Mit dem Modell Embrace Worntage ’58 legt Frank Hartung wieder einmal eine tolle Arbeit auf den Tisch. Ganz bei sich selbst bleibend greift er kurz mal zurück auf die grundlegenden Ursprünge der E-Gitarre. Das Vintage Appeal einer 50s Les Paul, mehr Zitat als Kopie, leichtfüßig kombiniert mit seinem eigenen charaktervollen Embrace-Design, ist nicht nur optisch überzeugend, sondern auch ein eleganter Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne.
Frank Hartung baut seine Gitarren im thüringischen Langewiesen, das liegt keine 50 km südlich von Erfurt. Exquisite Instrumente für Individualisten, gefertigt aus einer Hand mit ausschließlichem Einsatz von High-End-Materialien, die nicht nur optischen Belangen, sondern auch höchsten spielpraktischen Ansprüchen gerecht werden wollen. Danke an Ralf Schalck von ‚Lead Guitars‘ in Potsdam für die Bereitstellung des Testinstruments.
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abgeklärt & modern
Keine Frage: bei einem Singlecut-Design der vorgelegten Bauweise mit eingeleimtem Hals muss es sich um eine Mahagonikonstruktion handeln. Erwartungsgemäß finden wir bei der Embrace ’58 eine Korpusbasis aus Mahagoni von 3,5 cm Stärke, der eine gewölbte Ahorndecke von gut 13 mm Stärke aufgesetzt wurde. Die charakteristische Linienführung der markanten, von den Schultern über die Taille hinaus in die Decke hineingeführten Konturen, betont durch die natürlich belassenen Außenkanten, ist ein Merkmal der Hartung-Designs.
Als sehr gelungen muss man das Aging der gesamten Gitarre, aber insbesondere dieser matt schimmernden und mit wunderbarem Weatherchecking überzogenen schwarzen Decke, bezeichnen. Eine Abflachung des Bodens im Anlagebereich genügt dann noch modernen Anforderungen an den Spielkomfort. Für die Abdeckungen der Elektrofächer fand Frank toll gemasertes Makassar-Ebenholz.
Der Hals aus Mahagoni ist mit langem, im Übergang leicht abgerundet gestaltetem Halsfuß in den Korpus eingeleimt. Er bekam ein aufsteigend flacher werdendes Griffbrett (Compound Radius 9,5″- 12″) aus Zirikote mit Bindings aus Vogelaugenahorn aufgesetzt, das 22 penibel bearbeitete Medium Jumbobünde und Crown Inlays aus Celluloid beherbergt. Der über eine Volute abgewinkelte, mit zweiteiligen Auflagen aus Ebenholz stilvoll gestaltete Kopf ist mit Grover-Deluxe-Mechaniken ausgestattet. Über einen Sattel aus Knochen laufen die Saiten in 635 mm-Mensurläge (!) hinüber zur Tune-o-matic Bridge mit Alu Stoptail.
Die elektrische Ausstattung umfasst zwei in schwarze Rähmchen und gebürstete Kappen gesetzte Custom-Humbucker, gewickelt von Frank Hartungs Hauslieferant Ray Gerold. Geschaltet wird konventionell mit Dreiwege-Toggle, verwaltet mit individuellen Volume- und Tone-Reglern. Bonus ist die in den oberen Tone-Regler integrierte Split-Funktion zur Trennung der Spulen des Hals-Pickups (Push/Pull). Das schon erwähnte Aging umfasst auch alle sorgfältig künstlich gealterten Metallteile (silver aged). Hinter diesem vorgetäuschten Verschleiß verbirgt sich, wie stets bei Hartung, hohe Handwerkskunst, die ganz generell in jedem Detail seiner Arbeit zu finden ist. Ein Custom Case und ein Zertifikat gehören zum Lieferumfang.
praxis
Die Kunst des Gitarrenbaus setzt konstruktive und materialtechnische Kenntnisse, wie natürlich auch besondere handwerkliche Fertigkeiten voraus. Entscheidend bleibt am Ende aber immer das Gespür des Luthiers für die tonbildende Komposition, das Zusammenführen von Komponenten, die sich zu einem stimmigen Ganzen fügen, zur harmonischen Verbindung von Funktion und Klang.
Die Worntage ’58 wartet in diesem Sinne mit vorbildlichen Eigenschaften auf. Die Gitarre bekam namensgemäß ein durchaus fett gerundetes Halsprofil verpasst, das aber ausgesprochen griffig in die Hand fällt. Die perfekt gemachte und gratfrei abgerichtete Bundierung setzt dem dann nur noch das Sahnehäubchen auf. Die im Verhältnis zu einer Les Paul etwas längere Mensur (635 mm) sorgt für leicht strafferen Saitenzug, was sich hervorragend anfühlt. Der Punkt Funktion ist aus spieltechnischer Sicht also schon einmal optimal gelöst, bleibt die Frage nach dem Klang.
Auch in Sachen Tonentfaltung und -substanz enttäuscht die Worntage nicht! Schon akustisch angeschlagen erweist sie sich als schwingintensiv und dynamisch wendig. Mit sauberer stimmlicher Spreizung im Akkord vermittelt sie einen trockenen, Holz atmenden Ton, der uns neugierig auf die elektrische Umsetzung macht.
Die Custom-Humbucker von Ray Gerold sind auf differenzierte moderne Anwendungen hin gewickelt. Beim Hals-Pickup (7,4 kOhm) haben wir es mit einem PAF-Nachkommen zu tun, der Humbucker am Steg (12,8 kOhm) ist mit höherem Output etwas mehr auf härtere Einsätze ausgerichtet. Bei klar eingestelltem Verstärker übersetzt der Hals-Humbucker Akkorde volltönend mit ausgeglichener Stimmlichkeit und guter Durchsicht. Harfenähnlich rollen Mehrklänge ab, zeigen Transparenz und Substanz, aber nicht unbedingt letzte Vintage-Sweetness. Die Tonfarben sind etwas moderner, sprich kühler ausgerichtet, aber für viele Stilistiken wird das der treffende Sound sein.
Im Zerrmodus erweist sich der voll und dennoch konturiert artikulierende Basstonbereich dann als beste Grundlage für knochige Powerchords und dunkle Riffs. Singende Lead-Sounds lassen sich effektiv inszenieren und farblich über den Tone-Regler facettenreich gestalten. Gehaltene Noten schwingen lang und ebenmäßig aus. Auf den differenzierten Anschlag reagiert die Gitarre schnell und wendig, spieltechnische Facetten werden 1:1 umgesetzt.
Ziehen wir den oberen Tone-Regler (Push/Pull Coil Split), so kommt über die einzeln aktivierte Spule ein schlanker drahtiger Ton zum Ohr, der aber nicht zu stark abfällt und mit angenehm kehligem Singlecoil Flair in allen Betriebsarten zu überzeugen weiß.
Wechseln wir auf den Steg-Pickup, so überrascht der verbaute Gerold-Custom-Humbucker mit guten Höhen, die ihn trotz seines angehobenen Outputs auch für die Abteilung Clean als unbedingt geeignet ausweisen. Natürlich sind die Mitten gut ausgebaut und die Bässe nicht ausgeprägt konturstark, aber damit ist im Klarklang dennoch gut arbeiten. Im Overdrive komprimiert der Ton dann nicht zu stark, drückt gut aus der Mitte heraus und lässt farbstarke Obertöne ins Leben. Die trockene, holzgetränkte Tonsubstanz dieser Gitarre wird optimal umgesetzt, gehaltene Noten schwingen lang und ebenmäßig aus. Auf das variabel eingesetzte Plektrum reagiert das Instrument mit perkussiv markantem Attack-Verhalten, Tonformung und dynamische Artikulation sind mit diesem substanzreichen Ton also echt kein Problem.
Da der Kombination beider Pickups dank Coil-Split-Funktion zwei weitere attraktive Sounds abzugewinnen sind, kann man der Worntage ’58 im Verhältnis zum zitierten Gibson-Modell auch noch eine deutlich erweiterte klangfarbliche Flexibilität zugestehen.
resümee
Frank Hartung weist mit dem retro-modernen Modell Embrace Worntage ’58 wieder einmal hohe Meisterschaft im elektrischen Gitarrenbau nach. Das aus besten Materialien detailreich gebaute Instrument bietet mit perfekt gemachtem Aging aber nicht nur einen famosen Look, sondern spielt sich jenseits aller Anlehnung an alte Les-Paul-Seligkeit natürlich auch noch höchst komfortabel. Mit aktualisierter Einrichtung – Anlagebucht am Boden, 635 mm Mensur, fetter Hals mit ahorngebundenem Griffbrett, blitzsaubere kantenglatte Bundierung, abgeglichener Halsstock für verbesserten Zugang zu den hohen Lagen – bewegen wir uns in der definitiven Komfortzone.
Darüber hinaus wartet die schwingintensive Konstruktion mit zweifelsfrei hochklassigen Sounds auf, die von Ray Gerolds Custom-Pickups griffig ins elektrische Bild gesetzt werden. Neben den starken Sounds der konventionellen Schaltstellungen erweitert die Coil-Split-Funktion des Hals-PUs das Klangarsenal auch noch um gut klingende Alternativen. Tolle Arbeit – Hut ab!