Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?

Test: Fender American Vintage II 1960 Precision Bass

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(Bild: Dieter Stork)

1981 war ein wichtiges Jahr für Fender: William „Bill“ Schultz wurde von Yamaha geholt und von CBS zum Firmen-Präsidenten bei Fender gemacht. Vier Jahre später kaufte er gemeinsam mit einigen Fender-Mitstreitern die Firma von CBS und führte sie in eine sichere, erfolgreiche Zukunft.

DER NEUE ALTE

Auch wenn nicht gleich alles rund lief in der ersten Zeit seiner Präsidentschaft, erwies sich ein Impuls als besonders zukunftsträchtig, der zurückgriff in die goldenen Pre-CBS-Zeiten. „Sie bauen sie nicht mehr so wie früher“ war eine oft wiederkehrende Klage. Warum also nicht genau das tun? Während Bill Schultz die JV-Fertigung in Japan auf den Weg brachte, unternahmen Dan Smith und John Page eine Tour nach Illinois. Ein Laden dort hatte gut 200 Pre-CBS-Fender, die die beiden spielten, vermaßen, fotografierten, analysierten – um am Ende drei Fender-Gitarren quasi als Muster zurückzukaufen.

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Auf der NAMM 1982 debütierten die Instrumente, die anfangs einfach Vintage hießen, dann U.S. Vintage, und ab 1998 schließlich offiziell American Vintage. Womit wir beim Testobjekt angekommen wären, denn der Bass läuft unter American Vintage II und löst die 2018 eingeführten American Originals ab. Diesmal sollen alle Details exakt den Vorbildern entsprechen! Das fängt mit dem Erlenkorpus und einem Ahornhals samt Palisandergriffbrett gut an. Wie es sich für das Baujahr 1960 gehört, hat der Bass ein Slab-Board, sprich: das Palisanderbrett wird mit gerader Unterseite auf die ebenfalls plan gehobelte Halsoberseite geleimt.

Clay Dots weisen den Weg zwischen 20 Vintage-Bundstäbchen, die etwas höher belassen werden als üblich, der Radius beträgt 7 ¼ Zoll. Der Sattel ist aus Knochen gearbeitet und akkurat gekerbt. In der Breite liegt er mit 1,7 Zoll (43,2 mm – beim Testbass real 43,6 mm) knapp unter den Fender-Aficionados als C-Neck bekannten 1,75 Zoll. Vielleicht war die Vorlage schon etwas abgespielt? Gar nicht abgespielt ist der Lack, das bleibt den Relics überlassen. Also gibt es hier eine makellos hochglänzende Nitrohülle. Der Body erstrahlt in herrlichem Daphne Blue, der Hals in einem manchem vielleicht etwas zu gelb geratenem Vintage-Teint.

Pure Vintage Rillenbrücke (Bild: Dieter Stork)

Was erwartet man an Hardware? Klar, reverse drehende Mechaniken und eine Rillenbrücke! Gibt es beides, ebenso einen Saitenniederhalter für die D- und G-Saite. Dazu gleich drei konventionelle Gurtpins, von denen sich einer in der „Hootenanny“-Position auf der Kopfplattenrückseite befindet. Mein Basslehrer an der Uni nutzte den immer für ein Lederband vom Gurt zum Pin, um den Bass in seiner Spielposition zu fixieren. Das ist so Vintage-korrekt wie auch das Logo, aber ein bisschen gemogelt wird trotzdem: Die Kopfplatte hat unter den Mechaniken unsichtbar kleine Bohrungen, die dafür sorgen, dass die Grundplatten plan aufliegen, was Fender eigentlich erst ab ca. 1964 umgesetzt hat.

Fingerstütze auf Tortoise-Pickguard, Chrom-Deckel für die Pickups liegen bei. (Bild: Dieter Stork)

Ganz Vintage-like ist das Schlagbrett: vierschichtig mit einem für mein Auge etwas langweiligen Tortoise-Topping. Das habe ich schon schöner gesehen … Dafür gibt es unter dem Pickguard eine der kompletten Form folgende Metallplatte – quasi ein Übergang von den Metall-Pickguards der 50er zu den reinen Kunststoffschlagbrettern der CBS-Zeit. Mich dünkt jedoch, ich könnte schon ganz leichte Wellen im Kunststoff ausmachen. Das ist auch bei Vintage-Originalen oft ein Problem und Ergebnis der unterschiedlichen Dehnung der beiden Materialien. Bereits angeschraubt ist die Fingerstütze unter der G-Saite, die Chrom-Deckel für Pickup und Brücke, deren Montage jeder/jedem selbst überlassen bleibt, liegen lose bei. Schrauben und ein selbstklebender Moosgummidämpfer werden mitgeliefert.

Beim Pickup wird es tunlichst unterlassen, irgendwelche Experimente anzustellen: Unter den Plastikkappen halten Vulkanfiberplatten je vier AlNiCo-Magnete, eine Spule für E/A, eine stegnähere für D/G. Unterlegt ist er mit einem an Masse gelegten Messingblech. Die Anschlussdrähte sind stoffummantelt und führen uns zu zwei 250kOhm-CTS-Potis und einer Switchcraft-Buchse, die Höhenblende arbeitet mit nichts Geringerem als einem „Pure Vintage Wax Paper“-Kondensator mit 100 Nanofarad – einem recht hohen Wert gegenüber den heutzutage üblichen 47 oder 33nF.

PRÄZISE PRECI-PREZIOSE

Bevor ich wieder zum Bass zurückkomme, ein paar Worte zum Koffer: grandios! Ein Traum in braunem Tolex mit orangenem Plüsch-Interieur. Und das meine ich völlig unironisch, der ist wirklich toll! Fast zu schade für den harten Road-Betrieb. Da gehört der Bass aber zweifelsohne hin, der kann/muss/soll gespielt werden.

Im Fach des Koffers ist die Tasche mit den Chromabdeckungen, einem Zertifikat, und einem Aufkleber. Und Werkzeug? Fehlanzeige, man braucht ja auch nur Schraubendreher … Kurios am Aufkleber ist, dass dieser im Laden auf dem Pickguard kleben sollte, dort aber wegen der Fingerstütze keinen Platz hat, und obendrein eigentlich zur American-Original-Serie gehört, verspricht er doch einen „Pure Vintage 63 Pickup“, den der AVII definitiv nicht hat …

Nach seiner langen Reise aus den USA muss nur geringfügig nachjustiert werden, aber die Halskrümmung ist ein wenig doll. Um die rauszunehmen bleibt mir, ganz Vintage-mäßig, nichts anderes übrig, als den Hals abzuschrauben, die Mutter des Halsstabs mit einem passenden (!) Werkzeug anzuziehen, den Hals wieder zu montieren, und dann zu sehen, ob es passt. Falls nicht – nochmal von vorne. Das nervt, kann aber bei einer Vintage-Reissue eben nicht anders sein.

Nachdem das erledigt ist, liegt der Preci dann sehr gut in der Hand, mit einem nicht eben schmalen, aber auch nicht zu dicken Hals, auch wenn das Fender-Marketing ihn „substantial“ nennt. Wenn man möchte, ist eine extrem flache Saitenlage möglich, aber da es dem Preci allgemein gut steht, wenn man etwas härter reinlangt, wird sie bei den meisten etwas höher sein. Mit seinen gelungenen Shapings liegt der Bass gut am Körper an, im Sitzen wie im Stehen. Am Gurt kommt natürlich eine Tendenz in die Waagerechte zum Vorschein, aber nicht allzu dramatisch, ein guter Gurt hilft.

Die Mechaniken bringen die Fender-Saiten in den Stärken 45 auf 105 locker in Stimmung und halten sie ewig. Dabei laufen sie feiner als die alten Originale – wieder nicht exakt wie früher, aber durchaus zu begrüßen. Über den AlNiCo-Pickup, bei dem, dank der Rillenbrücke, die Saiten präzise zwischen den Polepieces laufen, produziert mein Amp direkt den klassischen Ton, der auf unzähligen Songs zu hören ist. Gespielt von James Jamerson, Phil Lynott, Carol Kaye oder Steve Harris, und unzähligen weiteren Spieler:innen bis heute.

Knurrig, fett im Bass und mit starkem Grundton. Mit mehr Energie gespielt kommen knallige Höhen und aggressive Mitten – alles da! Auch der typische Schraubhals-Deadspot darf nicht fehlen, fällt aber beim Testbass auf dem D auf der G-Saite recht mild aus. Die Volume- und Tone-Regler arbeiten beide schön gleichmäßig, die Höhenblende geht sehr weit runter. Das wird mir persönlich etwas zu dubbig, und der schöne Mittenbuckel kommt nicht so recht zustande. Dafür haben die dezenter höhenreduzierten Töne ihren eigenen Reiz, bei etwa 80% Blende liegt mein persönlicher Sweetspot. Die hervorragende Trennung zwischen den Saiten, wenn man mal in Akkordarbeit einsteigt (think: Colin Hodgkinson), leidet darunter nicht.

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