Casterum Maximum

Test: Fender Custom Shop 63 Stratocaster Relic Masterbuilt

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(Bild: Dieter Stork)

Die Faszination für das Stratocaster-Modell hat längst eine geradezu unheimliche Dimension erreicht. Für eine Strat aus den 50er- oder frühen 60er-Jahren im Originalzustand muss man heute um das 100fache des Ursprungspreises hinlegen. Für ein einfach konstruiertes und ohne jeglichen künstlerischen Anspruch seriell gefertigtes Industrieprodukt … Wie verrückt ist das denn eigentlich?

Und doch ist das Vergnügen einfach nicht zu unterdrücken, wenn uns so eine richtig gut gemachte Stratocaster wie das Custom-Shop-Modell von Master Builder Ron Thorn in die Hände gerät. Das allerdings wurde, anders als seine Vorgänger, mit hoher gitarrenbauerischer Finesse erstellt. Von der Holzwahl bis zur finalen Einstellung ist hier alles präzise und detailgenau auf den Punkt gezogen, nichts bleibt dem Zufall überlassen – und das merkt man dann auch. Ein Dank geht an dieser Stelle an Karl Dieter vom Gitarrenstudio Neustadt, der uns die Gitarre für den Test zur Verfügung gestellt hat.

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CHEFSACHE

Der Korpus auch dieser Custom-Shop-Strat besteht natürlich aus Erle und ist mit den bekannten Konturen nach dem „60 Strat Base Model“-Pattern geformt. Für den Custom Shop stehen allerdings besonders ausgesuchte Holzpartien zur Verfügung, aus denen der Luthier wählen kann. Das gilt auch für den aufgeschraubten Hals aus attraktiv geriegeltem Ahorn plus Griffbrett aus Palisander (7,25″-9,5″ Compound Radius) und 60-Style-Oval-„C“-Profil mit bemerkenswert weich abgerundeten Kanten. Die perfekt eingesetzten 21 Bünde (6105) zeigen ebenfalls ungemein sorgfältige Bearbeitung mit elegant verrundeten Bundenden. Den historischen Clay Dots optisch ähnelnde Micarta-White-Dot-Inlays markieren die Lagen.

Hals/Griffbrett: super griffiger Hals mit Premium-Bundierung (Bild: Dieter Stork)

Die kleine, parallel herausgeführte Kopfplatte mit Ära-gerechtem Fender-Spaghetti-Logo ist mit künstlich gealterten Kluson-style-Fender-Logo-Vintage-Mechaniken ausgestattet. Abgesehen von einem jeweils nur leichten Anschliff an den Halskanten im Bereich der ersten drei Bünde und leichten Dings und Dongs an der Kopfplatte verschonte Ron den Hals dankenswerterweise von überflüssigen Relic-Spuren. Der glattglänzend mit Nitrolack versiegelte Halsrücken sieht nicht nur prachtvoll aus, sondern fühlt sich auch so an.

Über den schmalen Knochensattel laufen die Saiten – B und E zuvor wie üblich zur Verbesserung des Andrucks niedergehalten – hinüber zur traditionellen AM-Vintage-Strat-Bridge mit individuellen Bugblechreitern am Korpus. Erfreulich ist dabei, dass die für die Höhenjustage zuständigen Madenschrauben – Vintage-Treue hin und her – nicht zu hoch aus ihren Saitenreitern ragen.

Das „Tremolo“ (so nannte schon Leo Fender es; Anführungsstriche deshalb, weil das System natürlich ein Vibrato ist, also die Tonhöhe moduliert und nicht die Lautstärke) verfügt erwartungsgemäß über einen Stahlblock und ist an drei Federn aufgehängt.

Nun zur Elektrik: Drei handgewickelte 55-Stratocaster-Alnico3-Singlecoil-Pickups sind auf ein dreilagiges Nitro-Pickguard geschraubt. Das „Modern Wiring“ umfasst den 5-Wege-Pickup-Schalter und einen Volume- plus zwei Tone-Regler, wovon der in der Mitte nur den Hals-Pickup, der untere den Mittel- und den Steg-Pickup kontrolliert.

Hohe Kunstfertigkeit spiegelt sich in der besonders schön gemachten Chocolate-3-Tone-Sunburst-Lackierung des Instruments, mehr noch aber in der nachfolgenden Relic-Bearbeitung mit wohldosierten künstlichen Spielspuren und sehr feinem Crackling, bzw. höchst authentisch realisiertem Weather Checking. Der Look ist einfach Zucker! Dem wurden auch alle Hardware- und Plastik-Teile mit stimmigem Aging angepasst. Geliefert wird das Instrument in einem angemessen luxuriösen G&G Blonde Hardshell Case und natürlich mit Zertifikat.

FEIERTAG

Oscar Wilde: „Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht.“ Oder ist euch das hier vielleicht lieber: „Eine Versuchung ist dazu da, dass man ihr nachgibt“ (Madonna). Nun gut, lassen wir uns also mal versuchen:

Die Zutaten sind bekannt, den Unterschied macht die Verfeinerung. Klar ist, es gibt da draußen großartige Strats und altes Tonholz spielt sicher ein Rolle bei den Originalen, aber klar ist auch: nicht alles was alt ist, ist allein deshalb schon gut. Manch teures Schätzchen ist insofern in der Sammlervitrine gut aufgehoben, da es, abgesehen von historischer Patina, nicht viel zu bieten hat. Die vorgelegte 63 Stratocaster Relic aus den Händen von Ron Thorn ist da eine andere Nummer. Das Talent und die Erfahrung des Gitarrenbauers schlagen sich mit Widmung für jedes Detail in einem Instrument von bestmöglicher Handhabung und hoher klanglicher Kompetenz nieder.

Korpusausschnitt (Crackling): toll gemachtes Aging (Bild: Dieter Stork)

Wie sich eine Strat grundsätzlich anfühlt, muss man ja nicht erklären. Was es aber aus spieltechnischer Sicht ausmacht, ist die Beschaffenheit und Einrichtung des Halses und damit sind wir auch endlich mitten drin im Geschäft. Schön ist dieser Hals mit seiner feinen Riegelung sowieso, keine Frage, aber vor allem ist die Sorgfalt zu spüren, mit der hier das Shaping zum klassischen 60 Style Oval „C“ mit weichen Griffbrettkanten vollendet wurde.

In dieser Preislage zu erwarten, aber doch in seiner Ausführung bemerkenswert ist auch die daran angepasste, penibel kantenrund abgeglichene und perfekt polierte Bundierung mit mittelstarkem 6105-Bunddraht. Das darüber erreichte Optimum ist einfach ein Gedicht und selten zu finden. Was auch in Würde gealterte Strats, die oft genug die Kompromissfähigkeit ihres Spielers auf die Probe stellen, keineswegs ausschließt.

Sollte dieses ergonomische Vergnügen jetzt etwa auch noch von hoch dosiertem Klang-Dope zu rauschhaftem Höhepunkt getrieben werden? Man wagt es kaum zu glauben, aber ja: Abgesehen davon, dass wir uns ganz klar im Klangorbit einer Stratocaster bewegen, bewegt diese Stratocaster ihren Spieler auf jeden Fall auch.

Die drei handgewickelten 55-Stratocaster-Alnico-3-Singlecoils verfügen über fast identische Widerstände von jeweils 5,7 kOhm und vermitteln in diesem Instrument eine geradezu unschlagbare Kompetenz und Authentizität im Ausdruck. Diese unfassbar elegante Auflösung von Akkorden mit harmonischer Interaktion der Stimmen, das sensible Ansprechen auf jede kleine Aktion, die enorme Dynamik im Anschlagsverhalten… so kann das sein? So muss es sein! Kostet halt Geld… doch egal – die Droge wirkt!

Clean-Sounds öffnen sich uns mit tief reichender Substanz und markanter Kehligkeit. Der Ton verfügt immer über einen straffen Kern, umgeben von einer Korona stimmiger Obertöne, was vor allem einen Aspekt in Szene setzt: Definition. Die jedenfalls ist begeisternd konkret, gibt dem Spiel eine ungemein plastische Griffigkeit. Über den Hals- und Mittel-Pickup gespielte Linien perlen locker unter den Fingern weg, der Ausdruck ist luftig und fest zugleich. Der Steg-Pickup gibt dann eher bissige, tendenziell angriffslustige Twang-Sounds heraus. Damit deutet sich schon an, dass diese Gitarre bei aller Kultiviertheit der Tonentfaltung keineswegs nur etwas für sanfte Töne sein will.

In Gain-Positionen des Amps zeigt die 63er-Relic-Strat dann auch ein entsprechend anderes Gesicht, kehrt sozusagen ihre dunkle Seite hervor. Knochentrocken und „very punchy“ in halbbösen Einstellungen erfüllt sie alle Träume des Blues-, Country- und sonst wie Mainstream-Rockers, lässt sich aber in der heißeren Jimi- und Stevie-Ray-Ebene auch nicht lange um aussagekräftige Kommentare bitten.

Pickups: 55er Single Coils – authentische Strat-Sounds à la carte! (Bild: Dieter Stork)

Das ganze Repertoire der gehobenen Fender-Sound-Ästhetik legt uns diese Masterbuilt-Strat wie selbstverständlich zu Füßen. Immer ist ihre Aussage konkret, plastisch, in Zerre bei Bedarf aber auch aggressiv und direkt. Ein Traum an dynamischer Beweglichkeit, verbunden mit tonaler Charakterstärke, ganz zu schweigen von der traumhaften Handhabung.

Es mag verstiegen klingen angesichts der zu Höchstpreisen gehandelten Originale, aber so gut wie heute in der Masterbuilt-Kategorie wurden Fender-Gitarren einfach noch nie gebaut. Den Unterschied machen kompetente Gitarrenbauer, die unabhängig vom Zufall – dem die vorhandenen Highlights der frühen Produktion mehr oder weniger zu verdanken sind – einfach immer verlässlich gute Instrumente hervorbringen.

RESÜMEE

Solange Musik mit der Hand gemacht wird, ist es schön zu wissen, dass da Leute sind, die verstehen, wie wichtig es ist, den Pfötchen der Spieler zu schmeicheln. Solange Töne nicht einfach nur von Maschinen generiert oder als Samples abgerufen werden, ist die kenntnisreiche Widmung von Spezialisten zu feiern, die ein Instrument so abzustimmen vermögen, dass dem Spieler ein Maximum an Klang und dynamischem Ausdruckspotential an die Hand gegeben wird.

Ron Thorn ist so ein Mann, dem wirklich nicht ohne Grund der Titel Principal Master Builder verliehen wurde. Wenngleich ein einzelnes Instrument nicht als Beleg für den allgemeinen Status gelten kann, so ist die vorgelegte 1963-Relic-Strat doch der unzweifelhafte Nachweis hoher Meisterschaft. Im handwerklichen Sinne sowieso, aber nicht zuletzt auch im Nachfühlen zeittypischer Klangschöpfung. Die dieser Gitarre mitgegebene Kraft, Definition und Authentizität ist schlicht schlagend. Besser kann eine Stratocaster in Sachen Handhabung und klanglicher Finesse kaum sein – ein Highlight des retrospektiven Gitarrenbaus!

PLUS

● klassisches Design & stimmige Relic-Optik
● Schwingverhalten
● Definition, Dynamikverhalten
● 55er-Pickups
● idealtypische Sounds
● Halsprofil, Bundierung
● Setup, Spielgefühl
● minutiöse Verarbeitung


MASTERBUILDER RON THORN

Das zum Test vorliegende Modell aus dem Fender Custom Shop wurde von Master Builder Ron Thorn gebaut – geboren übrigens im Summer of ‘69 in Ontario/Kanada. Kein anderes Mitglied des erlesenen Clubs von Master Builder Luthiers kann auf eine eigenständige Karriere zurückblicken. Unter eigenem Namen (Thorn Guitars) hatte Ron bereits mehr als 800 Gitarren gebaut, sich mit seiner akribischen Arbeit hohen Respekt in der Szene verschafft, bevor er letztlich im Fender Custom Shop an Bord ging.

Vor allem mit seinen kunstvollen Einlegearbeiten hatte er schon in den 90er-Jahren Aufsehen erregt und all jene Custom Shops, die von großen Firmen wie Ibanez, Schecter, ESP oder Yamaha seinerzeit in Kalifornien angesiedelt wurden, waren an diesem talentierten „Inlay Guy“ interessiert und gaben ihm Aufträge.

Der studierte Ingenieur war zu der Zeit allerdings noch als Engineering Manager bei einer Firma für Maschinenbau in Südkalifornien angestellt, wo er sich mit der Programmierung und Anwendung von CNC-Maschinen beschäftigte. Abends aber baute er Gitarren in der Werkstatt seines Vaters.

Als ab 1996 auch von Fender mehr und mehr Aufträge bei ihm eingingen, sah er sich gezwungen, seinen Ganztages-Job aufzugeben, um sich von 1999 an gänzlich den Inlay-Arbeiten zu widmen. Ein Jahr später gründete er dann auch noch seine eigene Firma Thorn Guitars, in der er Instrumente nach eigenen Vorstellungen realisierte. Die wachsende Popularität brachte ihn aber schon bald in Bedrängnis.

Für seine eigenen, aufwendig gebauten Se-Neck-Designs waren bereits 140 Back-Orders aufgelaufen, die Warteliste wurde lang und länger, er kam kaum mehr nach. Also entschloss er sich, seine Artisan-Reihe durch eine SoCal-Line mit leichter und schneller zu erstellenden Instrumenten im Fender-Stil abzulösen. Eine Annäherung mit Folgen.

Mehr als 20 Jahre lange machte Ron Thorn parallel zu seinen eigenen Aktivitäten alle Custom-Inlay-Arbeiten für Fender, bevor er dann schließlich im Frühjahr 2018 seine Selbständigkeit aufgab und vollzeitlich bei Fender einstieg. Man hatte ihm wohl ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte. Seine anfängliche Sorge, bis ans Ende seiner Tage 52er-Teles oder 65er-Strats bauen zu müssen, wurde bald zerstreut. Im Gegenteil begrüßte man im Fender Custom Shop seine Kreativität und ließ ihm Freiräume im Sinne von: mach was du willst, aber mach eine Fender draus.

Ron: „Noch nie hat mir jemand gesagt, das kannst du nicht machen.“ Heute steht Ron Thorn bei Fender als Principal Master Builder im Zenit seiner Möglichkeiten.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Halb Böse Einstellungen & Dynamische Beweglichkeit sind nur zwei der unzähligen Aussagen über den Klang der Strat.Geht das auch einfacher? Aussagen für einfache Stratspieler wären schön. Nicht so abgehobenes Zeug !

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  2. In dieser abgehobenen Preisklasse gibt es nur abgehobene Kommentare in den Testberichten, schließlich wird hier nicht der einfache Stratspieler angesprochen sondern der wohlhabende Teil der Bevölkerung. Anwälte, Zahnärzte, Unternehmer etc. die in ihrer Jugend Gitarre spielten wollen/sollen sich mal was richtig schönes gönnen.

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  3. Völlig abgehoben.Mag ja vielleicht sein,daß Fender Strats zu Preisen von über 7.000.-€uro sehr einzigartig sind.In erster Linie sind diese hochpreisigen „Objekte“ doch wohl eher Sammler Utensilien für reiche Akademiker,die häufig in Wahrheit wahrscheinlich noch nicht einmal einen einzigen Akkord auf eben dieser überteuerten „Kleinode“ zustande bringen können.
    Ich (als bezeichnender „einfacher Normalo Gitarrist“) hatte schon einmal die Gelegenheit eine sehr teure Fender Relic Custom Stratocaster aus der „Fender Edelschmiede“ in einem großen Berliner Musikhaus im Bezirk Kreuzberg/Mitte ausgiebig anzutesten,und war letztendlich doch völlig überrascht,daß diese U.S. Custom made Strat in Relation zu einer einfachen made in Mexico Stratocaster nicht viel besser klang.
    Ich vermute,es existiert seit Einführung dieser besonders teuren Custom Gitarren aus den Staaten ein gewisser Hype,der natürlich von einigen wenigen potenten Käufern/Liebhabern/Sammlerfetischisten künstlich aufrechterhalten wird.
    Alles reine Geschmackssache,und besonders eine Frage des Reichtums,sich solch eine handgemachte Strat überhaupt leisten zu können.
    In meinem Bekanntenkreis kenne ich Niemanden,der sich solch eine edle Custom Strat kaufen könnte (meine Person eingeschlossen).
    Dieses ganze Gehabe um diesen Custom Gitarren Hype nervt jetzt schon irgendwie.
    Sicher,es gibt seltene Edelhölzer die aufgrund ihrer Art außergewöhnlich gut klingen,dies ist auch Fakt.
    Vermutlich alles Ansichtssache.Die heutige Vielfalt und Auswahl an guten heimischen Hölzern ist gewachsen,und wird zukünftig wohl auch immer mehr Beachtung finden.Vorausgesetzt,sie sind für „normale“ Gitarristen auch bezahlbar,dann ist die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit auf Dauer gesichert.

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