Saddle up the Palomino!

Test: Fender Palomino Vintage SSB

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(Bild: Dieter Stork)

Kalifornische Sixties-Vibes treffen auf modernen Gitarrenbau – so die Strategie des berühmten Herstellers von der Westcoast. Und Leo Fender hat der Menschheit eben nicht nur Teles, Strats, Precis, Bassmans und Princetons beschert, nein – er hat schon Mitte der 60er-Jahre (teilweise zusammen mit Roger Rossmeisl) auch zeitgemäße, trendige Acoustics erdacht. Den Spirit dieser Epoche greift die Fender Co. mit den Palomino-Modellen auf und verpasst den Instrumenten gleichzeitig einen modernen Zuschnitt.

60s REVIVAL

„Hübsche Gitarre!“ … entfährt es mir bei erster Betrachtung nach dem Öffnen des stabilen Koffers. Wir haben es mit einem Auditorium-Format aus der Fender-eigenen Historie zu tun. Der Korpus hat in etwa die Größe eines Triple-0-Modells, ist aber weniger stark tailliert und holt sich Volumen über eine gute Zargentiefe von 9-12 cm. Ausschließlich massive Hölzer wurden hier verbaut – Sitka-Fichte für die Decke, Ovangkol für Zargen und Boden.

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Und auch bei der Deckenbeleistung geht Fender eigene Wege: Das Performance-X-Bracing soll dem Ton auf die Sprünge helfen. Der Korpus macht optisch – mit dem schönen Sunburst-Finish, dem elfenbeinfarbenen Binding und dem altweißen Schlagbrett – wirklich was her. Auch der Steg fällt ins Auge … Vintage Viking nennt Fender das, ich hätte ihn vielleicht eher „Moustache“ getauft ?. Die Saiten ruhen hier auf einer kompensierten Stegeinlage aus Knochen.

Man kann bisweilen auch ein Original-Modell finden. Bei einem bekannten deutschen Vintage-Händler ging z.B. eine 1968er Palomino für € 1500 über den Ladentisch. (Bild: Fender)

Sehr viel „Fender“ steckt auch im Hals. Er ist aus Okoume, am 14. Bund angesetzt und mit einem recht deutlich spürbaren V-Profil versehen, was an die E-Gitarrenhälse des Herstellers erinnern soll. Tut es! Das Griffbrett aus Ovangkol bringt mit seiner weißen Einfassung und den Block-Inlays viel 60s-Spirit mit ins Spiel. Und dann ist da natürlich noch die Kopfplatte in Strat-artiger Form. Sechs Tuner in Reihe – das haben nicht viele Acoustics zu bieten. Die Stimmwirbel sind mir allerdings viel zu strahlend weiß, das passt nicht zu den Elfenbein-Farbtönen an anderer Stelle.

Anders als bei den Fender-E-Gitarren, ist hier die Kopfplatte konstruktionsbedingt nach hinten abgeschrägt. Ungewohnt, aber notwendig. Die Saiten laufen relativ gerade über den Knochensattel zu den mittig geschlitzten und gelochten Vintage-Mechaniken, wo man die passend abgeschnittene Saite nur reinstecken muss und dann stressfrei stimmt. Locking-Mechaniken hin oder her – das hier funktioniert. My favorite kind of tuner! Die Palomino ist auch gut für den Bühneneinsatz gewappnet.

(Bild: Dieter Stork)

Für’s Spielen im Stehen sind zwei Gurtpins angebracht und es ist ein Fishman Sonitone Plus Pickup-System an Bord. Dies besteht aus einem Piezo-Pickup unter der Stegeinlage und einem Body-Transducer. Die beiden Signale lassen sich mittels zweier Rädchen am Schalllochrand – Volume und Blend – mischen und aufeinander abstimmen. Das Endergebnis wird am hinteren Gurtpin, der auch Klinke-Output ist, herausgegeben. Die 9-V-Batterie zur Versorgung des Ganzen ist im Korpusinneren in einem Täschchen am Halsfuß platziert.

Feeling, Sound und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

GOOD VIBES

Die Palomino wirkt schön kompakt, wenn man sie auf dem Schoß hat. Was das Halsprofil angeht … da hole ich mal schnell meine Clapton-Strat zum Vergleich. Die beiden V-Shapes haben wirklich große Ähnlichkeit. Und wenn man (wie ich) ein Freund dieses Zuschnitts ist, fühlt man sich mit der Palomino gleich vertraut.

Bei den ersten Akkorden macht die Auditorium-Steelstring nochmal unmissverständlich klar: Ich bin aus massiven Hölzern gefertigt. Soll heißen, der ganze Korpus schwingt und resoniert aufs Allerfeinste. Der Sound kommt perfekt ausgewogen, sonor, abgehangen, trocken und vollmundig zu Gehör – das hat Qualität. Dementsprechend spielen auch Sustain, Dynamik und Ansprache auf hohem Niveau. Dank der guten Werkseinstellung von Saitenlage und Intonation ist das Spielen auf der Palomino reiner Spaß. Beste Allrounder-Qualitäten zeigen sich bei verschiedenen Solo- und Rhythmustechniken mit Plektrum, Fingerpicks, Kapodaster und Bottleneck.

Über Anlage gespielt erhält man schon nur vom Piezo-PU einen tadellosen Basis-Sound. Mischt man dann den Transducer dazu, geht richtig die Sonne auf – der Klang wird lebendiger, natürlicher, dreidimensional. Dank völliger Feedback-Unempfindlichkeit kann man den Blend-Regler getrost voll aufdrehen und diesen luftigen Sound genießen. Auch wichtig und erfreulich ist, dass die einzelnen Saiten ausgewogen (gleich laut) übertragen werden.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ein verlockendes Gesamtpaket: Schön designte Gitarre mit ordentlich 60s-Appeal, gutes Handling, toller Sound sowohl unverstärkt als auch über P.A., richtig guter Koffer dazu – tipptopp. Hier hat man das Gefühl, dass Fender sich dem Thema Acoustic-Steelstring ernsthaft gewidmet hat. Und da kommt dann eben auch etwas Tolles bei heraus.

PLUS

  • eigenständiges Design
  • schöner Bezug zur Firmen-Historie
  • Hölzer und Hardware
  • Verarbeitung, Werkseinstellung
  • Bespielbarkeit, Handling
  • Klang, über Anlage sehr natürlich
  • Ansprache, Dynamik, Sustain


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023) 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Mich erstaunt es doch sehr,daß Fender nun endlich wieder hochwertigere Steelstring Gitarren inklusive eines guten Koffers und brauchbarem Zubehör anbietet. Der Verkaufspreis von knapp 770,-€uro ist durchaus fair.

    „Palomino“ erinnert zumindest namentlich irgendwie auch an ein kleines Pferdchen für die Kiddies.

    Nun scheinen aktuell vordergründig nicht mehr nur die sehr beliebten Guild Akustikgitarren (ebenfalls in der Hand von Fa. Fender!) im direkten Fokus zu stehen. Fender macht momentan beim Marketing anscheinend alles richtig.

    Ich werde diese neue Fender „Palomino“ Vintage Gitarre auf jeden Fall sehr gerne demnächst mal antesten.

    Eine perfekte Werkseinstellung und eine top Verarbeitung sollten sich nun zukünftig andere Gitarrenfabrikanten eiligst auf ihre Fahne schreiben. Fender scheint diesbezüglich der Vorreiter zu sein,was natürlich den Kunden sehr zu gute kommt! Bravo Fender,alles richtig gemacht,bitte unbedingt weiter so!

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    1. ich kann den Geschriebenen nur zustimmen, wenn ich auch bisher nur die Erfahrung mit dem Schwestermodell Vintage King teilen kann. Diese Gitarre hat es auf Anhieb zu meiner Everyday Go-to Gitarre geschafft. Ein eigenständiger Sound der knackig und mit unglaublich viel Dynamik aus dem Body kommt und sich bis in den Hals erstreckt. dazu eine Top Verarbeitung, gutes Grundsetup (welches nochmal optimiert wurde) hochwertige Hölzer und Teile (Knochen-Stegeinlage, -Pins und -Brücke). und als Sahnestück noch dieses Design dazu…mehr geht fast nicht.
      abschließend finde ich dass die weißen Tuner dich schon (zumindest ist es bei der King so) zum Rest der Peripherie passt…das Schlagbrett ist weiß, sie Bridgepins sind strahlend weiß …
      irgendwie brauche ich noch die Palomino in Natur….dieses goldene Schlagbrett alleine . ach Fender, irgendwas machst du gerade richtig.

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