KI auf dem Vormarsch

Test: IK Multimedia ToneX

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(Bild: Dieter Stork)

Technologischer Fortschritt macht auch vor der Musikwelt nicht Halt. Jahrelang war das Einfangen bestehender Signalketten dem Kemper vorbehalten, doch dank moderner Software und Technologien erschließen immer mehr Hersteller diesen Markt für sich.

So auch die in Italien ansässige Firma IK Multimedia, die wohl am ehesten für ihre Modeling- und Multi-FX-Plattform Amplitube sowie die kompakten iRig-Interfaces bekannt sein dürfte. Nach Kemper und Neural DSP ist es nun der dritte große Anbieter für das Profiling von Verstärkern und Signalketten.

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IK nennt seine Software-Lösung ToneX und bietet sie in drei Versionen mit unterschiedlichen Preisen an. Unterschiede der Versionen liegen allerdings nur in der Anzahl der ab Werk verfügbaren Captures bzw. Presets, für das Erstellen eigener Sounds genügt die Basisversion namens ToneX SE. In diesem Test soll es vornehmlich um das Einfangen eigener Signalketten gehen, weniger um die mitgelieferten Captures.

CAPTURE VS. MODELING

Um alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen, greife ich noch einmal kurz auf, was so ein Capture überhaupt ist. Hierbei ist das Ziel, einen Verstärker oder eine Kette aus Pedalen, Verstärkern und Boxen mit Testsignalen zu füttern und per aufwändiger Mathematik eine digitale Nachbildung dieser Signalketten zu erstellen.

In der Theorie lassen sich so die Sounds beliebig vieler Verstärker digital einfangen und jederzeit abrufen. Anders als bei Amplitube, Helix oder Axe-Fx geschieht dies aber eben nicht auf Basis der Simulation von konkreten Schaltplänen, sondern durch das Einfangen und Nachbilden des Verhaltens eines Verstärkers in genau einer Einstellung. Reglerstellungen und der Zustand der Röhren können hinterher nicht mehr verändert werden, für weitere Einstellungen am Amp muss ein zusätzliches Capture aufgenommen werden.

Es ist somit also nur ein Momentanzustand abrufbar, in der reinen Anwendung ist es vergleichbar mit Impulsantworten (IR), wie sie für digitale Cab-Sims oder Reverbs genutzt werden. Nur ist es eben nicht möglich, die Verzerrung eines Verstärkers mit einer IR einzufangen, dazu braucht es schwerere Geschütze.

Bei IK greift man hierzu auf neuronale Netze zurück, im Volksmund und vor allem den Werbeabteilungen auch gern „Künstliche Intelligenz“ genannt. Hierbei wird ein System – in diesem Fall unsere Aufnahmekette – mit Testsignalen gefüttert, der Ausgang aufgenommen und mit dem Eingang abgeglichen. Die „KI“ analysiert nun diese aufgenommenen Signale und versucht, ein System zu erstellen, das bei gleichem Eingang den gleichen Ausgang erzeugt. Oder einfach gesagt: Der Algorithmus erstellt eine Blackbox, die genau so klingen soll, wie unser Verstärker.

SETUP

Damit das klappt, muss der Verstärker irgendwie mit dem Computer verbunden werden. Im Grunde ist der Aufbau hierbei der gleiche wie beim Reamping einer DI-Spur. IK bietet praktischerweise direkt eine bezahlbare Reamping-Box an, es geht aber auch ohne. Ein Ausgang der Soundkarte muss mit dem Eingang der Signalkette verbunden werden und der Ausgang der Kette wiederum mit dem Eingang der Soundkarte.

Je nach Situation kann es notwendig sein, die Anschlüsse z. B. mittels Reamping-Box bzw. Trafo galvanisch voneinander zu trennen und die Pegel und Impedanzen anzupassen. Die ToneX Capture Box stellt entsprechende Anschlüsse bereit und beinhaltet beim Kauf auch die SE-Version der ToneX-Software, inklusive 200 Tone-Models. Somit bietet sie den perfekten Einstieg ins Profiling.

Zum Test stand sie mir allerdings leider nicht zur Verfügung, daher musste ich mit den Reamping-Ausgängen meines Arturia-Audiofuse-Studio-Interfaces sowie Ebtech-Trafos zum Entkoppeln vorliebnehmen – auch das funktioniert problemlos. Als Ausgang der Signalkette können sowohl der Lautsprecher-Out eines Verstärkers als auch ein oder mehrere Mikrofone vor einer Box dienen. Auch Effektpedale lassen sich auf diese Weise einfangen und als Capture speichern. Zumindest solange die Limitierungen der Software berücksichtigt werden, aber dazu später mehr.

Nach Anmeldung und Registrierung der Software im IK-Produktmanager kann ToneX sowohl als Plug-in in der Digital Audio Workstation (DAW) wie auch als Standalone-Anwendung gestartet werden. Das Aufnehmen von Captures funktioniert nur im Standalone-Betrieb. Beim erstmaligen Start fordert einen die Software direkt zum Einrichten der Ein- und Ausgänge der verwendeten Soundkarte auf. Das ist natürlich sehr praktisch, und so manch anderes Plug-in könnte sich davon eine Scheibe abschneiden.

DIE BEDIENOBERFLÄCHE

Zentrum der Hauptansicht ist das Bedienfeld der Amp-Captures bzw. der ausgewählten Zusatzmodule. Hierbei werden grundsätzlich alle Parameter angeboten, die von einem echten Verstärker auch bekannt sind. Wer aufmerksam gelesen hat, wird sich nun fragen, wie das mit einer unveränderlichen Momentaufnahme zusammenpasst.

Ganz einfach: Der Gain-Regler funktioniert im Prinzip wie ein zwischen Instrument und Amp geschaltetes Volume-Pedal und die zur Verfügung stehenden EQ und Kompressor können sowohl vor als auch hinter die Blackbox geschaltet werden. Über eine zusätzliche Schaltfläche links im Fenster des Signalwegs können außerdem noch die Einsatzfrequenzen der Klangregelung sowie das Wet/Dry-Verhältnis verändert und auf die Bedürfnisse angepasst werden.

Während ein Klick auf das mit einem Piktogramm gefüllte Quadrat einen Block aktiviert bzw. deaktiviert, ruft ein Klick auf den Namen das Einstellungsmenü eines jeden Blocks auf. Für natürliche Sounds spielen Kompression und Nachhall eine wichtige Rolle, daher stehen auch entsprechende Effektblöcke in ToneX zur Verfügung. Deren Einstellungsmöglichkeiten sind recht rudimentär, erfüllen aber ihren Zweck.

Wer beim Reverb tiefen, sphärischen Hall erwartet, wird enttäuscht werden. Hier geht es um die Nachbildung natürlicher Klänge, und so beschränkt sich die Auswahl der Hallvarianten auf je einen Raum- und Platten- sowie drei verschiedene Federhalls. Deren Qualität würde ich als hochwertig einschätzen. Es gibt etwas Spielraum durch einstellbare Halllängen und Raumgrößen.

Für eine größere Effektauswahl müsste zum Beispiel auf Amplitube zurückgegriffen werden, in dessen aktuellem Update nun auch ToneX Captures anstelle der Amp-Simulationen genutzt werden können. Da es hier vor allem um ToneX gehen soll, verrate ich nur, dass die Integration grundsätzlich gut funktioniert. Allerdings habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden, Captures aus der Cloud in Amplitube einzubinden, wodurch die Auswahl derzeit auf die Factory Captures beschränkt ist.

Cabinet-Auswahl
Eine Reihe von Orange-Amp-Modellen

Neben Amp- und Pedal-Captures darf natürlich auch eine Cab-Sim nicht fehlen. Auch diese ist als separater Block ausgeführt und bietet einiges an Einstellmöglichkeiten. Neben den unveränderlichen Cab-Captures können natürlich auch eigene IRs geladen werden, oder man greift auf die virtuellen Cabs von IK zurück. Bei diesen können die Positionen der Mikrofone mit der Maus vor dem virtuellen Cab positioniert und ein „echter“ Aufnahmeprozess nachgestellt werden.

Mit 40 virtuellen Cabs, einer guten Handvoll davon für Bass, ist die Auswahl nicht riesig aber allemal groß genug. Pro Cab können bis zu zwei Mikrofone gleichzeitig verwendet werden, wobei die Wahl dabei zwischen drei klassischen Mikros getroffen wird. Genauere Informationen zum aktuellen Capture finden sich im rechten Teil der Oberfläche. Hier können die Namen der echten Amps, Infos zum beim Aufnehmen verwendeten Equipment sowie zusätzliche Kommentare und Hinweise abgelesen werden. Vorausgesetzt, diese sind beim Hochladen der Captures mit angegeben worden.

Zu guter Letzt findet sich noch die Übersicht über verfügbare Presets im unteren Teil der Ansicht. Diese beinhaltet u. a. eine Kurzübersicht über die eingefangenen Verstärker, Pedale und Boxen sowie die Anzahl der durch die Community vergebenen Likes bei Captures aus der Cloud. Über die Tone-NET-Schaltfläche kann auf eben jene zugegriffen werden, Internetzugang vorausgesetzt. Um eigene Captures anfertigen zu können, muss die Software in den „Modeler“-Modus versetzt werden. Dies geschieht über die entsprechende Schaltfläche in der oberen linken Ecke.

Die Bedienoberfläche der Software

DAS CAPTURING

IK Multimedia hat sich einige Mühe gegeben, den Prozess des Capturings möglichst unkompliziert zu gestalten. Tatsächlich geht das Ganze so intuitiv von der Hand, dass ich mir das Handbuch erst abschließend aus reinem Interesse angeschaut habe. Jeder einzelne Schritt ist mit einer on-screen Anleitung kommentiert und lässt kaum Möglichkeiten für Fehlbedienung.

Zunächst muss entschieden werden, ob das Capture für den Einsatz an der Gitarre oder am Bass gedacht ist. Dies dient hinterher nicht nur der Sortierung, sondern ist auch relevant für die eingespeisten Testsignale. ToneX füttert unsere Signalkette nämlich nicht nur mit synthetischen Testsignalen, sondern eben auch mit echten Aufnahmen. Während meiner Tests habe ich allerdings festgestellt, dass die Ergebnisse mit dem Gitarrenmodus durch die Bank besser sind als im Bassmodus, auch für Bass-Equipment.

Der Capture-Prozess

Im nächsten Schritt wird ausgewählt, was eingefangen werden soll. Vom einfachen Pedal oder Amp bis zu kombinierten Setups stehen fünf Optionen zur Auswahl. Ist diese Auswahl getroffen, folgt die Auswahl der verwendeten Kanäle an der Soundkarte. Hierbei muss nur berücksichtigt werden, dass nicht aus Versehen Feedback-Schleifen ausgelöst werden, zum Beispiel durch die gleichzeitige Verwendung von Kanälen in mehreren Anwendungen (etwa wenn die DAW nebenbei offen ist).

Nun folgt das Einpegeln aller Kanäle, wobei die Software dabei entsprechende Hilfestellungen mittels Pegelmeter gibt. Im Menüpunkt des Input-Levelings kann neben dem selbst gespielten Eingangssignal auch ein Audioloop von IK abgespielt werden, eigene Loops können hier derzeit noch nicht verwendet werden. Auch beim Capturing selbst noch nicht, aber vielleicht kommt das irgendwann per Update.

Sind alle Einstellungen vorgenommen, geht es ans Capturing selbst. Dabei spielt die Software ca. drei Minuten lang Testsignale und Audioloops ab und nimmt diese auf. Nach Abschluss dieses Schrittes muss noch der betriebene Rechenaufwand ausgewählt werden. Je nachdem wie komplex oder verzerrt der Sound ist, sollte auf das „advanced“ Training der KI zurückgegriffen werden.

Während meiner Tests lieferte dieser Modus die besten Ergebnisse, im Falle des Bassmodus sogar die einzig brauchbaren. Aus welchen Gründen auch immer waren die Ergebnisse im Bassmodus mit normalem Training deutlich zu muffig und undefiniert. Im Gitarrenmodus hingegen funktionierte auch der normale Modus bereits sehr gut. Je nach Rechenleistung des Computers kann dieser Prozess allerdings die eine oder andere Minute in Anspruch nehmen.

Bei meinem 8-Kern-M1-Pro-Macbook ist der Computer etwa eine Stunde lang mit dem Advanced-Training beschäftigt, das normale dauert immerhin auch noch 15-20 Minuten. Etwas schade also, dass die Aufnahme nach Abschluss des Trainings nicht mehr für ein erneutes Training zur Verfügung steht. Stellt sich im abschließenden A/B-Vergleich heraus, dass ein anderes Trainingsmodell eventuell besser gewesen wäre, muss der komplette Prozess wiederholt werden.

Als letzter Schritt folgt nun die Eingabe aller notwendigen und optionalen Informationen zum Capture. Möchte man sein Capture der Community zur Verfügung stellen, geschieht das einfach über das Rechtsklickmenü und die „Upload“-Funktion. Einmal hochgeladene Captures können jedoch nicht mehr editiert werden, auch deren Beschreibung nicht.

AI AT WORK

Die wichtigste Frage ist dabei aber noch gar nicht beantwortet. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Nach meinem Dafürhalten auf alle Fälle. Unterschiede zum Original sind unterm Strich im A/B-Vergleich zwar auszumachen, aber sowohl grundsätzlicher Charakter als auch Obertonstruktur sind in den meisten Fällen wirklich gut getroffen. Unterschiede nehme ich hauptsächlich in der Dynamik des Klangs sowie im Bereich über 10kHz wahr.

Genau wie auch Kemper oder Quad Cortex tut sich ToneX schwer mit dem Beurteilen von Kompression, was sich in Form von leichter Überhöhung teilweise auch auf das Low-End auswirkt. Die Sounds sind grundsätzlich offener und ja, teils sogar lebendiger als das Original. Dieser Umstand sollte beim Capturing beachtet werden, gerade stark komprimierende Fuzzes, Distortions oder auch komprimierte Bass-Sounds werden so natürlich nicht lebensgetreu eingefangen. Gerade daher ist der integrierte Kompressor nicht nur ein nettes Extra, sondern sogar essentiell für ein authentisches Ergebnis.

Besonders beeindruckt hat mich die Wiedergabe im Mittenspektrum, hier trennt sich oft die Spreu vom Weizen. ToneX liefert hier wirklich erschreckend echt wirkende Ergebnisse ohne aufdringliche Mitten oder Löcher im Spektrum. Sogar parallele Signalwege und Clean-Blends werden von der Software korrekt eingefangen. Das beschränkt sich dabei nicht nur auf einfache Zerrpedale oder Verstärker.

Ohne große Erwartungen habe ich auch recht aufwendige, parallele Signale mit Multibandkompressoren, verschiedenen Gain-Stages und Filtern durch den Prozess gejagt und bin in jeder Hinsicht beeindruckt. Sogar die dezente Sättigung nur in bestimmten Frequenzbändern kann ToneX herausarbeiten, das hätte ich so nicht erwartet. Eher war ich von einem mittigen Matsch als Ergebnis ausgegangen, aber davon keine Spur. Tatsächlich konnte ich so einige meiner wichtigsten Sounds für Bandmixes als Capture einfangen und einfach als vergleichsweise CPU-freundliches „Preset“ anstelle von zehn separaten Plug-ins und Outboard-Effekten nutzen. Sehr beeindruckend.

Unterschiede gehen im Mix komplett unter. Bei weniger komplexen Sounds fallen Unterschiede noch geringer aus. Wer die Möglichkeit hat, sollte grundsätzlich zum Advanced-Training greifen. Je nach Grad der Verzerrung wird die Obertonstruktur dadurch noch besser abgebildet. Insbesondere oberhalb von ca. 6kHz zeigen sich die Unterschiede. Inwiefern das beim Einsatz mit Gitarren- und Basslautsprechern bzw. deren Impulsantworten noch eine Rolle spielt, steht dabei auf einem anderen Blatt Papier, im Direktvergleich jedoch sind diese Differenzen noch gut wahrnehmbar.

Es hat sich gezeigt, dass ToneX mit Soft-Clipping besser klarkommt als mit Distortion und Fuzz, da die Software es scheinbar zu vermeiden versucht, tendenziell unangenehm klingende geradzahlige Oberwellen zu erzeugen. Um das zu testen, habe ich sowohl ein Capture als auch das Original, ein JPTR FX Katastrophe, mit einem 250Hz Sinuston gefüttert und mir das resultierende Spektrum angeschaut. Während das analoge Pedal sowohl geradzahlige als auch ungerade Oberwellen gleichermaßen erzeugt, versucht ToneX scheinbar, die geradzahligen zu unterdrücken und konzentriert sich auf die ungeraden Oberwellen.

Im Falle des Distortion-Pedals war das Ergebnis im Hörvergleich dennoch ausgesprochen gut, denn die charakteristischen, ungeraden Obertöne werden gerade in den ersten zwei Dekaden ausgesprochen gut reproduziert. Je härter jedoch das zu modellierende Original clippt, also je fuzziger die Zerre ist, desto stärker weicht das Capture vom Original ab.

RESÜMEE

Alles in allem finde ich es ziemlich beeindruckend, was IK hier auf die Beine gestellt hat. Wirklich gutes Profiling, dank Community-Cloud und iOS-App quasi jederzeit und überall abrufbar. Im Vergleich zu Kemper und Quad Cortex fehlen natürlich noch zusätzliche Effekte, diesen den Rang ablaufen wird ToneX also wohl nicht. Dafür ist der finanzielle Aufwand aber auch ein gänzlich anderer. Ein paar kleine Verbesserungen in der Nutzeroberfläche würde ich mir wünschen und die Integration von eigenen Captures in Amplitube. Unterm Strich ist ToneX jedoch empfehlenswert.

PLUS

● intuitive Bedienung
● authentischer Sound
● Dual Cab möglich
● bisher preiswerteste Möglichkeit zum Profiling

MINUS

● extreme Fuzzes und Distortions schwierig einzufangen
● Tests der nicht lizensierten Modelle nervig


GITARREN-SOUNDS IN DER PRAXIS

Übrigens: Nach dem fertigen Capture-Vorgang kann man das Gain-Level noch feintunen. Und in meinen Tests musste man das auch erstaunlich oft machen, um zum gleichen Sound wie aus dem Amp zu kommen. Wir reden hier aber nicht über massive Abweichungen und der Gain-Regler funktioniert tendenziell auch gut genug, um später kleine Abweichungen auszugleichen. Abgesehen von diesem einen Punkt wird der Sound sehr akkurat abgebildet. Auch beim Spielen über die Software fühlte sich das schon sehr „Amp-like“ an. Dabei fand ich sowohl meine clean eingestellten Gitarren-Amps, als auch Overdrive-Sounds sehr überzeugend und lebensnah getroffen.

Lediglich wenn man viel mit dem Volume-Poti arbeitet, um den Grad der Verzerrung festzulegen, weicht das Ergebnis im direkten Vergleich etwas ab. Es funktioniert technisch, aber hier liegen eben die Grenzen von Captures – es wird genau ein Zustand abgebildet. Möchte man seinen eigenen Rechner nicht stundenlang rödeln lassen, um die Netze zu trainieren, kann man auch wunderbar mit den Captures anderer Nutzer leben. Denn seien wir mal ehrlich: Wer eh alle geilen Amps zuhause hat, ist nicht die Hauptzielgruppe dieser Software.

Schauen wir uns also mal den günstigsten Einstieg in die ToneX-Welt an. Wenn man zum Beispiel mit der kostenlosen CS-Version startet, werden einem 10 Tone-Models von Amps und fünf von Pedalen mitgeliefert. Das Spektrum reicht von kleinen Fender-Combos, über einen Marshall JCM 800 bis hin zum 5150 oder Powerball. Beliebte Klassiker wie Vox, Mesa oder Soldano sucht man vergebens. Aber die kann man sich ja auch über ein Upgrade oder Modelle anderer Nutzer auf den heimischen Rechner holen.

Die bereitgestellten Captures sind allesamt hochwertig und spiegeln den Charakter, den man von ihren Vorbildern erwartet, sehr gut wider. Zum Einstieg ist es auch sehr praktisch, dass gleich die passende Box mit ausgewählt wird. Um schon im kleinsten Paket vielfältigere Sounds zu erhalten, kann man das Cabinet natürlich auch austauschen und so beispielsweise eine Marshall-Box an den Peavey 5150 hängen.

Spätestens jetzt bin ich jedoch ziemlich von den Limitierungen der kostenlosen CS-Version genervt. Ich finde keine Möglichkeit, mir nur diejenigen Modelle anzeigen zu lassen, welche ich entsprechend meiner Version nutzen darf. Und so öffnet sich dauernd ein Pop-up, das mir sagt, ich dürfe das ausgewählte Cabinet zwar gerne für 30 Minuten testen, müsse dann aber bitte auf eine andere Version upgraden. Ich finde auch leider keinen Filter, dem ich sagen kann: „Bitte nur mitgelieferte Modelle“.

Wenn man sich nun zum Test entschließt, ertönt alle paar Sekunden lautes weißes Rauschen. Ich verstehe ja, dass IK Multimedia sein intellektuelles Eigentum schützen möchte. Aber so? Puh, das ist wirklich anstrengend und macht keine Freude. Also zurück zu den Modellen, die ich regulär nutzen darf: Da ja immer nur eine Momentaufnahme der Amps zur Verfügung steht, hatte ich Sorgen, dass sich der EQ nicht wie von einem Amp erwartet verhält, in der Praxis ist das aber kein Problem. Wer seinen Amp kennt und verschiedene EQ-Settings braucht, wird davon profitieren, ihn diverse Male zu capturen, für die meisten Situationen reicht der gebotene EQ aber gut aus. Deutliche Abweichungen werden sich vermutlich bei Amps mit ausgefalleneren, oder interaktiven EQs ergeben.

EFFEKTE

Klar, wer die ToneX-Software kauft, ist in erster Linie scharf auf die Amps. Dennoch finde ich es super, dass als grundlegende Effekte Reverb, ein Kompressor und ein Noise-Gate an Bord sind. Die beiden letzteren sind praktisch für die Beherrschung des Signals und das Gefühl beim Spielen, der Reverb ist, zumindest für mich, fast auf jedem Sound mindestens in geringer Dosis nötig. Insbesondere wenn man alleine zuhause spielt, macht es doch Spaß, wenn es nicht ganz so trocken klingt.

Und genau dafür sind die IK-Effekte auch prädestiniert. Hier soll keinem Strymon-Pedal der Rang abgelaufen werden. Was hier geboten wird, fällt mehr in die „Brot und Butter“-Kategorie. Aber bitte nicht falsch verstehen: Das finde ich hier genau richtig. Alle drei Effekte haben wenige, aber gut gewählte Einstellmöglichkeiten und klingen eigentlich immer gut bis sehr gut.

Wenn man beispielsweise einen Twin Reverb mit der „Spring 3“-Einstellung und ordentlich Mix-Level auswählt, landet man mit einer Jaguar verlässlich schnurstracks im Land des Surf(-Rocks). Wer einen Kompressor oder Reverb eher als deutlich vernehmbaren Effekt-Sound und weniger als Anreicherung versteht, der wird hier allerdings noch weitere Effekte nutzen müssen. Wenn ich den (Spring-) Reverb von IK Multimedia mit meinem Axe-Fx III vergleiche, ist beim ToneX noch etwas Luft nach oben, aber spätestens, wenn man über ein Signal im Mix redet, ist das eigentlich zu vernachlässigen.

TONEX-PEDAL

Anschlüsse des Pedals (Bild: Dieter Stork)

Kurz nachdem die ToneX-Software veröffentlicht wurde, hat IK Multimedia auch schon mit einem passenden Pedal nachgelegt. Dieses ist in erster Linie als „ToneX-Software für unterwegs“ zu verstehen, macht es doch erst im Zusammenspiel mit der Desktop-Anwendung so richtig Spaß. Für knappe 470 Euro erhält man automatisch auch eine Lizenz für die Software-Vollversion ToneX MAX, die 100 Amps, 50 Pedals sowie 1100 Tone-Models mitbringt, und kann somit beliebig viele Captures nutzen und nach Gutdünken auf das Gerät übertragen. Obacht übrigens beim möglichen Gebrauchtkauf, hier überträgt sich die Lizenz nicht.

Das Pedal verfügt über einen Instrumenteneingang, Stereo-Out, einen Kopfhöreranschluss, MIDI-In und -Out, einen Anschluss für Controller sowie für das beigelegte Netzteil und eine USB-Typ-B-Buchse. Bei Letzterer hätte ich mir im Jahr 2023 Typ C gewünscht, insbesondere da das Pedal gerne ohne USB-Hub direkt am Rechner hängen will – zumindest mein Macbook ist nur noch mit Typ-C-Anschlüssen ausgestattet. Aber letztendlich hat es über eine Docking-Station dann auch geklappt, das ist man ja inzwischen gewohnt. Was einem allerdings fehlen könnte, wären gegebenenfalls Buchsen für einen Effekt-Loop.

Aber jetzt genug der Vorbehalte, das Pedal ist wirklich durchdacht. Nicht nur hat man mittels der fünf Potis unter dem Display direkten Einfluss auf Gain, Bass, Middle, Treble und Volume, nein, man kann mit den Parameter-Potis auch die Sekundärfunktionen für Reverb, Kompressor, Noise-Gate, Presence und Depth aufrufen. Damit nicht genug, lassen sich auch die Frequenzen, in denen der EQ jeweils ansetzen soll, verändern. Das eröffnet einem nach wenigen Minuten Einarbeitungszeit erstaunliche Möglichkeiten direkt am Pedal.

Und wenn man jetzt noch bedenkt, dass wir alle umfangreiche EQs von Amps gewohnt sind, man hier ja aber auch Pedale capturen kann und dann einen Fünfband-EQ mit variablen Frequenzen für seine Rat, seinen Tube Screamer oder Klon hat, ist das schon wirklich cool. Das Pedal kommt vorbeladen mit 150 Amps und Effekten. Die Auswahl ist divers und gut getroffen, sodass sich hier von zart bis hart alles auf die Bänke verteilt. Diese Captures können mittels der Librarian-Funktion in der ToneX-Software gegen beliebige Models von IK oder aus der Community ausgetauscht werden.

Preis (Street): ca. € 470

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. “Dual Cab möglich” ist etwas verwirrend. Tonex unterstützt bislang nur 1 Cab als IR oder Teil des Capture. Es sind lediglich 2 Mikros möglich bei _einem Cab den IK-eigenen VIRs, aber die werden von den Usern (wenn man den Diskussionen in diversen Foren folgt) kaum genutzt.
    Nachdem ich Tonex schon seit Anbeginn nutze, würde ich im Plus außer der Dynamik und dem Sound bei guten Captures, ganz sicher noch den Plate-Reverb nennen, der wirklich gut ist, und die Möglichkeit, per Expression Pedal zwischen zwei Einstellungen zu morphen. Außerdem funktioniert der EQ der an Bord ist, wirklich gut (als Post EQ).

    Anzumerken wäre noch, daß einige PC-User mit hochgetakteten Grafikkarten (diese werden bei Erstellung von Profiles hauptsächlich beansprucht) bei der Trainingszeit auf bis zu 12 Minuten bei Advanced Training runterkommen.

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