Gretsch-Gitarren werden gemeinhin mit Cowboy-Musik und Rockabilly assoziiert, spielten auch bei der Entwicklung der Beat- und Hippiebewegung, oder auch im Country-Rock eine tragende Rolle, aber geht da heute nicht noch deutlich mehr?
Was der gerissene Kater der Freak Brothers mit der Center Block Jr. zu tun hat? Na ja, zumindest den Vornamen seiner menschlichen Bezugsperson Freddy teilt er mit dem Sohn des Emigranten Friedrich Gretsch aus Mannheim (legte den Grundstein für die Gretsch Company 1883 in Brooklyn), jenem Fred also, der die Firma nach dem frühen Tod des Vaters schon mit 15 Jahren übernehmen musste, aber dann auch berühmt machen sollte. Vor allem aber war der zitierte Kater cool, mit allen Wassern gewaschen und durchsetzungsstark, Eigenschaften die wir bei der sich ausgesprochen geschmeidig gebenden Center Block Jr. auch vermuten dürfen. Weit hergeholt? Mal sehen!
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(Bild: Tom Schäfer)
Gurt anlegen …
Optisch erinnert die G5655 im handlichen Junior-Format nicht von ungefähr an das legendäre 6120-Chet-Atkins-Modell der 50er-Jahre, selbst die Anordnung der Schalt- und Regelelemente ist ähnlich. Bei der Testgitarre handelt es sich um ein Semi-Hollow-Single-Cut-Modell in klassischer Optik mit verkleinertem Body, deren die Korpusmitte füllender Center Block aus Fichte die Gitarre auch für lautere Einsätze fit machen soll.
Die Details: Laminierter Ahorn kam als Korpusmaterial für Decke, Boden und die Zargen zum Einsatz. Der interne „Chambered Spruce Center Block“ zeigt passgenaue Anfügung an die leichten Korpuswölbungen. Offenbar ist der Sustainblock nicht so massiv wie vermutet, ihm wurden Hohlkammern und Lochbohrungen zur Gewichtsreduktion verschafft. Der minimierten Korpusgröße ist zu danken, dass die traditionellen f-Löcher im Vergleich zu vollformatigen Gretsches weniger üppig ausfallen. Die Korpusränder sind wie die f-Löcher umlaufend mit Aged White Bindings besetzt.
Der eingeleimte Hals aus Ahorn bekam ein Thin-„U“-Halsprofil und als Griffbrettmaterial wurde Indian Laurel verarbeitet – auch Indischer Lorbeer oder Lorbeer-Feige genannt – ein hartes und vornehmlich in Südostasien weit verbreitetes Holz ohne Artenschutzeinschränkung, welches das traditionelle Palisanderholz, respektive Ebenholz ersetzen soll. Der Griffbrettradius misst 12″; Neo Classic Thumbnails markieren die Lagen. Der in leichtem Winkel herausgeführt Kopf der Gitarre ist mit kleinen gekapselten Mechaniken ausgestattet.
Über einen Sattel aus NuBone (Kunststoff) laufen die Saiten mit einer Mensur von 24,6″ = 62,5 cm hinüber zur Gretsch Adjustomatic Bridge mit B70 Bigsby Tremolo.
Die Elektrik: Zwei Gretsch Black Top Broad’Tron Humbucker sind in goldfarbenen Kunststoffrähmchen auf die Decke gesetzt. Geschaltet werden die Tonabnehmer traditionell per 3-Weg-Toggle-Switch, verwaltet von zwei individuellen Volume-Reglern plus zusätzlichem Master Volume und einem Master-Tone-Regler. Alle Potis laufen leicht und die klassischen G-Arrow-Knobs sind wie immer angenehm griffig.
Bleibt noch die goldene Hardware und das ebenfalls in Gold gehaltene Pickguard zu erwähnen. Die Gitarre ist in modernem Industriestandard klaglos sauber verarbeitet und in sattem Cadillac Green hochglänzend lackiert.
… und ab die Post
Die kleine Gretsch Center Block Jr. wiegt angenehme 3,4 kg und auch vom Spielgefühl her gibt es absolut keine Klagen. Im Sitzen angeschlagen richtet sie sich mit ihrem reduzierten Korpus höchst komfortabel aus und auch am Gurt hängt sie leidlich ausgeglichen. Das Thin-„U“-Profil entspricht modernem Zuschnitt und der Hals bietet nicht zuletzt dank einer sauber gesetzten, kantenglatten Medium-Jumbo-Bundierung rundum angenehme Handhabung.
Das akustische Potential der Center Block Jr. ist von einem drahtig hellen Tonambiente geprägt, das für die transparente Auflösung von Akkorden sorgt. Die Ansprache ist präzise, der Anschlag wird markant herausgestellt, der Ton kommt schnell, und eine gute Tonlänge ist in allen Positionen recht gleichmäßig zu erzielen.
Am Amp erweisen sich die Black Top Broad’Tron Humbucker mit ihren geringen elektrischen Widerständen als typische Gretsch-Tonwandler, bieten also höhenreiche und leicht glasige Tonauflösungen von guter Transparenz. Der Pickup am Hals eröffnet das Spiel perlfrisch und weit geöffnet. Akkorde in klaren Einstellungen erscheinen stimmlich bestens differenziert, die Darstellung ist aber nicht unbedingt aufregend vital. Rhythmisches Begleitspiel geht damit dennoch gut von der Hand, einzeln angeschlagene Töne fallen aber nicht gerade durch besondere Festigkeit auf, dafür fehlt es etwas an Substanz. Gehen wir in den Overdrive-Modus, lassen sich aber über den Hals- Pickup nun auch in höheren Lautstärken knochentrockene Riffs und Powerchords stressfrei in die Welt setzen. Das Klangbild bleibt dabei leicht kehlig und hat wenig Mittenprägung. Was nicht heißt, dass es auf seine Art nicht auch nutzbringend einzusetzen ist, denn diese Low-Output-Pickups sorgen für durchaus originelle Sounds mit viel Aufriss und Perkussion.
Der Broad’Tron am Steg spricht dann aber noch eine überraschend andere Sprache. Er springt deutlich vor und kontert mit scharfem Höhen-Peak. Alles ist nun enger gesetzt, heißer und schärfer. Der Sound wirkt komprimiert mit leichter Betonung der oberen Mitten. Dafür reißt er perkussiv auf, kommt mit gutem Draht im Ton und pickenden Höhen auf den Punkt. Im Zerrmodus ist das zwar die Härte, aber bitte: wer wollte denn einen Gemeinplatz? Mit dem eigenwilligen Charakter dieser bissigen Schaltposition kann man auf jeden Fall seinen Spaß haben. Konturscharf werden Powerchords rausgeworfen, Linien schneiden rasiermesserscharf durch jeden Pudding. Will man etwas von der Brisanz rausnehmen, rollt man einfach den generellen Volume-Regler vorn etwas zurück. Auch der Master-Tone-Regler tut in diesem Sinne mit kurzem Regelweg gute Dienste.
Toll, wie eigentlich immer bei Gretsch, tönt auch die Kombination beider Humbucker. Mit ausgekämmtem Tonambiente und glitzernd abrollendem Jingle-Jangle-Sound ist damit ein originärer dritter Sound angelegt, der in allen Betriebsarten mit guten Ergebnissen aufzuwarten vermag.
Das Bigsby, wie eh und je eher gemäßigter Jammerhaken als aggressiver Tonverbieger, lässt sich für lässiges Schimmern einsetzen und sorgt natürlich auch für den coolen Look.
Resümee
Mit der Center Block Jr. hat Gretsch ein weiteres Pferd für den Parcours der härteren elektrischen Ausrichtung im Stall. Will meinen: Wo die traditionelle Hollowbody aus dem Hause Gretsch die Segel wegen ihrer Feedback-Anfälligkeit streichen muss, da blüht die Center Block Jr. erst richtig auf. Mit ihr lässt sich also auch in heftigeren Gangarten lässig bis bissig operieren.
Die Konstruktion mit Sustainblock eröffnet uns eine für Gretsch-Verhältnisse aufregend neue Möglichkeit der offensiven Klangauslegung. Oder wie es Fat Freddy’s Cat mal so schön formulierte: „I just love that shit-kickin’ music!“ Ansonsten bleibt der originäre Gretsch-Charakter mit trocken kehliger Attitüde und viel Draht im Ton weitgehend erhalten. Da sich die Center Block Jr. mit kleinem Korpus und fluffigem Hälschen auch noch bestens spielen lässt, kann jetzt nur noch die Empfehlung zum persönlichen Test folgen. Also: go cat go!