Budget-Kracher

Test: Harley Benton SC-Custom

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Harley Benton SC
(Bild: Dieter Stork)

Kann das denn angehen? Eine ansprechend gemachte Single-Cut-Gitarre, volle Mahagoni-Konstruktion mit Ahorndecke, mit eingeleimtem Hals und Korpus, als auch mit Hals-Bindings, Alnico-Humbuckern und Grover-Mechaniken für nur € 179? Wollen wir wissen!

Harley Benton ist eine Hausmarke des Musikhaus Thomann. Angeboten werden unter diesem Namen vornehmlich Instrumente für den Einsteigerbereich. Die Gitarren lässt Thomann in Fernost fertigen, in Fabriken, die mutmaßlich auch für große Hersteller wie Fender, Ibanez oder Jackson arbeiten. Dennoch bleibt die Frage, was denn da wohl nach Abzug von Fracht- und Importkosten, Steuern und Händlermarge für die Herstellung, bzw. als Lohnentgelt im Ursprungsland noch übrig bleiben soll?

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reell & solide

Bei der SC-Custom handelt es sich um eine Mahagoni-Konstuktion mit eingeleimtem Hals. Der zweiteilig gefügte Korpus von gut 42 mm Plattenstärke am Halsansatz mit ansprechend gewölbter Front bekam ein dünnes Deckenfurnier (klar, was sonst?) in hübscher Riegeloptik aufgebügelt.

Der aus drei Streifen gefügte Hals aus Mahagoni ist in Höhe des 16. Bundes in den Korpus eingeleimt. Das gebundene Griffbrett aus Roseacer – Wortschöpfung: thermisch behandeltes Ahorn (Acer) soll danach optisch in die Nähe von Palisander (Rosewood) rücken – ist mit durchaus ordentlich abgerichteten 22 Medium-Jumbo-Bünden und Perloid-Trapeze-Einlagen zur Lagenkennung ausgestattet. Der über eine verstärkende Volute abgewinkelte Kopf trägt Grover-Mechaniken. Am Korpus werden die mit 628-mm-Mensur schwingenden Saiten über eine DLX Tune-o-matic Bridge zum Stop Tailpiece geführt. Zwei in cremefarbene Rähmchen montierte Wilkinson Alnico Vintage-Style Humbucker werden mit einem 3-Weg-Schalter angewählt und von versenkt platzierten Volume- (zwei) und Tone- (einer) Reglern kontrolliert.

Strap Locks gehören dann auch noch zur Ausstattung und die Verarbeitung ist sogar besser, als man das bei dem aufgerufenen Preis eigentlich erwarten darf. Und dann ist das Instrument auch noch spielbereit eingestellt – zu diesem Preis auch keine Selbstverständlichkeit.

spielbar & ermutigend

Die Gitarre ist mit 3,8 kg nicht ganz leicht, aber für ein LP-Style-Modell doch absolut tragbar. Mit dem seitlich gut verrundeten, im Rücken flachen C-Profil haben wir einen gut spielbaren Hals in der Hand, der uns dank ordentlich gemachter Bundierung und ebensolchem Setup mit tief gelegter, aber weitgehend schnarrfeier Saitenlage angenehme Spielbedingungen und saubere Intonation bietet. Gut, die Sattelkerben könnten wohl noch besser ausgefeilt sein, aber die wichtigsten Bedingungen für ein lockeres, also frustfreies Spiel sind damit schon allemal gegeben.

Akkorde zeigen akustisch abgehört saubere Auflösung in ihre Stimmen, gehaltene Noten entfalten sich über das gesamte Griffbrett hinweg mit guter Länge. Die Wilkinson Humbucker übertragen bei klaren Verstärkereinstellungen in durchaus brauchbare Klangbilder, das allerdings ohne besonders ausgeprägte Klangfarben. Gehen wir in den Zerrmodus, so erhalten wir schon richtiggehend fette Brat-Sounds. Das Klangbild franst nun allerdings an den Rändern schnell mal aus und vor allem in den Höhen kommen tendenziell harsche Töne zum Vorschein.

Zwei- oder Mehrklänge wollen sich auch nicht so recht harmonisch vertragen und neigen zu Interferenzen: will sagen, es sägt und kracht ganz ordentlich, wird aber doch auch schnell schwammig und indifferent. Gut, mit etwas Schmutz am Schuh lässt sich je nach eingeschlagener Richtung ja auch noch ganz gut wandern. Ähh – was war jetzt noch mal der Maßstab? Custom Shop Les Paul für 8000 Euro? Wer wollte bei diesem Einsteigerniveau denn auch sahnige Sounds erwarten und lassen wir die Kirche im Dorf, den Dom in Kölle, dem Barthel seinen Most, so bleibt dann doch ein Signal, das Powerchords und Riffs ganz ordentlich raushaut – also bitte! Behalten wir die Kategorie im Auge und vergleichen nicht mit Gitarren, deren einzelne Pickups schon mehr kosten als diese ganze SC-Custom, so können wir sagen: so schlecht ist das alles nicht.

resümee

Schon erstaunlich, was man für € 179 heute so alles bekommen kann. Harley Benton bietet zu diesem Preis tatsächlich eine funktionierende Gitarre. Das Wichtigste: sie lässt sich mit handlichem Halsprofil und guter Einstellung der Saitenlage stressfrei spielen und sie intoniert sauber. Clean-Sounds sind ordentlich, Zerr-Sounds brauchbar, aber natürlich kommt das alles nicht besonders ausdrucksstark rüber. In Summe ist diese SC-Custom aber für den Einsteiger eine gute Möglichkeit, sich einfach auszuprobieren. Sollte es dann am Ende doch nicht recht klappen, kann er das allerdings nicht einfach nur auf die Gitarre schieben, denn die bietet durchaus ermutigende Spieleigenschaften. Die Harley Benton ist in diesem Sinne schon ein guter Schuhanzieher, nur laufen muss der Proband dann immer noch selbst. [2921]

Harley Benton SC

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2017)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die Testdarstellungen kann ich für eine andere Harley Benton (Big Tone Trem Vintage Orange) die ich nach einem Ausbau mit BJB_Akkusystem benutze, in gleicher Weise nur
    bestätigen. Auch damit ist das Preis_Leistungsverhältnis verblüffend. Man erhält für einen angemessen günstigen Preis eine gut verarbeitete Jazz/Rock-Gitarre in hervorragender Optik, Bigsby-Tremolo-Kopie, Tunamaticsteg und doppelreihigem Humbucker Pickups, (wie Gretsch Electromatic, mit einzeln einstellbaren Magneten), deren verstärkter Sound deutlich besser klingt als z.B. bei Epiphone. Richtig ist, wie auch im vorstehenden Test beschrieben, dass die Sattelkerben nachgearbeitet werden müssen, Auch die Kanten der Bundstäbchen sind noch nicht ganz entschärft. Grundsätzlich aber gilt, dass fast alle Gitarren, an die individuellen Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden müssen. So ist es auch bei diesen günstigen , und durchaus empfehlenswerten China-Import.

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  2. Ich hab von einem guten Freund zum Spass eine Harley Benton Superstratocaster geschenkt bekommen, da ich vom Sound nicht so jedoch sehr von der Verarbeitung begeistert war. Dachte ich mir “OK, fräsen und löten wir Mal ein bisschen” kurzum den Fender Mid-boost ala Eric Clapton bestellt und eingebaut. Das Teil klingt jetzt richtig gut und für 60+70 Euro kann man absolut nicht kleckern . Besonders wenn man auf Wiki nachliest hat Claptons Blackie auch nur 100 USDollar gekostet. Ganz ehrlich.. vielleicht Knall ich noch um 150euro neue Pick ups rein. Weil zum spielen gefällt sie mir sehr gut. LG Michael

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