(Bild: Dieter Stork)
Das Memory Man Delay von Electro-Harmonix (EHX) ist eines der einflussreichsten Gitarren-Effektgeräte aller Zeiten. Warum? Erzähle ich gleich. Wir schauen uns dabei heute eine Neuinterpretation des Klassikers von J.Rockett Audio Designs an.
Es war irgendwann in den späten 1970er-Jahren, als ein junger irischer Gitarrist namens David Howell Evans, besser bekannt als The Edge, einen Memory Man von EHX in die Hände bekam. Das Gerät war für ihn und seine junge Band U2 etwas, was man neudeutsch als „Game Changer“ bezeichnen würde: Fortan klangen selbst belanglose Ideen aufregend und relevant, wie The Edge selbst in einem Interview vor einigen Jahren erzählte. Das Delay sollte zu einem festen, maßgeblichen Bestandteil seines Sounds werden. Und der wiederum, ob einem das gefällt oder nicht, hat eine ganze Generation an Pop-, Indie- und Alternative-Gitarristen (inkl. meiner Wenigkeit) entscheidend geprägt.
Doch was war eigentlich so besonders am Memory Man? Nun, vor dem Erscheinen dieses kompakten Geräts gab es den Delay-Effekt nur von großen, anfälligen und nicht besonders praktischen Bandgeräten. Mit dem Memory Man konnte man sich ein Delay nun endlich quasi mit ins Gigbag stecken, und zuverlässiger war er obendrein. Die sogenannte Eimerketten-Chip-Technologie machte es möglich.
Konzipiert wurde das Teil von Howard Davis – womit wir (endlich) beim Gegenstand dieses Artikels wären, dem nagelneuen Clockwork von J.Rockett Audio Designs. Diese Boutique-Effekteschmiede aus Kalifornien machte vor allem mit einem Nachbau des Klon Centaurs Furore, dem Archer. Nun also haben sie sich mit dem „Creator“ des Memory Man zusammengetan und legen eine Neuinterpretation in hochwertigster Verarbeitung vor, gewürzt mit ein paar starken Extra-Features.
Das Clockwork (klar, ein Delay braucht zwingend immer einen Namen, der irgendwas mit Zeit zu tun hat) braucht ganz normal 9V DC Strom. Das Gehäuse folgt keinem bekannten Standardformat, es ist etwas schmaler als die hauseigene Neuauflage des Memory Man von EHX, aus robusten Faltstahl und mit fast 900 Gramm kein Leichtgewicht.
Alle Anschlüsse bis auf einen liegen stirnseitig – Input, Expression-Pedal für die Zahl der Wiederholungen sowie zwei Stereoausgänge und der Stromanschluss; lediglich eine weitere Expression-Pedal-Buchse, diese für die Delay-Zeit, liegt rechts. Schade, denn mit wirklich allen Anschlüssen oben wäre das Pedal sehr kompakt für sein Layout mit drei Fußschaltern. Die Pedalboard-Freundlichkeit würde ich wegen des Gewichts und der seitlichen Buchse als gut, aber nicht exzellent bezeichnen.
(Bild: Dieter Stork)
DELAY, MODULATION UND EIN … BOOST?
Die Regler dürften Delay-Kennern keinerlei Rätsel aufgeben: Mit Time, Repeats und Mix stellt man die Parameter Geschwindigkeit, Anzahl der Wiederholungen sowie deren Lautstärke ein. Diese Kernfunktion – das Delay an sich – schaltet man mit dem linken Fußtaster ein und aus. Mittig finden sich Regler für Speed und Depth. Es handelt sich dabei um die mittlerweile für Delays obligatorische Modulationseinheit, mit der sich den Wiederholungen allerlei verschiedene Chorus- oder Vibrato-artige Sounds hinzufügen lassen.
Was auffallend fehlt, ist ein Switch für die Umstellung der Repeats auf Triplets, Achtel etc. – gut, das hatte der originale Memory Man auch nicht, und The Edge musste damals für seine punktierten Sounds zwei Delays hintereinander schalten. Aber wenn man schon eine digitale Tap-Tempo-Funktion einbaut, dann wäre der Schritt zu den Tempo-Subdivisions auch nicht mehr weit. Heutige Delays haben diese Features eben, weshalb ihr Fehlen beim Clockwork ungewöhnlich ist – doch Teil des Konzepts, denn J. Rockett Audio spricht von „old school magic“.
Das Clockwork folgt eben dem Original und ist dementsprechend auch analog mit den erwähnten BBD-Chips aufgebaut – bis auf die Tap-Tempo-Funktion, die naturgemäß digital ins Geschehen eingreift. Jetzt kommt die Frage: Hat das Clockwork einen True Bypass und was macht der große „Level“-Regler? Es handelt sich hierbei um ein spezielles Schmankerl am Gerät, nämlich einen „always on“-Boost. Der ist also auch dann aktiv, wenn das Delay aus ist – und dementsprechend ist das Clockwork auch kein True-Bypass-Gerät. Old school magic eben.
SOUNDS
Nun aber mal ran an die Kabel mit dem „Uhrwerk“. Mmmmmhhh das klingt … wie das Original. Und damit meine ich nicht die mittlerweile umfangreichen Neuauflagen von EHX selbst. Sondern den echten, den alten Memory Man. Da ich selbst jahrelang User war, haben meine Ohren noch einen ziemlich guten Vergleich. Der Sound des Clockworks ist, so wie es sich gehört, herrlich analog, dabei aber stets kräftig und beileibe nicht verwaschen und dumpf, wie man das von Delays kennt, die sich eher dem Replizieren von Bandechos widmen.
Analog heißt hier eben nicht gleich „dumpf“, sondern eher: Kräftig, klar, fett, und immer mit einer ganz leicht crunchenden metallischen Note in den Repeats. Besonders cool kommt das bei kurzen Delay-Einstellungen, zum Beispiel wie bei der kultigen österreichischen Band Cari Cari, oder bei The Kills. Mit 600 Millisekunden Gesamtzeit lässt das Clockwork auch lange Delays zu. Der Tap-Tempo-Taster reagiert dabei zuverlässig und präzise (leider keine Selbstverständlichkeit bei Delays), was das Clockwork wohltuend vom originalen (alten) Memory Man absetzt.
Die Modulationseinheit klingt so, wie man es ewartet – je nach Einstellung fügt sie den Wiederholungen wohlige Chorus- oder geisterhafte Vibratosounds hinzu. Aber wirklich nur den Wiederholungen: Trotz des zusätzlichen Tasters, mit dem man den Effekt schaltet, ist die Modulationseinheit bei ausgeschaltetem Delay nicht aktiv, das Gerät hat also keinen separaten Chorus an Bord.
Der Boost dagegen ist wie erwähnt „always on“ – auch wenn das Delay aus ist, lässt sich das Signal mit dem Level-Regler boosten. Bei Linksanschlag befindet man sich auf „unity gain“, das heißt, das Signal ist genauso laut wie bei abgeklemmten Effektgerät. Dreht man den Regler weiter auf, wird der Sound bis etwa 12 Uhr nur subtil lauter, dafür aber kräftiger und etwas klarer. Ab 12 Uhr vernimmt man einen deutlichen Boost. Wie nutzbar das ist, muss jeder User für sich selbst entscheiden.
Von enormem Vorteil wäre hier sicherlich ein separater Schalter für den Boost gewesen, auch wenn der Platz dafür am Gerät sehr knapp wäre. So sehe ich den Nutzen eher als eine Art passiven Signalauffrischer/Buffer am Ende der Effektkette (sofern nicht noch ein Hall dahinter kommt, in den man dann aber ein sehr erfrischtes Signal reingeben würde).
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Meinen alten Memory Man habe ich damals nach einiger Zeit verkauft, weil mir das unsichere Gefummel am Tempo-Regler vor jedem Song gerade Live auf die Nerven ging. Die Neuauflage von EHX mit Tap Tempo konnte mich aber mit ihrem Sound nicht überzeugen. Das Clockwork wäre mir wie ein Geschenk des Himmels erschienen, repliziert es doch exakt den geliebten fetten, aber klaren Sound des Originals und hat das ersehnte Tap Tempo an Bord, plus schaltbarer Modulationseinheit. Besonders Letztere ist ein sehr brauchbares Extra-Feature, weil sich bei den Mitbewerbern zwar Modulation mit hinzumischen, jedoch nicht separat an- und ausschalten lässt. Damit setzt sich das Clockwork von der starken Konkurrenz ab.
Ob man den Boost braucht, überlasse ich der Kreativität der Zielgruppe. Persönlich würden mir Preset- und Subdivision-Optionen fehlen, die aber eben wohl nicht dem „old school magic“-Konzept des Geräts entsprächen. Der Preis erscheint in der Gesamtbetrachtung angesichts der starken Konkurrenz hoch – wer aber DEN Memory-Man-Sound in analoger Qualität sucht, mit den EHX-eigenen Neuauflagen unzufrieden ist und keine digitale Replikation akzeptiert, der wird hier rundum glücklich.
www.rockettpedals.com
Preis (Street): € 449
PLUS
● Sound-Qualität
● Verarbeitung
● Separat schaltbare Modulationseinheit
● Boost-Funktion
MINUS
● hoher Preis
● Boost nicht separat schaltbar
● trotz digitaler Tap-Tempo-Funktion keine Tempo-Subdivisions (punktierte Achtel etc.)
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2021)