Klangvielfalt zum Kampfpreis

Test: Ibanez AZ22S1F-TXB & AZ24S1F-VLS

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(Bild: Dieter Stork)

Bisher hat Ibanez seine AZ-Modellreihe in drei Linien und damit Preiskategorien aufgeteilt, und zwar Essentials (China), Premium (Indonesien) und Prestige (Fujigen, Japan). Die preisliche Lücke zwischen den beiden ersten hat der japanische Hersteller kürzlich mit der Standard Series geschlossen.

Auch diese wird in China hergestellt, allerdings in einem anderen Werk als die Essentials, in welchem nämlich u.a. auch ausgewählte Instrumente der Ibanez GIO-Reihe wie beispielsweise die GRG121SP entstehen. Mit aufwendiger geshapten Erle-Bodies, Flamed-Maple-Deckenfurnieren, thermo-behandelten Ahornhälsen (Roasted), Locking-Tunern, Ibanez-Custom-Pickups, Edelstahlbünden und transparenten Finishes heben sich die Standard-Modelle deutlich von den Essentials ab.

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FEINE ZUTATEN

Abgesehen von Pickup-Bestückung, unterschiedlichen dyna-MIX-Schaltungen, Pickguard, Anzahl der Bünde und natürlich den Farbvarianten sind die Basen beider AZ-S1-Modelle identisch. So treffen wir auf dreiteilig gefügte Erle-Bodies mit Armschrägen und rückseitigen, großzügig geschnittenen Belly Cuts. Schwarze geschlitzte Kunststoffplatten mit direktem Zugang zu den Spannschrauben decken die Federkammern der Ibanez T106 Vibratos ab.

(Bild: Dieter Stork)

Während die Schaltung der AZ22 am Pickguard montiert ist, hat man die der AZ24 im separaten E-Fach mit Oberkante bündig abschließendem Deckel untergebracht. Bemerkenswert: Die E-Fächer beider Gitarren hat man mittels elektrisch leitendem Graphitlack abgeschirmt, Pickguard bzw. E-Fachdeckel wie gewohnt mit Alufolie.

Drinnen finden Hongh-Potis, Ibanez Fünfwegschalter, der Alter-Switch für die dyna-Mix-Schaltungen und reichlich Kabel und Litzen Verwendung, teilweise mit Steckverbindungen. Ein Kondensator am Volume-Poti minimiert Höhenverluste beim Herunterregeln. Hier wie dort kommt an der Zarge eine aus Vollkunststoff bestehende, zuverlässig packende Ibanez-Mono-unit-Klinkenbuchse zum Einsatz.

Mono-Unit-Klinkenbuchse (Bild: Dieter Stork)

Die Übergänge zu den hitzebehandelten, jeweils vierfach verschraubten Ahornhälsen hat man nicht nur stufenförmig abgeflacht, sondern auch ergonomisch verrundet, sodass sich die höchsten Lagen stressfrei bespielen lassen. Die Halstaschen wurden dermaßen passgenau gefräst, dass eine perfekte und stabile Verbindung von Hals und Korpus und gleichzeitig beste Schwingungsübertragung garantiert sind.

(Bild: Dieter Stork)

Für die Griffbretter verwendet Ibanez das in Mittel- und Südamerika, in der Karibik und Westindien vorkommende, rötlich braune Jatoba. Die Edelstahl-Jumbobünde wurden vorbildlich eingesetzt und abgerichtet und inklusive der sorgfältig verrundeten Kanten poliert. Weiße Dot-Inlays auf dem Griffbrett und Sidedots erleichtern die Orientierung. Jenseits der optimal abgerichteten Kunststoffsättel erreichen die Seiten geschmeidig und präzise arbeitende Locking Tuner. Stringtrees drücken die E1/H2-Saitenpaare in die Sattelkerben.

(Bild: Dieter Stork)

Sechs Konterschrauben halten das mit Schraubhebel und einzelnen Gussreitern ausgestattete Ibanez T106 Vibrato. Ab Werk liegt dessen Basisplatte auf der Decke auf und heben selbst bei extremen String-Bendings nicht ab. Bei Bedarf lässt es sich selbstverständlich auch schwebend einstellen. Während die AZ22 mit zwei Ibanez Classic Custom Singlecoils und einem Classic Custom Steg-Humbucker daherkommt, bietet die AZ24 zwei Modern Custom Humbucker. Letztere sind höhenjustierbar direkt im Korpus montiert.

Kontrolliert werden beide Schaltungen per Master-Volume, Master-Tone und Fünfwegschalter. Der kleine 2-wege Alter-Switch zwischen den Reglern ermöglicht diverse Schaltungsvarianten, teilweise mit seriell verdrahteten Einzelspulen. Auf diese Weise hält die AZ22 neun, die AZ24 sogar zehn Klangvarianten bereit.

 

KLÄNGE EN MASSE

Beide Vertreterinnen der neuen Ibanez AZ Standard Serie lassen sich auf Anhieb höchst komfortabel bespielen. Grund dafür sind die Bodies mit modifiziertem Strat-Shaping, die ergonomisch gestalteten Halsübergänge, das entspannend in der Hand liegende, wohlproportionierte C-Profil der Hälse, deren angenehm holzig griffige Oberfläche, die top bearbeiteten Edelstahlbünde und die perfekte Balance am Gurt und auf dem Bein.

Beide Gitarren geben sich schwingfreudig und dynamisch, sprechen direkt und akzentuiert an, zeigen lebendige, flinke Tonentfaltung und stabiles, gleichförmig abklingendes Sustain. Während sich die AZ22 im Trockentest bei gesunder Ausgewogenheit knackiger, drahtiger, obertonreicher und insgesamt etwas spritziger gibt, kommt die AZ24 kraftvoller, wärmer und runder, aber keineswegs weniger ausgewogen daher, hält sich jedoch im Obertonbereich etwas zurück.

Bringt man den Alter Switch in die Position Mode 1 (in Richtung Tone-Poti), bietet der 5-Weg-Pickup-Schalter der AZ22 neben den einzelnen Pickups die Strat-üblichen Kombinationen, in Position 4 die Paarung aus Mittel-Pickup und Halsspule des Steg-Humbuckers (siehe Grafik).

Am Verstärker liefert sie zunächst die gewohnte Spulenauswahl mit etwas zeitgenössischerer Klangausrichtung. Nicht so richtig vintage aber klangcharakterlich auf einem guten Weg und durchweg ausgewogen, klar, transparent und dynamisch. Während der In-Between-Sound von Hals- und Mittel-Pickups noch recht authentisch näselnd daherkommt, tönt die Kombi aus mittlerem Singlecoil und der Halsspule des Humbuckers etwas belegt, jedenfalls nicht so frisch, luftig und spritzig wie das Pärchen in Schalterstellung 2. Vielleicht wäre hier die Stegspule des Humbuckers vorteilhafter gewesen.

Der Doppelspuler lässt den Ausgangspegel ein gutes Stück ansteigen und klingt druckvoll, prägnant und durchsetzungsstark. Da der Mittelpickup ein RW/RP-Typ ist, sind in den Zwischenpositionen distortion-bedingte Störgeräusche kein Thema.

Aktiviert man den Alter Switch (Mode 2), werden Hals- und Mittel-Einspuler seriell verschaltet. Es entsteht nicht nur brummtechnisch sondern auch klanglich ein Humbucking-Effekt, ähnlich einem Fullsize-Humbucker. Somit ertönt auch in der Mittelstellung des 5-Weg-Schalters quasi die Kombi zweier Doppelspuler, beides ganz schön fett aber dennoch luftig und frei von Störgeräuschen.

Die Schalterposition 4 aktiviert die Halsspule des Humbuckers, die dem leicht nasalen Knopfler-Klang zweier Singlecoils ähnelt. Die Stegspule hätte sicherlich für noch mehr Authentizität und Twang gesorgt. Wie schon im Alter Mode 1 ist am Ende wieder der Humbucker am Start. Daher bietet die AZ22 auch „nur” neun Klangvarianten, die nahezu ausnahmslos sowohl im Clean-, als auch Crunch- und High-Gain-Einsatz überaus brauchbare Sounds mit ebensolcher Dynamik bereithalten.

Neben der Standardkonfiguration zweier Humbucker sind in den Schalterposition 2 und 4 der AZ24 die inneren bzw. äußeren Humbucker-Spulen am Start (siehe Grafik).

Das komplette Klangspektrum inklusive der Zwischenpositionen meistert sowohl Clean-, wie Crunch- als auch High Gain Sounds mit lebendiger Transparenz, ordentlich Punch, straffen definierten Bässen, durchsetzungsstarken Mitten, nicht übermäßig scharfen Höhen, exzellenter Dynamik und stabilem Sustain.

Bei aktivem Alter Mode stehen 5 weitere Klangvarianten zur Verfügung, in den Zwischenpositionen 2 und 4 des 5-Weg-Schalters agieren die Stegspule des Hals- bzw. die Stegspule des Steg-Humbuckers. In den Positionen 1, 3 und 5 kommt die Ibanez-Power-Tap-Schaltung zum Einsatz, die den Humbuckern neue interessante Sounds verleiht. Durch eine spezielle Schaltung wird das tieffrequente Signal der angezapften Spule der anderen Spule zugemischt, was zu einem kräftigeren Klang als der einer Einzelspule führt.

Im Vergleich zu den Humbucker-Klängen ohne Power Tap erscheinen hier die Mitten wärmer und gedämpfter, gleichzeitig werden die Höhen nahezu beibehalten und die Bässe leicht angehoben. Unterm Strich ergibt das drei zusätzliche praktikable Sounds. Da jedoch der Power Tap Mode den Humbucking-Effekt außer Kraft setzt, stelle ich in den Positionen 1, 3 und 5 bei Distortion-Sounds erhöhte Störgeräusche fest.

Die Vorteile: Pegelunterschiede zwischen Humbucker- und Power-Tap-Betrieb gibt es nicht. Neben vielen anderen Features möchte ich die gleichförmige Regelcharakteristik der Potis und die Effizienz der Treble-Bleed-Schaltungen beider AZ-Standard-Gitarren hervorheben. So lassen sich Ausgangspegel und Verzerrungsgrad bzw. Höhenanteil präzise und feinfühlig dosieren.

RESÜMEE

Mit seiner neuen Standard Series launcht Ibanez zwei erstklassige, vor allem aber klanglich extrem vielseitige Gitarren zu echten Kampfpreisen. Während die AZ22S1F per Alter Switch den Kombis aus Hals- und mittlerem Singlecoil Humbucker-Qualitäten entlockt und noch 7 weitere klassische wie auch unkonventionelle Spulenkonstellationen bereithält, punktet die AZ24 mit 10 Klangvarianten inklusive Power-Tap-Schaltung. Auch sie kann klangqualitativ mit ihrer Schwester mithalten, bietet praktikable, wunderbar tönende Spulenkombis, auch wenn die Power-Tap-Varianten den Humbuckern ihre brummunterdrückende Wirkung nehmen.

Neben dem gewohnten Humbucker-Betrieb kann sie mit ihren separat anwählbaren Stegspulen von Hals- und Steg-Humbucker regelrecht glänzen. Angesichts exzellenter Schwingeigenschaften, höchsten Spielkomforts, vorbildlicher Verarbeitung, vielseitiger traditioneller wie moderner Sounds und nicht zuletzt günstiger Kurse empfehlen sich die neuen AZ Standard Modelle sowohl für alle möglichen musikalischen Genres als auch Experimentierfreudige.

Plus

● Sounds
● klanglich extrem variabel
● Ansprache, Dynamik & Sustain
● Edelstahlbünde
● Sure Grip Reglerknöpfe (AZ24)
● Alter-Switch-Konzept
● Spielbarkeit
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2025)

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