(Bild: Dieter Stork)
Wenn einer wie Herr Kruspe irgendwelche Gerätschaften lobt, kommt Rumoren in die Gemeinde. O-Ton: „…tolles Gerät, macht echt, echt viel Spaß…, coole Sache.“ Zack, schon ist die mysteriöse schwarze Kiste geadelt. Klar, üble Neugier jetzt. Was da wohl da angeflogen kommt? Normal ist jedenfalls fast nichts da dran.
So ein perfide abgedrehtes Effektgerät dem Rammstein-Gitarrist zu schicken, war ein schlauer Schachzug, denn natürlich kommen neue Produkte über VIPs besonders elegant und schnell zu Popularität. Diejenigen, die das Plasma Pedal zur Welt brachten, sind indes noch jung im Geschäft. Gestartet mit Crowdfunding 2017, ansässig in Riga/Lettland, Erstlingswerk war das Plus Pedal, ein Signal-Sustainer – interessant: hält per Fußsteuerung Klänge quasi bis ins Unendliche fest. Das Plasma Pedal ist noch exotischer, weil es technisch völlig unübliche Wege geht.
3,5kV
Also, es geht im weitesten Sinne um Distortion, die hier aber nicht dadurch erzeugt wird, dass tatsächlich des Signal selbst bearbeitet wird, wie es konventionelle analoge Technik und genauso das digitale Modeling vollziehen. Das Input-Signal fungiert quasi nur noch als Trigger, der das Entstehen einer eigenen im Gerät generierten Distortion auslöst. Und das funktioniert so:
Das Eingangssignal wird umgeformt in eine Impulsreihe unter Anwendung von „Puls-Amplituden-Modulation“ , sodann von einem Transformator umgewandelt, hochgesetzt in den Tausende-Volt-Bereich und dann über eine Xenon-Röhre entladen. Dabei entstehen starke elektromagnetische Wellen, die mit einer speziellen Antenne aufgenommen, dann demoduliert und in ein Audio-Signal zurückgebildet werden. Die physikalischen Phänomene der Entladung enthalten Nebengeräusche, die im positiven Sinne die Markanz des Sounds bereichern sollen.
Auf diesen Prozess hat der Anwender insoweit Einfluss, als er mit dem Regler Voltage den Trigger-Punkt verändern kann – gleichzeitig Treshold für die Auslösegrenze und im übertragenen Sinne Sättigungs-/Intensitätsregelung. Eine Nachbearbeitung des Effektsignals ist mit einem aktiven Zweiband-EQ möglich (Low Freq, +/- 9dB @ 600 Hz; High Freq +/-10dB @ 1500 Hz). Blend stellt als eine Art Wet/Dry-Regler die Balance zum Clean-Signal ein, Volume bestimmt den Pegel des Ausgangssignals.
An der Stirnseite befinden sich die Anschlüsse In, Out und 9VDC (300mA), sowie ein Schiebeschalter, mit dem man entscheiden kann, ob auch das Clean-Signal vom EQ bearbeitet werden soll oder nicht. Der Fußschalter (Tastkontakt) arbeitet nach dem True-Bypass-Prinzip (offenbar Relais-unterstützt, worauf das dezente, hintergründige Knacken im Vorgang hinweist). Eine sehr hell weiß leuchtende LED dient als optische Status-Kontrolle. Zur beiläufigen Ergötzung kann man im Schaufenster oberhalb des Fußschalters sehen, wie die Xenon-Röhre bei anliegendem Signal flackernde Lichtstreifen erzeugt.
Das Plasma Pedal ist mechanisch hochsolide gefertigt. Ein Stahlblechgehäuse, innen modernste SMD-Platinentechnik, alles professionell in seiner Machart. Dementsprechend wirkt es vertrauenserweckend und langlebig haltbar. Noch eine ergänzende Bemerkung zur Information: Die Plasmatechnik bietet Gamechanger Audio auch in einer aufwendigen 19″-Rack-Version an, die mit MIDI, 3-Band-EQ u. a. ausgestattet weitaus variablere Ergebnisse verspricht. Noch exzessiver geht die Euro-Rackversion ans Werk, mit einer ECC83 und Flanger ausgestattet, wie Retro-Synths mit der Option der CV-Steuerung u. a.m.
(Bild: Dieter Stork)
schmelzpunkt
So ungewöhnlich die Technik, so eigenwillig die Performance des Plasma Pedals. Sowohl was die Sound-Ergebnisse angeht als auch den spieltechnischen Umgang mit dem Effekt. Entfernt erinnert die Plasma-Distortion an extreme Fuzz-Pedale. Der Klang ist allerdings auf eine ganz eigentümliche Art noch rauer, sehr harsch, „kaputt“, kratziger, ja, im Timbre stets aggressiv. Auch weil permanent hochfrequent brizzelnde Artefakte willkürlich die Plasma-Verzerrungen kolorieren.
Massiv, mächtig im Höreindruck, eine „Wall-of-Sound“, die Power-Chords zu fundamental archaischer Gewalt verhilft. Die Distortion kennt aber nur ein einziges Dynamik-Niveau. Ausdrucksstarkes Spielen muss hier anderen Regeln folgen als gewohnt. Denn die Anschlagsintensität und -art berücksichtigt das Plasma Pedal nur sehr begrenzt. Die Klangmerkmale unterschiedlicher Instrumente kommen kaum zum Tragen – man könnte fast sagen, dem Pedal ist es egal wer spielt, es klingt immer gleich.
Eine synthetisch wirkende Sound-Aura breitet sich so aus. Nicht unähnlich der HEX-Distortion aus den Gitarren-Synthies von Roland mit ihrer irgendwie kippeligen Intonation (GR-300, man denke an King Crimson, Robert Fripp, Adrian Belew).
Selbst bei genau kontrolliertem Anschlag führt das Plasma Pedal ein Eigenleben, wegen der Artefakte und der im Klang ständig changierenden Verzerrungen – bei Einzelnoten besonders auffällig. Das sollte man positiv sehen, weil daraus eine interessante Lebendigkeit im Sound resultiert. In Spielpausen macht das Pedal schlagartig dicht, ein Nebenprodukt der Xenon-Übertragung, das wie ein Noise Gate genutzt werden kann.
Genauso hart und plötzlich wie er geht, kommt der Sound nach dem Anschlag hoch. Diesen „Effekt“ kann man sich zu Nutze machen und daraus Staccatos erzeugen. Eine gewisse Instabilität liegt in diesem sensiblen Attack-Verhalten natürlich auch. Komplexere Akkorde werden harmonisch dargestellt, die Noten ertönen dabei leicht verdeckt, wie in einer zweiten Ebene hinter dem Vorhang der dominierenden Zerranteile. Gewagt, das bei konventionellen, traditionellen Rock-Musiktiteln und Artverwandtem einzusetzen.
In bösen Atmosphären des Rock oder Metal findet das Plasma Pedal dagegen bestimmt viele Plätze, an denen es willkommen ist und sich „künstlerisch“ wertvoll verwirklichen kann. Jedenfalls dürften es in der Hauptsache experimentell veranlagte Gemüter sein, die dem eigenwilligen, eindimensionalen Sound etwas abgewinnen können. Der richtige Moment, um die Themen Ausdrucksstärke und Musikalität erneut aufzugreifen.
Beides gewinnt beim Plasma Pedal – während die Spielweise wie gesagt eine untergeordnete Rolle einnimmt – wenn man sich abseits ausgetretener Riff-Pfade bewegt. Ähnlich wie bei Octave-Fuzzes entsteht viel Reiz im Klang durch Zwei- /Drei-Noten-Intervalle, gerne auch mit großem Abstand (große Septime, große Sexte usw.). Einzelnoten wirken besonders eindrucksvoll, wenn man sie mit Hall und/oder Delay anreichert. Stark und eindrucksvoll agiert das Plasma Pedal bei tiefen Noten, weil die ein so sattes Fundament legen wie (analoge) Bass-Synthies.
Eine interessante Anwendung ist auch, die Plasma-Klangfarbe mit konventioneller Distortion parallel (!) zu mischen um damit zum Beispiel Durchsetzungskraft und eine spezielle Prägnanz von Gitarrenspuren zu erreichen.
Bei der Abstimmung des Sounds ist der 2- Band-EQ ein effektives Tool. Eben weil Low-Frequency nicht nur schnöde die Bässe um 100 Hz dosiert, sondern tatsächlich ein Tiefmittenregler ist, der nachhaltig auf das Volumen des Tons einwirkt. Auf der anderen Seite dosiert High Freq effizient den Biss und die Schärfe, was – nebenbei bemerkt – auch notwendig ist, angesichts der „fiesen“ Attitüde des Plasma Pedals.
(Bild: Dieter Stork)
resümee
Im Plasma Pedal erlebt der Gitarrenton eine radikale Metamorphose. Hart, „böse“, schneidend offensiv, energischer und gewalttätiger kann Distortion kaum sein. Im Sound schwingt prägend eine synthetische Komponente, Variabilität im Charakter ist nur geringfügig gegeben. Daraus ergibt sich letztlich zweierlei: Das Plasma Pedal ist auf der einen Seite hochspannend, weil neu, faszinierend und absolut einzigartig im Sound, auf der anderen Seite fragt sich, wie lange sein in Gleichförmigkeit behafteter musikalischer Nährwert anhalten wird. Davon abgesehen ist es grundsätzlich sehr empfehlenswert und erreicht angesichts der hochwertigen Substanz und Verarbeitung ein gesundes Preis-/ Leistungsverhältnis.
PLUS
• äußerst markanter Sound
• effizienter 2-Band-EQ
• sehr geringe Nebengeräusche
•Verarbeitung/Bauteile-Qualität
MINUS
• wenig Variabilität im Klang
Hinweise zu den Soundfiles:
Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, das C414 von AKG, nahe platziert vor einem Celestion Vintage30 in einer konventionellen 4×12-Box. Den Grundsound lieferte der Clean-Kanal meines Diezel VH2-Head.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T (EMG-aktiv, aber m. passivem Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).
Die Verzerrungen des Pedals sind krass, allein schon wegen der beißenden Höhen. Außerdem braucht das Signal eine minimale (Latenz-) Anlaufzeit nach dem Attack. Mischt man das Plasma-Signal mit dem Clean-Anteil so kommt letzteres zunächst allein quasi als Attackpeak zu Ohren. Wegen der Anlaufzeit und der gerne im Moment des Attacks etwas „krümeligen“, instabilen Ansprache wirken zuweilen Passagen, die timing-fest gespielt sind, labil, wie unpräzise gespielt.
Die Soundclips sprechen ansonsten für sich selbst. Nur dies zur Erklärung: Sustain in Clip 6 meint „Ausklingphase“ – an deren Ende hört man wie mit dem Abnehmen der Signalstärke die Plasma-Distortion nicht mehr getriggert wird und sie brüchig und dann abrupt verendet.
Ich wünsche viel Vergnügen! Wenn möglich, bitte laut anhören – über Boxen, nicht Kopfhörer! 😉
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie immer stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)