(Bild: Dieter Stork)
Es gibt Zuwachs in der Harley-Benton-Familie. Ganze 18 Modelle gesellen sich in Form der MV-Serie zu dem bereits breiten Portfolio dazu. Auszeichnen sollen sich die Bässe durch niedrige Preise und ein ansprechendes Vintage-Design. Hier im Test: der klassische P-Bass.
Die letzten Bässe der Hausmarke Thomanns, die ich testen durfte, waren alle moderner Natur. Da waren etwa die BZ-Baureihe aus dem Premiumsegment (Ausgabe 03/24) oder der extravagante Marquess (Ausgabe 02/22).
Nun habe ich das genaue Gegenteil auf dem Tisch liegen: einen Preci, wie er klassischer kaum sein könnte. Mit der neuen MV-Modellreihe möchte man preiswerte, solide Instrumente in Retro-Optik anbieten. Auf den ersten Blick gelingt das auch, wie so oft liegt der Teufel jedoch im Detail.
KONSTRUKTION
Bei der Konstruktion hält man sich größtenteils ans klassische Vorbild. Beim Korpusholz hat man sich für Erle entschieden und der angeschraubte Hals besteht aus einem Stück kanadischem Ahorn. Nicht nur das, es handelt sich sogar um „karamellisiertes“ Holz, eine technisch nicht ganz korrekte Bezeichnung für mit Hitze behandeltes Holz.
Wie es sich für ein auf alt getrimmtes Instrument gehört, ist der Halsspannstab über die Halsrückseite eingelassen und die Fräsung mittels „Skunk Stripe“ aus gefärbtem Ahorn verdeckt. Etwas vom klassischen Design abgewichen ist man beim Spannstab selbst, denn dessen Stellmutter ist nicht etwa von der Halstasche verdeckt, sondern ganz modern als Speichenrad am Halsfuß ausgeführt. Eine Entscheidung, die ich sehr begrüße.
(Bild: Dieter Stork)
Auch beim Saitenniederhalter kommt eine etwas modernere Variante zum Einsatz, die nicht nur den Anpressdruck der D- und G-Saiten sicherstellt, sondern auch den der A-Saite. Eine traditionelle Schwachstelle klassischer Precis ist damit potenziell auch ausgemerzt.
Die Änderungen setzen sich bei den Stimmmechaniken fort. Zum einen sind deren Flügel recht dick und zum anderen besteht das Gehäuse der Mechaniken aus Kunststoff. Ob das der Gewichts- oder Preisersparnis dient, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht beides…
Grundsätzlich tun diese Mechaniken auch ihren Job, allerdings fällt das recht große Gewindespiel doch auf und das Stimmen dauert etwas länger als bei hochwertigeren Modellen. Bei näherer Betrachtung fallen auch Ungleichmäßigkeiten in der Fertigung der Flügel selbst auf.
Gleiches gilt für das auf den ersten Blick sehr hübsch anzusehende Binding, welches das Griffbrett umgibt. An den Stellen, an denen die Bünde eingelassen sind, zeigen sich deutliche Unsauberkeiten in der Verarbeitung.
Auch im Holz des Halses zeigen sich hier und dort kleinere Einschlüsse und Makel. An dieser Stelle sei aber betont, dass wir hier von einem Bass für etwa 230 Euro reden und nicht von einem USA Fender. Insofern gehen diese Kleinigkeiten vollkommen in Ordnung. Ehrlich gesagt wäre ich schockiert, wenn ein solches Instrument gänzlich ohne Makel wäre.
Davon abgesehen ist mir aber nichts negativ aufgefallen. Im Gegenteil, die Block-Inlays sind sauber ins Griffbrett eingelassen, die Bünde gewissenhaft abgerichtet und am Ende sauber verrundet. Auch die deckende Lackierung macht einen guten Eindruck und bei den seitlichen Bundmarkern kommen sogar fluoreszierende Punkte zum Einsatz.
Alles in allem macht der MV-4P eine echt gute Figur. Wer nicht so auf Pink steht, kann den Bass auch in Seafoam Green, Hellblau und natürlich auch Schwarz kaufen. Und wer zudem noch mit einem zusätzlichen J-Style-Pickup an der Bridge leben kann, bekommt eine noch größere Farbauswahl.
HANDLING
In puncto Handling erwarten mich beim MV-4P keine Überraschungen. Da sowohl Korpus als auch Hals aus relativ schweren Hölzern bestehen, ist das resultierende Gesamtgewicht von ca. 4,1kg durchaus im Rahmen des zu Erwartenden und auch eine spürbare Kopflastigkeit überrascht mich nicht weiter. Beides ist bei Bässen dieser Bauart aber nichts Ungewöhnliches und einfach etwas, mit dem man leben muss.
Übliche Hilfsmittel wie breite, gepolsterte Gurte können in Maßen Abhilfe schaffen, sodass sich der Bass auch bei längerem Tragen nicht als Problemfall erweist. Aufgrund der klassischen Bauform sind die allerhöchsten der zwanzig Bünde auch nicht mehr so einwandfrei zu erreichen, aber auch das gehört eben dazu, wenn man eine klassische Bauform spielen möchte. Es klingt vielleicht negativer als es gemeint ist, tatsächlich macht mir der Bass sogar echt Spaß.
Dank der schmalen Sattelbreite von 38mm und des mittelflachen Halsprofils fühlt sich der Hals nicht an wie der oft zum Vergleich herangezogene Baseballschläger, sondern etwas moderner und schlanker. Mir persönlich sagt das Profil sehr zu, sodass ich mich auch schnell auf dem Instrument wohlfühle. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich den Bass allein aufgrund seiner Haptik um einiges teurer eingeschätzt als er tatsächlich ist.
Bereits ab Werk sind Saitenlage und Halskrümmung bei meinem Exemplar angenehm eingestellt und auch die Intonation sitzt, sodass ich lediglich nachstimmen muss. Sehr angenehm fällt mir dabei die Abwesenheit scharfer Kanten an den Stellschrauben der Brücke auf. Sorge um meine Handgelenke habe ich daher nicht, selbst bei rabiateren Spielweisen. Mit so einem Werkszustand eignet sich der Bass auch ausgezeichnet für Neulinge.
SOUND
Für die akkurate Übersetzung meiner Attacken auf die Saiten in ein hörbares Signal am Verstärker sorgen die hauseigenen AlNiCO-V-Pickups im traditionellen Stil. Auf sehr energetisches Spiel reagieren sie mit angenehmer Kompression und ordentlich Biss.
Auf Drop-D runtergestimmt, den Amp ein wenig aufgerissen und fertig ist der „Prügelsound“. Natürlich kann der Bass aber auch anders, wenn man möchte. Da die Ausgangsbasis eben ganz klassisch gehalten ist, liefert das Instrument bei gemäßigtem Spiel den runden, knorzigen Sound, den man von einem Preci kennt.
Wunderbar dynamisch reagiert der Bass auf verschiedene Anschlagpositionen und -techniken. Beim Spiel direkt über dem Pickup gilt es allerdings, etwas aufzupassen. Offenbar ist die Erdung der Elektronik nicht zu 100% sauber ausgeführt, sodass es bei der Berührung des Pickups unter der D- und G-Saite zu einem Surren kommt. Auf der Hälfte unter den tiefen Saiten ist hingegen Ruhe, weshalb das Problem in der Praxis nicht so tragisch ist. Positiv überrascht bin ich hingegen von der Qualität der Potis.
Sowohl der mechanische Widerstand als auch angenehm gleichmäßige Kennlinien sorgen für eine unproblematische und praxistaugliche Handhabung. Von drahtigem Spiel mit dem Plek über Finger-Galopp mit viel Clank à la Iron Maiden bis zu butterweichen Palm-Mutes ist hier alles dabei.
In klassischer Manier ist auch eine Handablage unter der G-Saite montiert, über deren Nutzen sich wohl die Geister scheiden. Mir persönlich ist sie in den meisten Fällen im Weg, insbesondere beim Slapping stört sie mich, bei Palm-Mutes oder dem Fingerspiel im Stil von Sting hingegen erfüllt sie natürlich ihren Einsatzzweck. Wer möchte, kann sie einfach abschrauben.
Dead-Spots oder Lautstärkesprünge zwischen den Saiten oder unterschiedlichen Lagen sind mir übrigens nicht im Übermaß aufgefallen. Wobei hier aufgrund der natürlichen Schwankungen im Werkstoff Holz auch mal ein Exemplar dabei sein könnte, das in diesem Aspekt weniger gut abschneidet.
RESÜMEE
Was soll ich sagen? Für gerade einmal etwas über 200 Euro bekommt man mit dem MV-4P einen echt soliden Preci in Retro-Optik und mit einer großen Portion Spielspaß. Hier und da bleibt bei diesem Preis die Verarbeitung auf der Strecke, zumindest beim Testexemplar beschränkt sich das aber hauptsächlich auf kleinere Details optischer Natur.
Dank einer guten Auswahl an Farben dürfte auch für die meisten Geschmäcker etwas dabei sein. Ich gehe auch davon aus, dass die JJ- und PJ-Varianten aus der Baureihe ganz ähnlich abschneiden werden. Gute Arbeit!
PLUS
● Bespielbarkeit
● Sound
● Preis-Leistungs-Verhältnis
MINUS
● Mechaniken ungleichmäßig gefertigt
● Binding unsauber
● Pickup unter der D- und G-Saite brummt bei Berührung
(erschienen in Gitarre & Bass 09/2024)