face wurde auch der Tonebender von Sola Sound seit seinem Erscheinen 1965 zum beliebten Werkzeug der Profis, vor allem Jeff Beck mit den Yardbirds und Jimmy Page bis in die Tage von Led Zeppelin wurden regelmäßig mit ihm auf der Bühne gesehen. Das äußerlich Besondere der modellstehenden MKIII-Version war das Tone-Poti, das dort erstmalig seriell verbaut war. Im Innern arbeiteten dort drei Germanium-Transistoren, beim Bender sind es akkurat ausgewählte Silizium-Varianten, die für höhere Konstanz und Zuverlässigkeit sorgen sollen und dabei den Charakter der Originalbauteile treffen wollen. Als Zusatzoption wurde ihm ein schaltbarer Gain- und Mittenboost spendiert.

In Kombination mit dem Tone-Regler ist der Bender damit das bis hierhin flexibelste Exemplar der Linie. Im Vergleich mit dem Fuzz Face klingt er im Bassbereich weniger drückend-bröselnd und bietet damit auch heute noch – oder wieder – eine echte Alternative zum anderen großen Fuzz.

CRIMSON, RUSSIA 1992

Crimson (Bild: Dieter Stork)

Als das Big Muff von Electro-Harmonix 1969 erstmals vorgestellt wurde, schlug es gleich hohe Wellen – auch weil es sich konzeptionell und klanglich von den damals gängigen Fuzz-Pedalen unterschied und mit seinen Gain-Reserven und dem daraus resultierenden Sustain-Verhalten eine neue Richtung einschlug, die deutlich Richtung Distortion wies. Das von JHS nachgebildete Pedal stammt aus der Zeit Anfang der 1990er-Jahre, als der einstige Firmenchef Mike Matthews (Electro-Harmonix musste 1982 Konkurs anmelden) einige Modelle bei Sovtek in Russland bauen ließ, die schnell Kultstatus erreichten.

Joshua Scott hat sich bei seiner Auswahl an der ersten Produktionsreihe, dem „Mike Matthews Red Army Overdrive“ orientiert, das der bekannteren nachfolgenden „Civil War“- Ausführung zwar ähnelt, dem JHS-Boss mit seiner Wärme, Klarheit und Definition aber noch besser gefällt. Dazu ist es die deutlich rarere Variante. Auch in diesem Fall erklingt im „Mode“ ein Mitten-Boost. Das Ergebnis ist ein fetter, drückender Zerr-Sound, der im Vergleich zu seinen Kollegen ein gutes Stück straffer daherkommt.

FUZZABGRENZUNG

Da dem Tester, anders als dem JHS-Macher keine Originale vorlagen (nicht mal eins!), lässt sich die Authentizität der Klone nicht abschließend beurteilen, aber das muss auch gar nicht unbedingt sein. Viel wichtiger ist, wie die Pedale soundmäßig agieren und auch, wie sie sich voneinander unterscheiden.

Und da die Geschmäcker verschieden sind, lässt sich auch kein absoluter Favorit küren. Hendrix-Fans werden sich wohl am ehesten mit dem Smiley anfreunden können, wer es deftiger und straffer mag und eher aus der Distortion-Ecke kommt, sollte seinen persönlichen Check beim Crimson beginnen. Zu den guten Dingen der Serie zählt auch, dass man damit quasi eine Produkt-Zeitreise durch die Fuzz-Historie bekommt und sich im direkten Vergleich seinen persönlichen Favoriten heraussuchen und von da ab bei Bedarf tiefer in die Materie einsteigen kann. Aber Vorsicht: So mancher Gitarrist ist durch derartige Einstiegsdrogen dem Transistorwahn verfallen und referiert seitdem über die Entwicklung des Sounds von Germanium-Ausführungen in Relation zur Außentemperatur.

Fuzz kann süchtig machen. So oder so: Fans der bereits genannten Größen und ihrer Zeitgenossen finden hier eine schöne Spielwiese für ihre Experimente, auch Liebhaber von Stoner und Alternative Rock von den White Stripes bis zu den Black Keys, von Mudhoney bis My Bloody Valentine, von den Smashing Pumpkins bis zu Sonic Youth dürften Gefallen an Joshua Heath Scotts Kreationen finden. Sie müssen sich nur eine entscheidende Frage beantworten: Welches Kisterl hätten’s denn gern?

RESÜMEE

Die „Legends Of Fuzz“-Serie liefert in vier fast identischen Gehäusen ebenso viele unterschiedliche Sound-Charaktere, die sich wesentlich voneinander unterscheiden. Dass man die nun im direkten Vergleich testen kann, ist ein erster großer Vorteil der Linie, zudem sind die schaltbaren Modifikationen ein weiteres dankbares Feature. Zu einigen der nachgebildeten Pedalen, vor allem dem Fuzz Face und dem Big Muff, gibt es heute zahlreiche Alternativ-Versionen, aber die Leidenschaft, mit der Joshua Scott seinem jeweiligen persönlichen Favoriten huldigt, ist aller Ehren wert – ebenso die Tatsache, dass er neben diesen Schwergewichten auch dem abgedrehten Univox und dem wunderbaren Tonebender eine neue Bühne bietet.

PLUS

  • Auswahl & Bandbreite an Sounds
  • zusätzlicher Modus pro Pedal
  • guter Einstieg in die Fuzz-Historie

MINUS

  • Ablesbarkeit der Potis

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

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