Flieg, kleiner Fender!

Test: Fender Aerodyne Special Precision Bass

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(Bild: Dieter Stork)

Witzig, in all den Jahren, die es diese Reihe jetzt gibt, habe ich mich nie gefragt, was Aerodyne eigentlich heißt … Jetzt weiß ich es: Es bezeichnet im Englischen jede Maschine, etwa ein Fluggerät, das schwerer als Luft ist und durch seine aerodynamische Form Auftrieb erzeugt. Auch die Fender Aerodynes zeichnen sich seit jeher durch windschnittiges Styling und gewölbte Decken aus. Mal sehen, was der neue Precision sonst so zu bieten hat.

Ja, ich weiß, man hätte über Aerodynamik drauf kommen können, wahrscheinlich habe ich mir nur nie Gedanken über die Flugtauglichkeit von Bässen gemacht …

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IN FARBE

Der erste Eindruck ist ein angenehmer: Ich hatte vor dem Test schon Fotos gesehen und fand die schwarz glänzend lackierte Kopfplatte im Zusammenspiel mit der Korpuslackierung, die sich „Hot Rod Burst“ nennt und als ziemlich klar abgegrenztes Zweiton-Sunburst rüberkommt, gar nicht passend. (Bei den anderen Farben sind Headstock vorne und Top gleich lackiert.) Als ich den Bass aus dem mitgelieferten funktionalen Gigbag ziehe, ist das in natura doch ganz hübsch. Auf jeden Fall ist die Lackierung absolut akkurat gemacht, auch an schwierigen Stellen. Da hat die japanische Fabrik, die für saubere Arbeit bekannt ist, ganze Arbeit geleistet. Ähnliches wird uns im Verlauf des Tests noch ein paar Mal begegnen.

Der Korpus ist aus Linde, was englisch Basswood heißt und sich schon lange nicht mehr nur im günstigen Einsteigerbereich tummelt. Während der Umriss des Bodys dem klassischen Precision Bass entspricht, ist der Rest der Form alles andere als das. Die Oberseite ist gewölbt und macht mit einem Binding rundum den Eindruck einer separaten Decke. Ein Eindruck, den ich nicht verifizieren kann, die Maserung sieht durch das transparente Finish linden-typisch unspektakulär aus und entpuppt sich bei genauem Hinsehen als dreiteilig.

Ob das für den ganzen Korpus gilt, ist dank der perfekt deckend schwarzen Lackierung der Rückseite nicht zu klären, irgendwelche Übergänge im Holz sind nicht auszumachen. Das rückseitige Shaping entspricht dem Standard, auf der Vorderseite gibt es außer der allgemeinem Absenkung durch die Decke keine weitere Abflachung für den Unterarm. Was ebenfalls fehlt, ist ein Schlagbrett, der Volume-Regler und die Höhenblende sind direkt in die Decke gesetzt, der laut Fender „neu entwickelte Precision-Bass-Pickup mit Vintage-Abstimmung“ sitzt an der üblichen Stelle in einer sauber gearbeiteten Fräsung.

(Bild: Dieter Stork)

Trotz moderner Optik ist alles passiv ausgelegt. Die Lackierung der Kopfplattenvorderseite erwähnte ich ja schon (ebenfalls perfekt ausgeführt), mit erhabenem silbernen „Fender Precision Bass“- Logo im Vintage-Stil. Der Hals selbst ist aus Ahorn mit einem aufgeleimten Ahorngriffbrett. Auch wenn der Aufleimer das eigentlich überflüssig machen könnte, hat der Hals einen Walnuss-Skunk-Stripe auf der Rückseite. Mit vier Schrauben und der üblichen großen Metall-Konterplatte ist er am Korpus befestigt.

Die matte Lackierung ist – ihr ahnt es schon – perfekt, ebenso wie die sauberst gemachte Bundierung. Ganz wie anno dunnemals wurden zwanzig Bundstäbchen eingesetzt, aber moderne Medium-Jumbos, zudem wurde der Griffbrettradius auf 12 Zoll vergrößert, das Board also flacher. Schön gemaserte Pearloid-Dots markieren die Lagen, ein sauber gekerbter Sattel aus synthetischem Knochen führt die Saiten zu den Gotoh-Mechaniken. Sie bieten Vintage-Optik mit gerader Wickelachse, aber einstellbare Gängigkeit und wie gewohnt ein sehr feines und gleichmäßiges Tuning-Erlebnis. Am anderen Ende findet sich eine Brücke, die meines Wissens das erste Mal auf einem Fender-Serienmodell Platz nehmen darf. Sie kommt von Babicz bzw. Full Contact Hardware, und wird in Taiwan gefertigt.

(Bild: Dieter Stork)

Die Z-Serie kommt dem traditionellen Fender-Look am nächsten, ohne die Möglichkeit, die Sättel mit einer weiteren Schraube fixieren zu können. Solide ist sie aber auch so: Auf einer Grundplatte, die das alte Blechwinkel-Prinzip aufnimmt, aber deutlich stabiler wirkt, liegen vier per Schraube in der Oktave verstellbare Reiter voll auf – „full contact“ eben. Für die Saitenhöhe hat sich Jeff Babicz etwas völlig anderes einfallen lassen, einen Zylinder mit einer Führungsnut für die Saite, der mit einer Madenschraube gedreht werden kann, bis die gewünschte Saitenlage eingestellt ist und mit einer weiteren Madenschraube in der Position fixiert wird.

Praxistest und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

LEICHT/GÄNGIG

Falls das jemandem kompliziert vorkommt: Wenn man es einmal gemacht hat, ist es sehr logisch, außerdem packt Fender eine Einstellanleitung und die nötigen Inbusschlüssel mit ein. Da die Saitenlage ab Werk zwar nicht übel, aber für mich verbesserungsfähig ist, mache ich mich gleich ans Werk und treffe auf den bekannten Haken im sehr stimmigen Design. Da sich der Auflagepunkt der Saite mit dreht, muss unter Umständen, je nachdem, wie empfindlich man dafür ist, nach der Justage noch die Oktave kurz gerichtet werden. Geht aber schnell, und siehe da: Jetzt ist die Saitenlage dem modernen Styling entsprechend im Briefmarkenbereich, und das ganz ohne Schnarren oder Nebengeräusche. Die Bünde sehen nicht nur sauber bearbeitet und verrundet aus, sie sind es auch.

Im Sitzen verhält sich der Aerodyne unauffällig gut, am Gurt stellt sich leichte Kopflastigkeit ein – aber nicht so, dass ein guter Gurt nicht schon helfen würde. Störender könnte sein, dass die Korpuskante bauartbedingt nicht abgerundet ist. Wie störend das ist, und ob es am Ende ein Dealbreaker ist, muss jede/r für sich herausfinden. Am besten im Laden am Gurt anspielen und dem Bass dabei ein bisschen Zeit geben. Mir ging es so, dass ich die Kante am Anfang der Probe sehr gespürt habe und permanent daran dachte, bis sie nach zwei, drei Songs komplett aus der Wahrnehmung verschwand.

Das lag sicherlich auch am Hals, der sich neben der exzellenten Saitenlage auch sonst einfach fantastisch spielen lässt für meinen Geschmack. Dezent abgerundete Griffbrettkanten und ein modernes C-Shaping mit einer Sattelbreite von gut 42 mm, also modernem P-Bass-Standard, werden geboten, die matte Poly-Lackierung liegt sehr schön in der Hand. Ohne großen Kraftaufwand macht der Bass alles, was ich will und kommt trotz des als mumpfig verschrienen Korpusmaterials klar und relativ knackig rüber.

Relativ, weil der Bass auch mit besserer Brücke eine gewisse Gemütlichkeit im mit nicht zu langem Sustain ausklingenden Ton bewahrt. Was beim Testbass völlig fehlt sind Deadspots. Auch ohne zusätzliche Graphitstäbe im Hals, die zumindest nirgends Erwähnung finden, gibt es keine Bereiche mit schneller verebbenden Grundtönen. Sehr gut! Sehr gut und sehr typisch ist auch der Ton am Amp. Der traditionell gewickelte AlNiCo-Split-Coil bringt einen klassischen P-Bass-Sound der eher milderen Sorte, der die Band trägt, aber von sich aus wenig Aggressivität ausstrahlt. Da muss man schon mit externem EQ und/oder härterer Spielweise herangehen, dann geht es auch in diese Richtung. Andererseits wird durch die Klangabstimmung auch Plektrumarbeit nie klickerig und bleibt tragend. Wer beim Palm-Muting den Handballen gerne auf den Saitenreitern ablegt, muss sich etwas umstellen – bei der Babicz laufen die Saiten tiefer als die Oberkante der Reiter. Kurz vor der Brücke geht’s dafür gut, auch dank der großzügig gerundeten Böckchen.

Die Potis mit ihren sehr angenehm geriffelten, aufgeschraubten Metallknöpfen, lassen sich fein und gleichmäßig regeln. Mir persönlich geht dabei die Höhenblende zu weit in den Keller, da wird es dann für meinen Geschmack doch zu mulmig, aber ein Kondensator ist ja schnell und günstig getauscht.

RESÜMEE

Apropos günstig: Günstig ist der neue Aerodyne Special Precision Bass nicht unbedingt. Vor wenigen Jahren kostete ein vergleichbares Modell in der unverbindlichen Preisempfehlung noch circa vierhundert Euro weniger. Aber die Preise haben mittlerweile aus vielerlei Gründen insgesamt deutlich angezogen und der Gegenwert ist definitiv gegeben: ein recht leichter, enorm leicht zu spielender Bass mit schicker Optik und einer selbst unter der Lupe über jede Kritik erhabenen Verarbeitung. Weitere Punkte sammelt er mit exzellenter Hardware und guter, eher traditioneller Tonwandlung. Das einzige, was stören könnte – und das war bei den Aerodynes schon immer so – ist die Korpuskante, die sich aus dem schicken Binding ergibt. Muss man wie beschrieben selbst testen – und sollte man auch. Zum persönlichen Antesten sehr empfohlen!

PLUS

  • Sound
  • Spielgefühl
  • gediegene, moderne Optik
  • Verarbeitung
  • Brücke
  • Mechaniken

MINUS

  • Korpuskante könnte stören


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

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