Neuanfang

Test: Gibson Les Paul Tribute STB & Standard 50s Gold Top

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Gibson Les Paul Tribute STB Standard 50s Gold Top - 1(Bild: Dieter Stork)

Das Jahr 2018 war eines der turbulentesten in der Geschichte des amerikanischen Gitarrenherstellers Gibson. Nachdem der Konzern im Mai 2018 gemäß Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts eine Reorganisation beantragt hatte, übernahm am 01.11. James Curleigh als CEO die Leitung. Sicherlich keine leichte Aufgabe. Jedoch bereits zur Winter NAMM Show 2019 präsentierte Gibson sein neues Instrumenten-Portfolio.

Gleich zwei Les Pauls sind mir für diesen Test ins Haus geflattert, nämlich eine Tribute aus der Modern Collection und eine Standard 50s aus der Original Collection. Erstere ist preislich deutlich unter dem Studio-Modell angesiedelt, mit Letzterer zollt Gibson seinen alten Ikonen Tribut, ohne jedoch in die Preisregionen von Custom-Shop-Gitarren vorzudringen.

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zutaten

Die Konstruktionsdetails einer Les Paul setze ich bei den Lesern unseres Magazins mal als bekannt voraus. Mahagonikorpus ist klar, auch wenn der der Tribute knapp 5 mm dünner ausfällt als der der Standard und zusätzliche Weight-Relief-Bohrungen deren Gewicht um gut 700 Gramm reduzieren. Während beide Paulas massive gewölbte Ahorndecken und echte (!) Palisandergriffbretter besitzen, kommt die Tribute mit einem eingeleimten Ahornhals, die Standard 50s ganz klassisch mit einem aus Mahagoni.

Gänzlich verzichtet hat Gibson bei der Tribute auf Randeinfassungen, immerhin nutzt man die Schnittkante der Decke als Fake Binding. Hier wie dort wurden die Hälse mit kurzen Füßen eingeleimt (Short Tenon), die in den Fräsungen der Hals-Pickups daher nicht zu sehen sind. Als Griffbrettmarkierungen dienen Trapez-Inlays aus Acryl mit leicht abgerundeten Spitzen und weiße bzw. schwarze Sidedots.

Gibson Les Paul Tribute STB Standard 50s Gold Top - 2
Halsfuß Les Paul Tribute (Bild: Dieter Stork)

Überrascht hat mich das Profil der jeweils 22 passabel bearbeiteten Bünde: Im Gegensatz zum üblichen Jumbo-Trend kommen bei beiden Modellen eher flache schmale Bünde zum Einsatz, auch wenn Gibson sie als Medium Jumbo bezeichnet. Die gewohnten Micarta-Sättel mussten weißen GraphTechs weichen, was durchaus als Verbesserung zu werten ist. Während die String Spacings präzise gekerbt wurden, gibt es hinsichtlich der Kerbenabrichtung noch Nachbesserungsbedarf, da die Höhen einzelner Saiten variieren.

Die traditionell mit schwarzem Furnier versehenen Kopfplatten tragen präzise und geschmeidig agierende Kluson-style Gibson Deluxe Tuner mit Tulip-Knöpfen. Zum Lieferumfang der Standard 50s zählt eine zusätzliche Trussrod-Abdeckung ohne Gravur, während der Tribute eine cremefarbene U-Scheibe für den Pickup-Schalter beiliegt, die bei Bedarf montiert werden kann.

Selbstverständlich hat man beide Gitarren mit Tune-o-matic-Stegen und klassischen Stoptails bestückt, die Tribute mit einer Nashville-, die Standard mit einer ABR-1- Bridge. Die Stützen werden nicht mehr direkt in die Decke geschraubt, sondern sitzen in eingelassenen Metallhülsen.

Oberkante bündig eingelassene Kunststoffdeckel verschließen die Kammern von Elektrik und Toggle Switches. Alle elektrischen Komponenten der Tribute treffen sich auf einer Platine mit Steckkontakten und Kondensatoren, während die der Standard auf einem Blech handverlötet wurden. Hier sind sogar Orange-Drop-Kondensatoren am Start. Die Klinkenbuchsen werden von cremefarbenen Zargenplättchen getragen, Vintage- bzw. große Aluknöpfe sichern den Gurt.

Die Wandlung der Saitenschwingungen übernehmen bei der Tribute 490R- und 490T-Humbucker, bei der Standard Burst-Bucker 1 und 2. In beiden Fällen werden sie mit solidem Dreiweg-Toggle, zwei Volume- und zwei Tone-Reglern verwaltet. Position Pointers sucht man bei der Tribute vergebens.

Gibson Les Paul Tribute STB Standard 50s Gold Top - 2
Reglerknöpfe Les Paul Tribute (Bild: Dieter Stork)

… und action!

Ich persönlich liebe leichte Les Pauls, sofern sie nicht leichtgebohrt oder chambered, sondern aus leichten resonanzfreudigen Hölzern gebaut wurden. Konzentriert man sich auf das reine Gewicht, fährt die Tribute natürlich Pluspunkte ein, während die Goldtop recht heftig am Gurt zerrt. Trotz Weight Relief der Tribute gibt es in beiden Fällen weder am Gurt noch auf dem Bein Balanceprobleme.

Von Halsstärken und -profilen abgesehen, wurden aus ergonomischer Sicht traditionelle Les Pauls nie Modifikationen unterzogen (außer Les Paul Access), auch wenn der etwas kleinere Halsfuß der Tribute die höchsten Lagen leichter zugänglich macht. Bei nahezu identischer Breite besitzt der Hals der Standard 50s zwar das kräftigere Profil, beide liegen jedoch richtig angenehm und stressarm in der Hand. Gleichzeitig bietet das Satin Finish des Ahornhalses besseren weil holzig wärmeren Grip.

Die für heutige Verhältnisse relativ niedrigen und schlanken Bünde lassen sich vorzüglich bespielen und minimieren zugleich Stimmungsprobleme bei tieflagigen Akkorden mit leer schwingenden Saiten. Die dank der Position Pointers höher positionierten Reglerknöpfe der Goldtop lassen sich komfortabler handhaben als die der Tribute.

Schwingungstechnisch liegen unsere Protagonistinnen gar nicht so weit auseinander. Wenngleich die Goldtop etwas intensiver und damit auch spürbarer resoniert, hat die Tribute beim Sustain die Nase leicht vorn. Beide tönen klar, spritzig und ausgewogen mit fein auflösenden Akkorden, die Standard 50s klingt lauter mit mehr Fundament, die Tribute drahtiger und obertonreicher. Auch wenn die Saiten der Goldenen mehr Masse bewältigen müssen, geben sich beide Les Pauls ausgesprochen dynamisch und vital und setzen variable nuancierte Spielweise und Tonformung vorbildlich um.

Gibson Les Paul Tribute(Bild: Dieter Stork)

Die 490-Humbucker der Tribute zählen nun schon einige Dekaden zum Gibson-Programm und wurden ursprünglich entwickelt, um einen PAF-Typen mit splitbaren und gewachsten Spulen anbieten zu können. Der 490R entlockt dem clean eingestellten Amp warme, runde, gleichzeitig aber auch transparente Sounds mit samtig singenden Höhen und reichem Obertongehalt. Output-mäßig perfekt auf den Kollegen abgestimmt, liefert der 490T am Steg ausgewogene, luftige Klangbilder mit straffen, kompakten Bässen, präsenten, drahtigen Mitten, klaren Höhen und seidigen Obertönen.

Die Kombi beider Humbucker präsentiert sich glockig hell und snappy, perfekt für Rhythmusspiel und Arpeggio-Flächen. Treibt man den Verstärker – direkt oder mittels adäquatem Pedal – in die Verzerrung, überzeugt der 490R mit fetten tieffrequenten Riffs, bluesig singenden Leadsounds, durchweg schöner Transparenz und Differenziertheit, und nicht zuletzt gesundem Durchsetzungsvermögen.

Sein Nachbar 490T glänzt derweil mit fettem Hardrock-Brett und vom Sustain getragenen High-Gain-Leadsounds und reagiert, wie übrigens auch der 490R, äußerst sensibel auf Anschlagsintensität und die Arbeit mit den gleichmäßig und präzise arbeitenden Potis.

Gibson Les Paul Tribute
Position Pointer der Goldtop (Bild: Dieter Stork)

Kommen wir zur Standard 50s Goldtop. Deren BurstBucker 1 und 2 sind Weiterentwicklungen des Classic 57, bei denen auf Wax Potting verzichtet wurde, die Spulen leicht unterschiedliche Wicklungszahlen besitzen und Alnico-2-Magnete mit rauen ungeschliffenen Oberflächen verwendet werden. Während der BurstBucker 2 quasi das Maß aller Dinge ist, hat Gibson dem BurstBucker 1 weniger Wicklungen spendiert, was ihm für die Halsposition mehr Klarheit und Offenheit beschert. So lässt er im Clean-Betrieb warme, bluesige, luftig transparente Klänge ans Ohr dringen.

Der etwas leistungsstärkere BurstBucker 2 am Steg setzt sich dank kraftvoller straffer Bässe, durchsetzungsfreudiger Mitten und klarer offener Höhen nicht nur vorzüglich in Szene, sondern auch im Band-Kontext durch. Mit steigender Anschlagsintensität kann er auch richtig bissig und aggressiv zupacken ohne in den Höhen zu nerven. Treibt man den Amp in den Zerrbereich, bleiben die Klangbilder beider BurstBucker konturiert und definiert, selbst komplexere Akkorde werden präzise abgebildet.

Leadsounds werden nicht nur durch die zunehmende Kompression sondern auch durch das standfeste Sustain der Standard 50s bestens unterstützt. Während der Hals-Humbucker samtweich und warm singende Leadsounds hervorbringt, reicht das Klangspektrum des BurstBucker 2 von seidig säuselnd über fettes Rhythmusbrett bis zu aggressiven Leads, wobei einzelne Töne gerne in ihre Obertöne kippen. So sensibel und dynamisch wie die Gitarre variables facettenreiches Spiel umsetzt, agieren die Volume-Regler, die eine feinfühlige Steuerung von Lautstärke und Verzerrungsgrad erlauben.

Gibson Les Paul Tribute
Vintage Toggle Les Paul Standard 50s (Bild: Dieter Stork)

resümee

Nach der Insolvenz 2018 war die Erleichterung über die Rettung des renommierten Gitarrenherstellers innerhalb der nach wie vor riesigen Gibson-Fangemeinde groß, vor allem in Anbetracht möglicher japanischer oder chinesischer Investoren. Man kann CEO James Curleigh nur wünschen, dass er den Konzern ohne weitere Imageverluste durch die sicherlich nicht einfachen Zeiten bringt. Unsere beiden Premiere-Paulas, die abgesehen von der Sattelabrichtung qualitativ und klanglich absolut überzeugen können, machen jedenfalls Hoffnung.

PLUS
• Sounds
• Dynamik & Sustain
• Spielbarkeit
• Gewicht (LP Tribute)
• Nitro-Finishes
• Verarbeitung (mit Ausnahme s.u.)
• Verhältnis Preis/Leistung

MINUS
• Abrichtung Sättel

Gibson Les Paul Tribute


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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