Surfbrett

Test: G&L Tribute Doheny

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(Bild: Dieter Stork)

Letzte Nacht erschien mir der Begriff Surfer Joe im Traum – dabei kenne ich auch heute Morgen keinen Surfer Joe. Ein paar Googleblicke später weiß ich, dass anno 1962 die Surfaris den Song ‚Surfer Joe‘ als B-Seite ihres Hits ‚Wipe Out‘ herausgebracht hatten. Und dass die Geschichte, die in dem Song erzählt wird, tatsächlich am Doheny Beach in Kalifornien spielt!

Denn der Text startet wie folgt: „Down in Doheny where the surfers all go – there’s a big beach blondie named Surfer Joe …“ Ich sollte wohl schon in der Nacht auf das Thema des heutigen Tages vorbereitet werden, oder? Denn da wird es um die G&L Tribute Doheny und ihre offensichtlichen Surf-Gene gehen. Mit der Doheny dockt G&L an das immer noch grassierende Jazzmaster-Fieber an, das sich erstaunlich lange als stabiler Trend im Gitarrenlager erweist.

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STRANDMUSIK

Wer Wikipedia nach „Doheny“ befragt, bekommt einen irischen Boxer genannt, aber nicht den ikonischen Strandabschnitt im Herzen von Orange Country, Kalifornien, nach dem dieses Modell themenrelevant benannt ist. Hier am Doheny Beach ritten nicht nur die Surf-Legenden Kaliforniens um die Wette, sondern hier entstand in den Sechzigerjahren wie an vielen anderen Stränden dieser Region auch der legendäre Surf-Sound.

In dessen Mittelpunkt konnte sich die Fender Jazzmaster endlich ihre Daseinsberechtigung erspielen, nachdem das eigentlich von Leo Fender angepeilte Klientel der Jazzer dankend auf diese Gitarre verzichtet hatte und sie ein großer Flop zu werden drohte. G&L hat aus dieser Geschichte gelernt und vertraute von Anfang an auf die surfige Assoziationskette Doheny > Strand > Surfmusik. No Jazz!

Und ja, auch in Indonesien, wo die Tribute Doheny in der Niederlassung des koreanischen Herstellers Cort gebaut wird, gibt es wunderschöne Surfspots, besonders in Bali. Also ist doch alles bestens gerichtet …

Die G&L-Tribute-Series hat seit ihrer Etablierung vor etwa 20 Jahren schon oft aufhorchen lassen. Als einzige der großen amerikanischen Firmen, die ihre Sub-Labels in Fernasien herstellen lassen, stattet G&L die indonesischen nämlich mit identischer Hardware aus und bei vielen Modellen, z. B. der Legacy, Comanche, Asat Classic und Special und eben auch bei der Doheny, kommen die Made-in-USA-Pickups zum Einsatz!

Die Unterschiede der Tribute- zur US-Doheny bestehen demnach (abgesehen davon, dass bei den USA-Instrumenten in der Fertigung vieles per Handarbeit passiert) vor allem in der Holzauswahl. Das ist mal ein Qualitäts-Statement mit dickem Ausrufezeichen, das umso mehr wiegt, weil sich gerade in den G&L-Pickups und der von Leo designten Hardware nicht nur der erfinderische, umtriebige Geist Leo Fenders am deutlichsten widerspiegelt, sondern auch darin, dass dies exakt die wichtigsten Features sind, die den Unterschied von G&L- zu Fender-Instrumenten ausmachen.

BAUSTOFFE

Was das Holz angeht, kombiniert G&L hier einen Pappel-Body mit einem leicht gelblich gebeizten (Vintage Tint) Ahorn-Hals, der vorne wie hinten matt lackiert ist. Auf das Ahorn des Halses ist ein Ahorngriffbrett mit auffälligen, schwarzen Block-Einlagen geleimt. Es sind aber auch Versionen mit Rosewood-Griffbrett und dezenteren Pearl-Block-Einlagen erhältlich. Der Kunststoffsattel ist sehr gut gekerbt, und die Saiten laufen schnurgerade zu den sechs Mechaniken, wobei E1 und H per schön weit nach hinten positioniertem Saitenniederhalter auf ein niedrigeres Niveau gebracht sind, um ordentlichen Druck im Sattel aufbauen zu können.

Auffällige Optik: Ahorn-Griffbrett mit schwarzen Block-Einlagen. (Bild: Dieter Stork)

Am anderen Ende der Saiten erwartet sie das Dual-Fulcrum-Vibratosystem, laut Leo Fender die einzig wahre Weiterentwicklung seines eigenen Fender-Vintage-Vibratosystems. Das G&L-System besteht aus einer gehärteten Stahl-Grundplatte, die über Messerkanten an zwei Halte-Bolzen gelagert sind, die in massiven Messinghülsen sitzen. Die Bolzen selbst werden, um ihre Härte zu erhöhen, aus kaltgewalzten Stahlblöcken gefräst, anschließend wärmebehandelt und schließlich beschichtet. Wie bei PRS besteht der Vibratoblock auch aus Messing.

Der Vibratoarm wird in eine Führung mit Nylon-Einsatz gesteckt und per Innensechskant-Schraube fixiert – eine sehr bequeme und sichere Methode, die Schlabbern und Gewindeverschleiß ausschließt. Die nach oben gekröpfte Form des Arms ist (für mich) allerdings gewöhnungsbedürftig. Für die Musiker:innen, die ihr Spiel gerne lässig mit am Trem-Arm eingehaktem kleinen Finger begleiten, ist diese Form jedoch ideal; wer aber den Arm beim Tremolieren lieber in die Hand nimmt, dem kann die nach oben ragende Form dann doch im Wege stehen. Damit muss man sich entweder arrangieren oder einen anderen Arm besorgen.

Der Vibratoarm steht weit nach oben ab, damit muss man sich arrangieren. (Bild: Dieter Stork)

Das System selbst bietet einen großen Bending-Spielraum – von Bigsby-artigem Schimmern bis hin zu Dive-Bombs mit komplett entspannten Saiten reicht das Spektrum, und wenn der Rest der Gitarre wie in dem Fall dieser Gitarre optimal eingestellt ist, dann funktioniert das System stimmstabil.

PICKUPS

Ende der 1970er-Jahre hatte Leo Fender die sogenannten Magnetic Field Design Pickups (MFD) für sein neues Tele-Modell, die ASAT, entwickelt. Wie immer, ging er auch hier von einem sehr pragmatischen Ansatz aus: Er wollte schlichtweg die Singlecoils lauter haben, ohne dass sich das Brummen mit erhöht und die Höhen bedämpft werden. Dazu stellte er, der radikale Denkansätze nie gescheut hat, das damals in der Serienfertigung übliche Verhältnis von Magnetgröße, Magnettyp, Spulengröße und Drahtstärke erst infrage, und dann auf den Kopf.

Am Ende einer langen Versuchsreihe waren dann die MFD-Pickups geboren, als deren Basis ein recht großer Keramik-Magnet dient, über dem eine verhältnismäßig kleine Spule mit relativ wenigen Wicklungen Formvar-Drahtes sitzt. Das klangliche Ergebnis dieser Konstruktion ist bekannt: Ein offener, kristallklarer Sound ohne jede Harshness, mit sehr guter Dynamik, einer schnellen Ansprache, hoher Transparenz und viel Output.

Für die Doheny wurde das MFD-Konzept noch einmal verfeinert, indem die Spulen verbreitert wurden; die neuen MFD-Jazz-Pickups sollen weniger Twang, dafür aber mehr Jangle liefern, um eben dem besonderen Charakter dieses Gitarrentyps Rechnung zu tragen.

Die Polepieces aus Weicheisen lassen sich zudem mit einem Innensechskant individuell in der Höhe verstellen, sodass eventuelle Lautstärke-Unterschiede der einzelnen Saiten leicht ausgeglichen werden können.

Im Regler-Layout findet sich zudem eine Besonderheit, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist: Die beiden Potis neben dem Master-Volume-Regler stellen das sogenannte PTB-System dar, bei dem das eine Poti die Höhen und das andere die Bässe jeweils separat regelt. Auf den irgendwie schrullig wirkenden Rhythm-Circuit der originalen Fender Jazzmaster hat G&L bei dieser Gitarre verzichtet.

Der Spirit von Leo offenbart sich vor allem in den Magnetic Field Design Jazz Singlecoils und dem Dual-Fulcrum-Vibratosystem. (Bild: Dieter Stork)

WELLENREITEN

Um es kurz zu machen: Die Tribute Doheny liefert ganz großes Sound-Kino! Die MFD-Jazz-Pickups erscheinen wie gemacht für diesen Gitarren-Typ, denn es werden laute, prägnante und helle Sounds übertragen (Jangle Deluxe!), die exakt mit der Erwartungshaltung korrespondieren, die mit einem Jazzmaster-Gitarrentyp verknüpft ist. Allerdings mit einem Charakter, der von Allem etwas mehr mitbringt – mehr Bässe, mehr „snap“, mehr crispe Höhen, mehr Lautstärke, ein schnelleres Attack-Verhalten …

Spielt man die Doheny im Vergleich z. B. mit einer Vintage-type Stratocaster, so wie ich es gemacht habe, erscheint die Strat gegenüber der Doheny etwa halb so laut und irgendwie … bescheiden. Der schmatzende Ton des G&L-Hals-Pickups, gepaart mit dem „gnarl“ einer Fender-Konstruktion, ist auf seine Art ziemlich einzigartig. Genau wie der Sound des Steg-Pickups, dessen knochentrockener, kantiger Ton erst einmal verdaut werden muss, wenn man ihn so alleine im Raum hört.

Im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten zeigt er dann seine Qualitäten, denn er setzt sich spielend durch alles durch, was ihm in die Quere kommt. In der Mittelstellung des Toggle klart der Klang dann wunderbar auf – Dittsche würde sagen: „Es perlt heute besonders gut“. Sehr transparent wird es hier, eine total klare Saitentrennung ist festzustellen und die Doheny zeigt hier bei einem clean eingestellten Amp fast schon Klangelemente einer akustischen Gitarre.

Apropos akustisch: Schon ohne Verstärker macht diese Gitarre bei den ersten Akkorden klar, dass sie eine grundgesunde Basis bereitstellt. Die Saiten schwingen lange und gleichmäßig aus, trotz Vibratosystem ist das Attackverhalten beeindruckend kräftig und schnell, und ein schöner, singender Rrring-Grundsound ist schon jetzt zu hören. In allen Klangvarianten, die dann von Amps und Pedalen hinzugezogen werden, fühlt sich die Doheny bestens zuhause – immer zeigt sie sich wendig, willig und grundsätzlich sehr durchsetzungsstark.

Die PTB-Klangregelung verspricht eine große Vielseitigkeit, wenn sich auch die Regelwege beider Potis nicht besonders effektiv darstellen; deutliche Klangveränderungen passieren erst auf den letzten Millimetern der Drehbewegung. Das getrennte Regeln der Höhen und Bässe stellt tatsächlich einige alternative Sounds bereit; am sinnvollsten ist sicherlich die Möglichkeit, die Bässe separat runterzuregeln, wenn man dem Klang etwas von seiner Fettheit nehmen möchte.

Mir scheint insgesamt, dass das PTB-System für andere Gitarrentypen mit z. B. Humbucker-Bestückung effektiver sein könnte als für eine Doheny, mir würde hier eine oldschool Höhenblende völlig reichen. Denn fat ist doch beautiful, besonders bei Singlecoil-Gitarren!

Auf der nächsten Seite: Alternativen & Resümee

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ganz schön schwer für eine Pappel-Gitarre und auch ganz schön teuer für eine Pappel- Gitarre aus Indonesien. Na ja, ist ja UVP.

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