Sound of Honor

Test: Gretsch G5410T

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

„G5410 Limited Edition Electromatic Tri-Five Hollow Body Single-Cut with Bigbsy in Two-Tone Fiesta Red and Vintage White“ lautet der volle Name dieser Edlen aus dem Hause Gretsch. Nein, das hübsche Modell wurde nicht in einer weißen Hochzeitskutsche angeliefert, obwohl es ihm sehr wohl angestanden hätte. Nu is aber gut – wenn schon, dann ist das hier eine Rock’n’Roll-Queen!

Gretsch as Gretsch can – die Traditionsfirma lieferte immer schon die augenfälligsten Straßenkreuzer der elektrisch-amerikanischen Gitarrengeschichte. Die als „all-new“ angekündigte Electromatic Tri-Five Hollow Body will da nicht zurückstehen. Alternativ gibt’s das auf 120 Stück pro Farbe für Europa limitierte Modell auch noch in Two-Tone Ocean Turquoise und Vintage White mit Vintage White Pickguard und Two-Tone Vintage White und Casino Gold mit Gold Pickguard.

Anzeige

LATE ’50s CALIFORNIA HIGH-END VIBE

Die Gretsch G5410T legt mit eleganter zweifarbiger Lackierung – Two-Tone Fiesta Red und Vintage White mit Matching Headstock und Vintage White Pickguard – einen optisch fraglos imposanten Auftritt hin, diese Farbkombination ist wohl tatsächlich neu. Decke und Boden des großen vollakustischen Bodys wurden in leichte Wölbung gepresst und bestehen, wie die Zargen auch, aus laminiertem Ahorn. Die von einem weißen Binding mit unterlegtem black/white/black-Purfling eingefasste Decke ist mit parallel gesetzten, unbeschliffenen Balken unterbaut; ein intern gesetzter Pfosten stützt den Bereich unterhalb der Bridge ab. Der Korpus von ca. 5,8 cm Tiefe am Halsansatz erhielt große gebundene f-Löcher nach altmodischer Art.

Ahornhals mit Palisandergriffbrett und Neo-Classic-„Thumbnail“-Inlays (Bild: Dieter Stork)

Der Ahornhals mit Standard U-Profil – flach im Rücken und seitlich bestens verrundet – wurde mit einem gebundenen (Aged White Binding) Griffbrett aus Palisander mit 12″ Radius kombiniert. 22 Medium-Jumbo-Bünde zeigen beste Verarbeitung mit perfekter Kantenrundung; seitlich angebrachte Pearloid-Thumbnail-Inlays sorgen für die nötige Navigationssicherheit auf dem Griffbrett.

Die Frontseite der schmalen, gebundenen Kopfplatte mit einer „Caddy V“-Einlage im late-’50s-Stil ist passend zur Deckenfarbe lackiert. Ausgehend von den Vintage-Style-Open-Back-Mechaniken laufen die Saiten über den NuBone-Sattel von Graph Tech mit einer Mensurlänge von 625 mm hinüber zur Adjusto-Matic-Bridge mit justierbaren Saitenreitern am Korpus. Eingehängt sind sie im Bigsby-B60-Vibrato-Tailpiece.

Adjusto-Matic Bridge mit Bigsby-B60-Vibrato (Bild: Dieter Stork)

Elektrisch verstärkt wird die Gretsch G5410T durch zwei Black-Top-Filter’Tron-Humbucker mit schicken Auflagen aus Pearloid. Die Schalt- und Regelmimik: Volume 1 (Neck PU), Volume 2 (Bridge PU), Master Volume (mit Treble Bleed Circuit), Master Tone; die Anwahl der Pickups erfolgt konventionell über einen 3-Wege-Toggle-Switch.

Die Gitarre zeigt rundum hohen Fertigungsstandard (Korea) und kam mit vorbildlich ausgeführtem Setup zum Test.

BLING-BLING-OUTFIT & SCHMACKES-OUTPUT

Die G5410T Electromatic Tri-Five Hollow Body ist eine klassische Gretsch-Gitarre im 16“-Format der beliebten 6120, aber verglichen dazu von geringerer Korpustiefe. Das soll zum einen die Handhabung verbessern, zum anderen aber auch weniger Feedbacks provozieren. Die Gitarre liegt damit gut an und bietet über den angenehm geschnittenen Ahornhals mit U-Profil klaglos komfortable Handhabung. U klingt immer irgendwie altmodisch unbequem nach 50er-Jahre-Knüppel, das ist hier aber dank angenehm flach gestaltetem Rücken mit bester seitlicher Verrundung der lediglich etwas breiter ausgebauten Schultern überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil!

Schon akustisch erfreut die Gitarre uns mit einem lebendigen, perkussiv vitalen Klangverhalten. Schnell in der Ansprache und kernig im Ton springen die Akkorde und Linien geradezu angriffslustig vom Griffbrett.

Black Top Filter’Tron Pickups mit Pearloid Inlays (Bild: Dieter Stork)

Die Black-Top-Filter’-Tron-Pickups – konstruktionsbedingt recht gering an elektrischen Widerstandswerten, dank der hohen Resonanzfrequenz aber von durchsetzungsstarker Präsenz – übersetzen dieses für Gretsch-Gitarren typische Klangbild in klassische elektrische Hollowbody-Sounds. Höhenreich, stringent und mit viel Draht im Tongefüge kommt in allen Schaltpositionen der typische Gretsch-Sound zum Zuge. Bestens aufgespreizt in sauber separierte Stimmen werden Mehrklänge knusprig schimmernd aufbereitet. Über den Hals-Pickup gespielt mit gutem Volumen, dennoch gehörig stramm und pointiert im Bass, mit eher dezentem, jedoch plastisch zeichnendem Mittenbereich und diesen bemerkenswert offen klingelnden Höhen. Das kontert der Fiter’Tron am Steg locker mit eng gefasstem, perkussiv vorpreschendem Snap. Leicht schneidend, aber zupackend durchsetzungsfreudig und eminent twangy.

Gretsch-Gitarren dieser Art sind nun eher nicht geeignet für das Verlegen heftiger Heavy-Bretter. Solchem Ansinnen verweigert sich schlicht die Hollowbody-Konstruktion. In angezerrten Einstellungen gelingt es der Electromatic aber durchaus, eigene Akzente zu setzen. Dieser etwas spröde Charakter mit einer leicht eckigen Ansprache und in Zerre aufreizend perkussivem Aufriss, das hat absolut was. Ein knarziges Timbre, das so originär wie souverän daherkommt. Über den Filter’Tron-Pickup am Hals mit gehörigem Growl, dunkel und holzig kernig zugleich – über den Kollegen am Steg mit zuschnappender Bissigkeit. Besonders stark kommt dieser kehlig röhrende Jingle-Jangle-Effekt dann auch noch bei der Zusammenschaltung beider Pickups zum Zuge. Kühl glitzernde Eleganz mit der leichten Tendenz zum Glasbruch (wenn man es mit dem Overdrive übertreibt).

Eins noch: Die Volume-Regler zeigen alle einen recht kurz nutzbaren Wirkungsgrad, drei Viertel des Regelwegs tendiert er gegen Null, aber damit kann man arbeiten.

Es gibt zwar Gretsch-Gitarren ohne Bigsby, aber irgendwie gehören diese Vibratoteile mit ihrem eingeschränkten Wirkungskreis, aber weichem Schimmern und hohem Coolness-Faktor doch einfach dazu. Das B60 macht seine Arbeit wie gewohnt unaufgeregt gut und bleibt in begrenztem Rahmen auch weitgehend stimmstabil.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Gretsch G5410 Limited Edition Electromatic Tri-Five Hollow Body Single-Cut protzt mit „’50s California High-End Vibe“, diesen Begriff aus dem Werbetext können wir voll bestätigen. Das sauber verarbeitete und bestens spielbare Modell bietet im Grunde alles, was man im traditionellen Sinne mit einer Gretsch-Gitarre verbindet. Die glasklare Tonumsetzung der Black-Top-Filter’Tron-Pickups hebt die vitalen konstruktiven Klanganlagen der Hollowbody mit Präsenz hervor, unterstützt von schneller, perkussiver Ansprache. Das ist der Sound von Rockabilly und frühem Rock’n’Roll, da schwappt die Schmalztolle und bricht sich stürmisch Bahn, was nach Befreiung von engen Konventionen ruft.

Zu dreist darf man es aber auch nicht treiben, zumindest was die Lautstärke angeht, denn dann bläst die feine Lady doch irgendwann protestierend die Backen auf. In Sachen Rückkopplungsfestigkeit steht die Electromatic trotzdem vergleichsweise gut da. Die traditionellen Gretsch-Sounds sind also auch jenseits pomadisierter Tollen und herausfordernder Rodeo-Ansprüche vielseitig einsetzbar, lassen sich auf modernere Anwendungen ebenfalls gutwillig ein. Dennoch pocht Gretsch auf sein wohlverdientes Erbe. Wohlan denn Cowboy, auf in den Sattel: „Es ist der Klang der Ehre selbst – reite und spiele stolz!“

PLUS

  • klassisches Design
  • auffällige Two-Tone-Optik
  • sonore Hollowbody-Charakteristik
  • Black Top Filter’Tron Pickups
  • Gretsch-Sounds par excellence
  • sauber bundiertes Palisander-Griffbrett
  • griffiges Hals-Profil
  • gute Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.