Alte Lautsprecher-Klassiker, neue Speaker-Designs, gut klingende Boxen und flexible Mikrofonierung, digital nachgebildet in Form von umfangreichen Impulse-Response-Paketen. Das bietet jetzt auch Jensen Speakers! In Kooperation mit Overloud Audio Tools wurde eine umfangreiche Sammlung von Impulsantworten erstellt.
Das passt in die Zeit: Impulse Responses – kurz IRs – sind mittlerweile vorzügliche Hilfsmittel, um live und im Studio hochwertige Sounds direkt in die DAW, ins Pult oder zum FOH zu schicken. Boxen müssen dann keine mehr geschleppt oder mikrofoniert werden. Sowohl Soft- als auch Hardware lassen sich mit IRs versorgen, seien es Plug-ins, Hardware mit integrierten IR-Loadern, Stompboxes oder komplexe Modeling-Systeme von Kemper, Fractal Audio oder Line 6, um nur einige zu nennen. Dabei müssen IRs guten Sound vermitteln, das Spielgefühl authentisch transportieren können, intuitiv bedienbar sein und auf vielen unterschiedlichen Plattformen laufen bzw. integrierbar sein. Mal schauen und hören, wie sich die Jensen IRs in diesen Punkten schlagen.
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DIE GESCHICHTE
Jensen-Lautsprecher gehen auf Peter L. Jensen zurück, einem Innovator seiner Zeit. Er wurde 1886 in Dänemark geboren und ging 1909 nach Amerika. Dort entwickelte Jensen zusammen mit Edwin Pridham 1915 den „Magnavox“, den allerersten Lautsprecher. Im Folgenden wurden die Magnavox-Lautsprecher hauptsächlich in Beschallungssystemen eingesetzt. 1927 folgte dann die Gründung der Jensen Radio Manufacturing Company. Es begann die Produktion von Lautsprechern für Radios und auch für militärische Einsätze. Später kam die Produktion von kommerziellen Lautsprechern für den öffentlichen Gebrauch hinzu.
Als schließlich in den Vierzigerjahren des vergangen Jahrhunderts Leo Fender einen der ersten Gitarrenverstärker entwickelt hatte, waren Jensen-Lautsprecher erste Wahl. In der Folge wurden die Speaker in den Vierzigern, Fünfzigern und weiten Teilen der Sechziger etwa in Fender-, Ampeg-, Supro- oder Gibson-Verstärkern verbaut und sind damit bis heute Teil des Vintage-Sounds dieser Klassiker. Das vorläufige Ende kam dann jedoch recht schnell, denn in den späten Sechzigerjahren stellte Jensen die Produktion seiner Lautsprecher ein. Leo Fender hatte Fender Mitte der Sechziger an CBS verkauft.
Erst in den späten Neunzigerjahren begann der italienische Lautsprecher-Hersteller SICA Altoparlanti im Rahmen einer Lizenzvereinbarung erneut mit der Produktion der legendären Jensen-Lautsprecher. Diesen Neuauflagen ging eine intensive Analyse und Entwicklung voraus, mit dem Ziel, die Lautsprecher nach den gleichen Spezifikationen herzustellen wie seinerzeit die Originale. SICAs Forschungsarbeit wurde mit einem erfolgreichen Marktstart belohnt. In Folge kamen einige Neuentwicklungen hinzu, wie zum Beispiel die Jet-Serie, deren Sounddesign stärker auf modernere Musikstile ausgerichtet war.
In unserem Testbericht haben wir vor allem die digitalen Fingerabdrücke einiger Vintage-Klassiker sowie eine Auswahl der neuen Jensen-Lautsprecher unter die Lupe genommen. Für die Impulse-Response-Kreationen sind die Entwickler weltweit auf die Suche nach exzellent erhaltenen Vintage-Exemplaren gegangen, um diese – neben den brandneuen zeitgenössischen Modellen – professionell zu profilen.
(Bild: Jensen)
DIE DIGITALE PLATTFORM
Um die Jensen IRs mit ihren umfangreichen Bibliotheken zu testen, wird zunächst der IR-Loader Supercabinet von Overloud benötigt. Bei den Jensen-Lautsprecher-IRs handelt es sich folglich um ein proprietäres Dateiformat, das ausschließlich mit dem Supercabinet kompatibel ist. Gleichzeitig – und das ist wichtig – können mit dem Supercabinet alle möglichen IRs und auch Kombinationen individualisiert und im gängigen Wave-Format exportiert werden. Diese exportierten Wave-Dateien können dann in anderen Drittanbieter-Plug-ins oder Hardware-IR-Loadern verwendet werden. Klingt vielleicht kompliziert, ist es aber nicht.
Im Ergebnis erhält der User damit zum einen maximale Formungsflexibilität bei den IRs und zum anderen hohe Kompatibilität in der Weiterverwendung mit anderen IR-Loadern, die Wave-Dateien verwenden können. Prima. Noch ein Wort zum Overloud Supercabinet: Die Software funktioniert sowohl als Standalone sowie auch als Plug-In, beispielsweise beim Mix in der DAW, um ein aufgenommenes Amp-DI-Signal mit IRs zu versehen. Overloud selbst nennt den Supercabinet IR-Loader revolutionär.
Er basiert auf der sogenannten Fluid-Convolution-Technologie, die ultra hochauflösende Definition bei IRs mit bis zu 185ms Zeichnung erlaubt, bis zu vier IRs simultan und vollständig in Phase wiedergeben kann, zusätzlich eine Simulation unterschiedlicher Impedanzen ermöglicht, Stereo-IRs kreiert und auch benutzereigene IRs importieren kann. Das aber nur am Rande. In der Tat wird sich der Workflow mit den Jensen IRs im Supercabinet als ausgezeichnet und durchdacht herausstellen.
DIE JENSEN-KOLLEKTION
Zum Zeitpunkt dieses Tests stehen in der Jensen-Kollektion 22 Lautsprecher in 53 Boxen mit insgesamt über 19.000 IRs zur Verfügung. Es sollen weitere folgen. Die Kollektion ist in Bibliotheken (sog. Libraries) organisiert. Jede Library basiert auf einem gewählten Lautsprecher mit verschiedenen Boxen, jeweils gecaptured mit 18 Mikrofonen (AKG C12, AKG C414, AKG C414 XLS, Audio Technica AT4033, Beyerdynamic M160, Coles 4038, Electro Voice RE16, Groove Tubes MD1, Neumann KM84, Neumann U47, Neumann U87, RODE NT1, Royer R121, Sennheiser E609, Sennheiser MD421, Shure B52, Shure SM57, Shure SM58 und Shure SM81) in jeweils 16 Mikropositionen (Cap, Cap Edge, Cone und Cone Edge) in je zwei unterschiedlichen Distanzen (nah und entfernter) sowie jeweils on-axis und off-axis.
Alle IRs sind zudem in Phase zueinander abgestimmt! Die Kombinationsmöglichkeiten sind nahezu endlos. Wer nun einen (oder mehrere) Lieblingsspeaker haben möchte, wählt die entsprechende Library und erhält das umfangreiche Paket aus Boxen und Mikros per Download über die Webseite. Für die Erstellung der IRs wurden die jeweiligen Speaker ausschließlich in dafür vorgesehene Boxen eingebaut. Gerade bei den Vintage-Neuauflagen der alten Klassiker wurden nur Vintage- oder eben Vintage-korrekte Boxengehäuse verwendet und nur solche, die klanglich zu den Lautsprechern passen. Damit will Jensen bewusst keine Kombinationen anbieten, die es so nie gab oder klanglich nicht harmonieren würden.
Darüber hinaus gibt es sogenannte „Remastered Cabinets“. Um die Anwendungsmöglichkeiten der historischen Lautsprecher zu erweitern, wurde in den Remastered Cabinets die Höhenwiedergabe feiner abgestimmt, um etwas wärmer und weniger prominent auszufallen. Damit soll dem Benutzer die Möglichkeit eröffnet werden, diese Vintage-Lautsprecher auch in zeitgenössischere Sounds einzubetten. Die jeweiligen IRs in der Bibliothek werden durch die Remastered-Version effektiv verdoppelt, ein sinnvoller Bonus.
BENUTZERFREUNDLICHKEIT
Zunächst ist festzustellen, dass sowohl die Installation des Overloud Supercabinet als auch der verschiedenen Jensen-Libraries mit den jeweiligen Lizenzen reibungslos funktioniert hat. Es kann direkt losgehen. Und schon fragt man sich, wie man durch diese riesige Auswahl von IRs navigiert? Dabei ist das grafische User-Interface der Schlüssel. Die optische Darstellung der vier möglichen Positionen am Lautsprecher (Cap, Cap Edge, Cone und Cone Edge) vereinfacht schon mal die Bedienung. Zudem können Mikrofonpositionen von nah (close) zu entfernter (nearby) und zusätzlich von on-axis zu off-axis justiert werden. Im Hintergrund werden dann die entsprechenden IRs automatisch geladen.
Bis zu vier Speakersimulationen können in einem Preset kombiniert werden – einfach und intuitiv. Zudem gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, ein Preset zu individualisieren und nach seinem Geschmack abzurunden: einen grafischen Equalizer, Hi- sowie Low-Pass-Filter und die Z-Kurve (Impedanzen-Variationen). Hat man seine Wunschkombination erreicht, speichert man sein Preset. Wie vorhin erwähnt, kann über einen Klick auf „Export“ die gegenwärtige IR-Kombination in ein Wave-IR zur Weiterverwendung in Drittanbieter-Geräten kompatibel gewandelt werden.
Bild: Jensen
Aufwendig: Der Overloud-Aufnahmeprozess wurde für jeden Lautsprecher mit 18 Mikrofonen in 16 Positionen durchgeführt.
Bild: Jensen
SOUNDS
Kommen wir zur Gretchenfrage: Wie authentisch „klingen“ die IRs und welches Spielgefühl wird vermittelt? Bei dieser Fülle ist klar: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Um diesen Test überschaubar zu halten, haben wir uns auf eine Auswahl aus dem riesigen Sortiment fokussiert, die aber einen guten Überblick über das mögliche Spektrum bietet – von Vintage bis modern.