Goldkehlchen

Test: JET Guitars JT-600 BS G

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(Bild: Dieter Stork)

Der Markt für Electrics bietet auch im niedrigen Preissegment inzwischen erstaunlich gute Qualität. Da findet man neben Roasted-Maple-Hälsen, Bundierungen aus Edelstahl, Locking-Mechaniken und ordentlicher Hardware heute oftmals auch noch gar nicht mal so schlechte Elektronik verbaut. Noch Fragen? Ja sicher!

JET Guitars hat seinen Firmensitz in Ljubljana/Slowenien, gefertigt werden die Instrumente in China. Produktmanagement und Holzeinkauf nimmt man bei JET selbst in die Hand, zwei slowenische und vier asiatische Produktmanager sind vor Ort in der Fabrik für die Qualitätskontrolle zuständig.

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ALTES PATTERN – MODERNE AUSLEGUNG

Mit der JT-600 (Listenpreis € 580) liegt uns ein klassisches T-Style-Design aus dem oberen Preissegment von JET Guitars vor. Da der Preisrahmen schon bei € 209 beginnt und mit aktuell € 680 abschließt, kann man bei diesem Modell offenbar schon so einiges erwarten.

Der Korpus der JT-600 aus Mahagoni – ungewöhnliche Holzwahl für ein T-Style-Modell – bekam eine zierendes Deckenfurnier aus geflammtem Ahorn aufgeleimt. Das Top ist von einem Binding aus cremefarbenem Kunststoff eingefasst. Obwohl von klassischer Silhouette, finden wir doch gleich mehrere moderne Aspekte zugunsten verbesserter Handhabung in Konturen für die Armauflage und am Boden zur rippenschonenden Anlage. Auch ist der Bereich der Halsaufnahme weich abgeglichen und das Cutaway rückseitig ausgekehlt.

Haptisch ein Gedicht, der Hals der JET (Bild: Dieter Stork)

Der mit vier Schrauben fixierte einteilige Hals aus Canadian Roasted Maple mit gängigem Modern-C-Profil inklusive 9,5“-Radius bekam ein ebenfalls geröstetes Ahorngriffbrett aufgesetzt. Bemerkenswert ist die erfreulich gute Entgratung der Griffbrettkanten mit perfekt daran angeglichenen Bundendenden der 22 Medium-Bünde. Der parallel herausgeführte Kopf ist mit geschmeidig laufenden Locking-Mechniken bestückt. Ansonsten klassischer Standard: Zugriff auf den Halsstab vom Kopf her, Saitenniederhalter für die zwei hohen Saiten und schmaler Knochensattel.

Die Pickups vermitteln Sounds von klassisch bis modern. (Bild: Dieter Stork)

Am Korpus finden wir eine moderne T-Style Bridge mit sechs individuell justierbaren Saitenreitern auf rahmenloser Platte. Die Saiten werden durch den Korpus geführt und von Einschlaghülsen gekontert. Elektrik: Am Hals finden wir einen Single Coil AlNiCo-Pickup in goldener Kappe auf das weiße Pickguard geschraubt; am Steg sitzt ein J-Rail-Klingen-Pickup auf der Bridge Plate. Kontrolliert wird ganz traditionell mit individuellen Volume- und Tone-Reglern und die Pickups lassen sich auch wie üblich über einen Dreiwegeschalter anwählen.

Von der auf moderne Bedürfnisse hin ausgerichteten Gestaltung, über die Ausstattung mit goldener Hardware bis hin zur sauberen Lackierung und tadellosen Verarbeitung kann man angesichts des verlangten Preises im Grunde nur staunen.

KOMM, SPIEL MIT MIR!

Mit dem Modell JT-600 BS legt JET eine traditionelle Electric vor, für die man aktuelle Tendenzen im zeitgemäßen Gitarrenbau genau beobachtet hat, um sie auch für den hart umkämpften unteren Preissektor in bestmöglicher Qualität zu realisieren. Abgesehen vom hohen Fertigungsniveau lag das Hauptaugenmerk offenbar auf der Bereitstellung möglichst optimaler Spieleigenschaften mit einer Halseinrichtung, die nur zu loben ist. Profil, Rundung der Griffbrettkanten, Bundierung und Setup genügen selbst hohen Ansprüchen. Auch der weich gestaltete Übergang vom Hals zum Korpus und damit die Bespielbarkeit des hohen Griffbrettbereichs ist kaum besser zu machen.

Schön und gut, aber was ist mit inneren Werten? Diese Frage kontert die JET sofort mit höchst achtbarer Schwingentfaltung und sauber in ihre Stimmen aufgelösten Akkorden. Auch in Sachen Ansprache, Tonfarbe und Sustain schlägt sie sich bestens. Gute Voraussetzungen also für die elektrische Tonumsetzung und die hat es in sich!

Bei klar eingestelltem Verstärker erweisen sich die verbauten Pickups der Aufgabe gewachsen und bieten mit dem traditionell ausgerichteten Hals-Pickup und seinem auf mehr Output gewickelten Kollegen am Steg eine umfassende Palette an kalifornisch gefärbten Sounds, die vom klassischen Single-Coil-Sound bis zum bissigen Twang reicht.

Gut gerundet stellt zunächst der Hals-Pickup seinen substanzreichen Ton in den Raum. Konturscharf und knackig wird der Bass herausgestellt, stimmig ergänzt von wohldosierten Mitten und freien Höhen. Die gute Saitenseparation sorgt für plastisch griffige Akkordbilder, gehaltene Noten strecken sich lang aus und zeigen schönes Farbspiel.

Schalten wir auf den Steg-Pickup, ändern wir den Ausdruck, wechseln eindeutig die Stimmlage. Mit diesem ausgangsstärkeren Pickup gehen wir sozusagen in Kampfstellung. Der Ton springt vor und haut mit frechem Biss raus. Spritzig und funky im Begleitmodus mit leicht reizbaren Spitzen, packt er dann im Overdrive das scharfe Messer aus. Mit kraftvollem Aufriss bildet er die Plektrumaktion präzise ab, hebt den Ton mit kraftvoller Perkussion hervor und entlässt ihn leichtfüßig.

Gehaltene Noten entfalten sich kraftvoll, Linien schmelzen ineinander ohne die Kontur zu verlieren. Das hat vehementen Twang-Biss und überzeugt mit durchsetzungsstarker Präsenz. Mit knapp gefasstem Plektrum lassen sich auch bemerkenswert leicht Ober- und Differenztöne provozieren und je nach Anschlagsposition durch das farbreiche Spektrum schicken. Holla!

Der perlfrische Klang der zusammengeschalteten Tonabnehmer sorgt dann am Ende auch noch mit offenem Charakter und sattem Farbspektrum für ungeteilte Freude. Er schlägt sich mit seinem kehligen Jingle-Jangle von Clean bis Crunch einfach bestens. Die Kombination von Mahagonikorpus und Ahornhals ist bei T-Style Modellen eher selten, sorgt aber für einen klaren Ton mit Definition und Ausdruck. Das gibt der JET JT-600 BS ein Klangvermögen von unerwartet tiefgreifender Substanz.

Ergonomisch modernisiert für verbesserten Spielkomfort (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Fast schon erschreckend, was im unteren Preisbereich bei Electrics heute an Qualität geboten wird. Wo billige Gitarren früher oft einfach schlecht waren, können wir uns heute über Instrumente, wie die JET JT-600 BS freuen. Leute, die mit dem Gitarrenspiel anfangen, müssen sich nicht mehr quälen. Der Zugang ist in diesem Fall sogar erfreulich leicht, ja genügt sogar professionellen Ansprüchen und unterscheidet sich vom Spielgefühl her kaum noch von hochpreisiger Markenware, sodass die Zielgruppe hier nicht nur auf Einsteiger einschließt.

Von der Verarbeitung – hervorzuheben besonders der haptisch toll gemachte Hals – über die Ansprache, das Schwingverhalten, die Hardware mit Locking Tunern bis hin zu den Pickups ist bei dieser Gitarre alles verblüffend schlüssig auf den Punkt gebracht. Und optisch sieht das Teil nun auch noch alles andere als billig aus. Kaum zu glauben, aber wahr!

PLUS

● optimiertes Design
● Holzauswahl
● Komfortkonturen
● Schwingverhalten
● Pickups, Sounds
● Hals, Spieleigenschaften
● Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hübsche modere Tele mit sinnvollen PUs und Body-Shaping für angenehme Wampenauflage … da hat jemand gut spezifiziert!

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  2. Ich nehme an, der Autor dieses Tests ist ein absoluter Weinliebhaber… Und ich finde es sehr erfrischend, dieses sprachliche Register mal in einem Testbericht über eine Gitarre zu finden… sehr originell… gefällt mir 👍

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  3. Poetisch lyrischer Text… Franz Holtmann sollte unbedingt auch Weine beurteilen! Grundlage ist vorhanden😂

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  4. Hi! Die Coil-Split Funktion über den gezogenen Tonregler wird gar nicht erwähnt. Hab sie aber bei You…Test gesehen. Mein Exemplar konnte ich nur über Import aus England ( + Zoll) ergattern. Habe am Hals noch einen Bare Nuckle mit mehr Power ‘rein, somit ist dere Lautstärkesprung nicht so stark. tolles Teil !!!

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