Neue Besen kehren gut

Test: Friedman BE 100 Deluxe

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Friedman BE 100 Deluxe Front(Bild: Dieter Stork)

Dave Friedman modifiziert nicht nur seit über fünfundzwanzig Jahren die Amps von Stars wie Steve Stevens, Jerry Cantrell, Phil X und vielen mehr, er ist auch bedeutender Teil der aktuellen Amp-Designer-Elite. Ganz frisch aus den USA eingetroffen ist sein neuestes Baby, der BE 100 Deluxe.

Der BE 100 Deluxe ist ein klassischer 3-Kanal-Gitarrenverstärker auf Basis eines Marshall Plexi. Nicht nur der von Friedman gewählte Offset-Chassis-Look, die goldenen Potiknöpfe und die orangene Pilot-Lamp sondern ebenfalls die Platzierung des goldenen Keders auf der Front des Verstärkers weisen ganz dezent darauf hin, dass Dave eine ausgeprägte Affinität zu Jim Marshalls ursprünglichem JTM45 Offset Design, aber auch zu 1959 Super Lead Amps und zum JCM800 hat.

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Der neue Friedman sieht wirklich edel aus und schafft es mit diesen klassischen Designelementen, eine Brücke zu schlagen zwischen den Jahren 1962 und 2019. So schön die technische Optik des BE 100 Deluxe auch sein mag, die wirklich sehr umfangreichen Bedienelemente des Amps mussten vermutlich teilweise auf die Rückseite des Verstärkers gelegt werden, damit dieser zeitlose Look nicht leidet.

Knöpfe, Schalter und noch mehr Schalter

Aber von vorne! Sowohl ein Mastervolume Regler – beim BE 100 Deluxe nennt sich dieser „System Volume“ – als auch Presence- und „Thumb“-Regler, wie auch die üblichen Treble, Middle, Bass, Gain und Volume Regler der drei Kanäle befinden sich leicht zugänglich auf der Vorderseite. Pragmatisch gelöst ist auch, dass sich Kanal zwei und drei gemeinsam einen Equalizer teilen, aber jeweils eigene Gain- und Volume-Regler haben.

Dem ersten Kanal hat Friedman jedoch einen völlig eigenständigen Drei-Band-Equalizer gewidmet. Soweit so gut. Das Panel ist trotz der gehörigen Anzahl von fünfzehn Potentiometern zunächst einmal relativ leicht überschaubar und verhältnismäßig gut ablesbar. Jetzt geht’s allerdings ans Eingemachte, denn der Amp hat eine ganze Reihe an kleinen Schaltern, die sowohl zum Abstimmen der drei Kanäle untereinander, als auch zum Feintuning des Gesamt-Sounds des Verstärkers gedacht sind. Neben dem Kanal-Wahl-Schalter, mit dem man auch ohne angeschlossenen Fußschalter manuell zwischen den Kanälen HBE (Hairy Brown Eye) und BE (Brown Eye) als auch dem Clean-Channel hin- und herschalten kann, wurde Letzterem ein dreistufiger Bright Switch und den HBE/BE-Kanälen ein dreistufiger Voice-Schalter spendiert.

Als wäre das noch nicht genug, hat Friedman dem Amp noch jeweils einen dreistufigen „Freq“-Schalter und einen ebenfalls dreistufigen „Response“-Schalter zur Beeinflussung der Wirkungsweise des „Thumb“-Reglers und der negativen Gegenkopplung zugedacht. Somit ergeben sich für jeden der drei Kanäle schon rechnerisch drei mal drei mal drei – siebenundzwanzig!!! – Optionen, wie man den jeweiligen Kanal „beschalten“ kann. Auweia! Bei dieser Betrachtungsweise habe ich wohlgemerkt noch immer keinen einzigen Regler eingestellt, sondern nur und ausschließlich kleine Schalter auf der Frontseite bedient und es tut sich ganz enorm etwas bei jedem …

Das dicke Ende

Ein Blick auf die Rückseite des BE 100 Deluxe offenbart zudem eine Armada aus weiteren kleinen Schaltern. Hier befinden sich neben Kaltgerätestecker-Anschluss, den On/Off- und Standby-Schaltern, dem seriellen Einschleifweg, dem Impedanzwahlschalter und den beiden dazugehörigen Lautsprecherausgängen und selbstverständlich der Anschlussbuchse für den mitgelieferten Zweifach-Fußschalter, nochmals jeweils ein zweistufiger FAT-Schalter für den Clean Kanal, als auch ein weiterer FAT-Schalter für die beiden Overdrive-Kanäle. Daneben ein mit „C45“ beschrifteter Schalter, der eine kleine Modifikation in der Ansprache der HBE- und BE-Kanäle erlaubt, gefolgt von einem Saturation-Switch, mit dem sich die Sättigung der Endstufe von supertrocken à la JCM 800 auf fast schon Zener-Clipping-Hairmetal-mäßig umschalten lässt und einem weiteren dreistufigen „Gain Structure“ Schalter für die beiden Overdrive Kanäle. Puh.

Friedman BE 100 Deluxe innen(Bild: Dieter Stork)

Bevor ich jedoch auch nur einen einzigen Ton spiele, quält mich ein Verdacht und ich greife zum Schraubendreher. So viele Optionen und Schalter und dennoch ist der BE 100 Deluxe handverdrahtet? Ein Blick unter die Haube entlarvt hier, dass Dave sein Werbeversprechen schon einhält, aber nicht auf ganz klassische Art und Weise. Der Amp wurde sehr wohl auf Basis von „Printed Circuit Boards“ gebaut. Diese PCBs (drei an der Zahl) sind allerdings mit großen Bauteilen von Hand bestückt. Keine Mikrotechnik, kein Ärger bei Reparaturen und ausschließlich hochwertige Kondensatoren und Widerstände. Um die Boards herum ist mit wunderschöner „Handschrift“ frei verdrahtet worden, auch am Röhrensockel. Der Nerd in mir lacht – Alpha Potis. Ein gesünderer Kompromiss aus klassischer Bauweise und moderner Technik mit Qualitätsbauteilen ist mir kaum bekannt. Das lassen wir mal gelten.

Fett, fetter, BE 100 Deluxe

Wie klingt er denn jetzt? Das ist angesichts der Tatsache, dass man den „Hairy Brown Eye“- und den „Brown Eye“-Kanal alleine mit den kleinen Schaltern auf jeweils 648 verschiedene Arten einstellen kann, nicht anders zu beantworten als mit: „So wie du willst.“

Statt jetzt alle Möglichkeiten genauer anzusprechen, bleibt mir im Rahmen dieses Testberichts wohl nur, etwas abstrakter an das Thema heranzugehen. Hier mein Versuch: Selbstverständlich klingt der Plexi-Kanal wahlweise mal mehr nach Marshall JTM45, mal mehr nach 1959 Super Lead oder auch nach JCM 800. Allerdings wirkt der Friedman immer etwas kultivierter, weicher, weniger bissig, stumpfer – wenn man so will. Das letzte kleine Bisschen Offenheit und Obertonspektrum fehlt ihm hier im Direktvergleich zu besagten Marshall Amps schon. Das generelle Voicing des Kanals ist professionell pragmatisch, und das meine ich durchweg positiv. Was mir nämlich auffällt, ist, dass es mir im Verlauf des Tests schwergefallen ist, wirklich unmusikalische, schlecht klingende Einstellungen zu finden. Der Kanal ist unglaublich gutmütig abgestimmt.

Friedman BE 100 Deluxe Rückseite(Bild: Dieter Stork)

Nun zu Kanal zwei und drei. Die beiden Overdrive-Kanäle sind sich grundsätzlich ähnlich. Einmal „modern low-gain“ im BE-Kanal und dann „vintage high-gain“ im HBE-Kanal. Es stellte sich für mich anfangs die Frage, ob der geteilte Drei-Band-Equalizer in der Praxis ein Problem darstellen wird. Hierzu kann ich ganz beruhigt feststellen, dass hier der Spagat zwischen Flexibilität und Bedienbarkeit vorbildlich getroffen wurde. Ich habe zu keiner einzigen Sekunde das Gefühl gehabt, dass ich es jetzt doch viel besser finden würde, hätte der BE 100 Deluxe einen weiteren EQ um die beiden Kanäle getrennt voneinander einstellen zu können.

Die Möglichkeiten zum Feintuning der Kanäle durch die zahlreichen kleinen Schalter reichen vollkommen aus. Hat der Amp genug Gain? Jep. Selbst mit einer 1952er Telecaster lässt sich hier ganz prima Modern-Rock und Metal realisieren. Das Gain reichte selbst mit einem sehr leicht gewickelten fünf (!) Kilo-Ohm-Stegtonabnehmer immer noch aus, um tragfähige Leads spielen oder auch extrem tighte Rhythmusgitarren anbieten zu können. Das Geheimnis ist der Saturation-Schalter auf der Rückseite. Einmal in die richtige Position umgelegt, wird die Kiste zum Gain-Monster. Der Einschleifweg funktioniert so, wie man es von Friedman erwartet: tadellos und klangneutral. Den grundlegenden Eigenklang des Verstärkers bei all den Optionen verorten zu wollen ist schwierig. Dieses Chamäleon kann zwischen „Plexi ohne allerhöchste Höhen“ und „Diezel Herbert mit ordentlich Schmiere“ so ziemlich alle Ausrichtungen annehmen. Der Friedman will kein Fender, Vox oder Mesa Boogie sein – er ist im Kern der Sache ein modifizierter Marshall. Am ehesten würde ich mal „Bogner XTC mit dickem Arsch“ in den Raum stellen. Das darf man so aber natürlich nicht schreiben 😉 Das wichtigste ist: Er trifft die richtige Mitte – mit dem BE 100 Deluxe wird man vermutlich nur sehr selten nicht gut hörbar sein, wenn Bassist und Schlagzeuger einsetzen und der Amp klingt sehr „komplett“ und ausgewogen.

Friedman BE 100 Deluxe(Bild: Dieter Stork)

Bei aller Flexibilität gibt es selbstverständlich Grenzen. Jazz und Extreme-Metal würde ich lieber mit anderen Amps spielen, denn hierzu ist der BE 100 Deluxe einfach zu klassisch, Marshall-artig, rockig abgestimmt. Der Amp komprimiert das Attack sehr gut, bindet ab und klingt eben nicht analytisch. Genau so erwarte ich es allerdings auch von einem Friedman-Verstärker.

Alternativen

Aus dem Hause Friedman gibt es selbstverständlich einige abgespeckte Alternativen. Da wären der BE 50 Deluxe, der normale BE 100 und der Small Box Amp. Alle drei sind artverwandte Verstärker mit ähnlichem grundsätzlichen Klangcharakter. Sehr ähnlich ist tatsächlich auch der Bogner Ecstasy 101B, allerdings hat dieser ein offeneres Obertonspektrum und weniger Tiefbass als der BE 100 Deluxe und sitzt daher ganz anders im Mix.

Nicht unähnlich sind auch Diezel VH4, Herbert und Hagen. Alle drei Amps schmieren wesentlich weniger, klingen daher moderner, komprimieren aber ähnlich in den Tiefmitten.

Als Budget-Alternative drängt sich der Marshall JVM 410H auf, allerdings ist der Friedman BE 100 nicht nur preislich in einer ganz anderen Liga, als dieser Marshall. Der Vergleich hinkt.

Resümee

Im direkten Vergleich mit Referenzverstärkern stellt sich der Friedman BE 100 Deluxe nicht weit hinten an, sondern reiht sich galant in meine – völlig subjektive – „Top Five der besten Amps, die man für Geld kaufen kann“ ein. Irgendwo zwischen Diezel, Fryette und Larry findet sich dort noch ein Platz für den Friedman. Selten wurde im Spagat aus klanglicher Flexibilität, Musikalität des Signals und der Ortbarkeit des Instrumentes im Band-Mix ein besserer Kompromiss gefunden.

Plus

  • Weltklasse-Verstärker auf allerhöchstem Niveau
  • Flexibilität
  • komplexe Bedienung mit dennoch hohem Spaßfaktor

Minus

  • Bedienelemente teilweise auf der Rückseite

Übersicht Friedman BE 100 Deluxe


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2019)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Das sieht alles nach gut geplanter Produktion aus.
    Ich bleibe aber bei meinem CREAM MK II JTA-45 aus der
    deutschen Produktion, ein echter Röhren-Amp 50 Watt Sinus,
    in Verbindung mit dem VOX ToneLab SE habe ich alle
    Effekte zur Verfügung, wenn ich sie denn mal brauchen
    würde. Der Cream liefert excellenten Clean-Sound, aber
    auch british Sound-Feeling und überzeugend druckvollen
    Rock über alle Tonhöhen, ohne auf die hörbar lebende
    Seele zu verzichten… Vorausgesetzt, die Gitarre hat gutes
    Holz und beste Pick-Ups…

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