Mit den Jet-Modellen suchte Gretsch Mitte der 50er-Jahre eine Antwort auf Gibsons erfolgreiche Les Paul zu geben. Zusammen mit der feuerroten Jet Firebird trat 1955 dann auch erstmals die silbrig glitzernde Silver Jet ins Licht der Öffentlichkeit. Anfang der 60erJahre übertrug man dann sogar das gesamte „Sparkle Finish“-Programm der Gretsch-Drums auf die Jet-Gitarren.
ROCK’N’ROLL GLAMOUR
Anfangs fertigte Gretsch, ein Familienunternehmen mit deutschen Wurzeln, im New Yorker Stadtteil Brooklyn Banjos und Schlagwerk. Ende der 1920er-Jahre stieg man aber auch in die Produktion von Archtops und anderer Gitarrentypen ein, um den wachsenden Markt in diesem Feld zu bedienen. Die Firma machte sich ihre Erfahrungen mit der Schlagzeugfertigung zunutze, indem sie die Bezüge der Trommeln, eine Art Kunststofflaminat in modischen Glamour-Farben, ab Mitte der 50er-Jahre auch als glitzernde Tops für die Sparkle-Jet-Modelle einsetzte.
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Die aktuelle Gretsch G6129T Sparkle Jet tritt prinzipiell mit den Specs der legendären Jets der späten 50er-Jahre an, allerdings nahm man für die nun vorliegenden Vintage-Select-Modellversionen speziell die Ausführungen der späten 80er-Jahre zum Vorbild, die „an der Spitze der Grunge-Bewegung im pazifischen Nordwesten stand, welche die Musikwelt in den frühen 90er-Jahren überrollte“, so Gretsch.
Details: Dem Body aus Mahagoni wurden seitlich und auch im hinteren Bereich großzügige Hohlkammerfräsungen gesetzt. Als Top ergänzt eine mit Mehrfach-Binding eingefasste, leicht gewölbte Decke aus laminiertem Ahorn mit Silver-Sparkle-Optik den am Halsansatz gut 4,5 cm starken Korpus. Dem eingeleimten, mittig gefügten Ahornhals mit „Standard U“-Profil wurde ein eingebundenes Griffbrett aus Palisander von 12″ Radius aufgesetzt, in dem 22 Medium-Jumbo-Bünde and Pearloid-Hump-Block-Inlays Platz fanden.
Der „Late-’80s Headstock“ präsentiert das Gretsch-Logo und ein Horseshoe-Inlay auf schwarzem Grund. Die-cast-Tuners von Gotoh sorgen für verlässliche Stimmung. Die Saiten werden über einen Sattel aus Knochen mit 625-mm-Mensur hinüber zur frei beweglichen, aber gut an die Deckenwölbung angepassten Palisander-Bridge mit Adjusto-Matic-Aufsatz am Body geführt. Gekontert werden sie im BigsbyB-3-Vibrato-Tailpiece.
Für den klassischen Gretsch-Twang stehen ein TV Classic Plus Bridge und ein TV Classic Neck Pickup, beide von TV Jones, mit doppelten Schraubpolreihen bereit. Geregelt wird mit klassischen G-Arrow-Knobs: ein Master Volume mit Treble Bleed Circuit, ein Master Tone und individuelle Volume Controls für jeden Pickup. Ein auf die Decke oben vorn gesetzter dreistufiger Toggle-Switch schaltet die PUs ganz konventionell einzeln oder zusammen. Bleiben noch das Silver Pickguard und die bekannten Schraub-Pins für die Gurtbefestigung zu erwähnen.
UNTERM MAKE-UP LIEGT DER SOUND
Die G6129T Sparkle Jet ist „gechambered“ wie es in schönstem Denglisch heißt, aber trotz der nicht zu knappen Korpusfräsungen bringt sie immer noch 4,3 kg auf die Waage. Für Freunde der Les Paul und verwandter Single-Cut-Konstruktionen nun keineswegs ein Schock, aber diese Modelle sind in der Regel ja auch vollmassiv gebaut. Nun, wer’s braucht, kriegt hier eben sein Fett weg.
Am breiten Gurt hängt der Glitzervogel dann aber auch ganz ausgewogen. Glänzend gemacht ist auf jeden Fall die spieltechnische Einrichtung. In vorbildlicher japanischer Wertarbeit wurde hier von der Bundierung bis zum Setup alles in Perfektion auf den Punkt gezogen. Das handliche U-Profil sorgt mit perfekter Rundung und weich abgeglichenen Griffbretträndern bei gut 43 mm Sattelbreite für höchst komfortablen Griffbrettzugang.
Überdies tritt die Sparkle Jet mit bestens gefestigten akustischen Basis-Sounds von ungemein sauberer Saitenseparation und silbrig offenem Tonverhalten an. Die Tonabnehmer von TV Jones sind nun bekannt dafür, den klassischen Vintage-Filter’Tron-Sound mit Saft und Kraft zu replizieren.
Auch im vorliegenden Jet-Modell wird dieses Versprechen gehalten. Der Classic Neck Pickup ruft mit diesem irgendwie idealisierten Sound der TV-Jones-Pickups in Erinnerung, was generell so reizvoll ist an Gretsch-Gitarren. In der Jet-Version bringt er jedenfalls den klassischen Ton zu neuem Leben, lädt ihn mit aktueller Bedeutung auf.
Kernig und straff, ungemein transparent und offen im Ausdruck tönt es über ihn völlig anders, als das etwa bei einem Gibson-Humbucker der Fall ist. Sein geringer elektrischer Widerstand sorgt für diese kristallene Klarheit, die allerdings auch ein kühles Lüftchen umweht. Dennoch übt diese perlende Frische und das perkussive Anschlagsverhalten schlicht eine Faszination aus.
Akkordarbeit lässt sich im Clean-Kanal mit Präzision in Szene setzen, Mehrklänge erscheinen offensiv transparent und stimmlich höchst definiert. Im Overdrive nimmt der Ton dann einen leicht metallischen Charakter an, wiederum verglichen mit einem normalen Humbucker, könnte man Wärme und Eleganz vermissen. Er kommt also durchaus rauer und auch etwas struppiger rüber – a little bit icy, but maybe you like it.
Oder man freut sich sowieso über die etwas andere, eigenständige Tondefinition, die für bestimmte musikalische Strukturen die genau richtige sein wird. Der TV Classic Plus Bridge ist der harte Junge in dieser Gitarre und der fletscht von Anfang an die blitzblanken Zähne. Bei klar eingestelltem Amp lässt sich noch schön drahtig gepflegt mit ihm operieren. Er präsentiert gestochen scharfe Chords und markante Linien mit Biss ohne jegliche schattige Anteile im Ton. Die schlanken, knochigen Bässe sorgen gemeinsam mit den zurückhaltenden Mitten und klar definierten Höhen für einen besonderen Charakter.
Gehen wir aber in den Zerrkanal, so setzt dieses eher harte Klangbild eine gehörige Aggression frei. Sehr direkt und reizbar setzt der Pickup jede spieltechnische Nuance um. Pointiert reißt der Ton auf und drückt effektiv nach vorn durch. Geschmeidige Blues-Linien sind hier also eher nicht so angesagt, obwohl, Moment mal: mit per Tone-Poti gedimmter Note wird dir dann doch schon wieder etwas bleu zumute, da geht also auch was.
Von bestem Ausgleich geprägt ist dann noch der in Mittelstellung des Wahlschalters aufgerufene Kombi-Sound beider Pickups. Dieser frische, kehlige Sound ist mehr als nur Kompromiss und bietet sich von Clean bis Crunch mit seiner besonderen Tonfarbe für viele Einsatzpunkte an.
Steuern lässt sich das alles intuitiv über ein Regler-Layout mit Master-Volume (der Ton schattet dank funktionierender Treble-Bleed-Schaltung beim Zurückregeln nicht ab), Master-Tone und den zusätzlichen Lautstärkereglern für die einzelnen Pickups. Das gute alte Bigsby setzt am Ende nicht nur einen coolen optischen Akzent, sondern überzeugt mit seinem angenehmen Schimmern in bekannt begrenztem Umfang dann auch noch funktional.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
RESÜMEE
Gretsch ruft mit der G6129T-89VS Vintage Select ‘89 Sparkle Jet die End-80er-Jahre Grunge-Ära in Erinnerung. Eine Zeit, in der unter der Glamour-Fassade sprichwörtlich etwas aufbrach, ein Aufbegehren, das sich in provokante Sounds kleidete. Da hatte so ein hübscher Glitzervogel wie die Sparkle Jet, dem das rotzige Innere nach außen gekehrt wurde, schon etwas Sinnbildliches.
So schön der Bezug auf einen musikalischen Kontext auch ist, diese Jet kann natürlich mehr und muss nicht auf eine bestimmte Ausdrucksform beschränkt bleiben. Mit klar eingestelltem Amp sind fein aufgelöste Akkorde und knackige Linien mit schönstem Gretsch-Flair luftig locker in Szene zu setzen, allerdings bringt die Gitarre vor allem über ihren Steg-Pickup in höheren Gain-Einstellungen auch richtig bösen Sparkle-Rotz an die Oberfläche. Mit diesem besonderen Jet-Twang schließt sich dann wieder der Bogen zu den intendierten Zielen dieses Modells.
Gefertigt ist die etwas schwere Gitarre in japanischer Perfektion und bietet Spieleigenschaften vom Feinsten. Wem das alles zu silbrig ist, der kann diese Gitarre auch in Gold Sparkle haben – ja Mensch, man gönnt sich doch sonst nichts.
Warum wird diese Gitarre als Grungeikone vermarktet? Ausser Chris Cornell, der als Gitarrist nicht sonderlich auffällig war, spielte doch niemand solche Gitarren.
Warum wird diese Gitarre als Grungeikone vermarktet? Ausser Chris Cornell, der als Gitarrist nicht sonderlich auffällig war, spielte doch niemand solche Gitarren.
Wundert mich auch, sie ist von Shirley Crow gespielt worden, ebenso vom Gitarristen der Schotten Deacon Blue…..
Ich besitze eine solch Gretsch, Baujahr 1990, tolles Instrument!