Auf der Höhe der Zeit

Test: Fender 70th Anniversary American Professional II Stratocaster

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(Bild: Dieter Stork)

BEWÄHRTE QUALITÄTEN – NEUE FLEXIBILITÄT

Die 70th Anniversary American Professional II Stratocaster bringt 3,6 kg auf die Waage und fühlt sich natürlich auch ansonsten gewohnt komfortabel an. Da sie unter Wahrung der Konstruktionsprinzipien auch aktuellen Anforderungen entsprechen will, dient sie uns einige Detailverbesserungen an, wie etwa den 22. Bund, einen quasi-modernen Griffbrettradius von 9,5“, Locking Tuner oder den weich abgeglichenen Hals-Korpusübergang.

Gehen wir ihr an den Hals, so heißt der uns mit geschmeidigem Griff und perfekt gemachter Bundierung inklusive fein gerundeter Griffbrettkanten willkommen. Das Spielgefühl des mit „Deep C” einfach toll profilierten und aufsteigend zunehmend leicht kräftiger werdenden Halses ist ungemein seriös, öffnet sich für spieltechnische Kompetenz in jeder Hinsicht.

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Wie erfreulich, dass sich dem nun auch noch ein akustisches Klangversprechen von offensiver Schwingfreude für die elektrische Tonwandlung auf hohem Niveau beigesellt. Unplugged angeschlagen vermitteln die ersten Akkorde ein differenziertes Tongefüge mit achtbarem Grundtonverhalten. Die Frage ist nun: sind die unter dem Motto „Neu-Interpretation des berühmten Fender-Tons“ entwickelten 70th Anniversary V-Mod II Strat Pickups mit durchschnittlichen Widerstandswerten von 6,0 kOhm bis 6,6 kOhm in der Lage, daraus auch entsprechend vitale Funken zu schlagen?

70th Anniversary V-Mod II Strat Single Coils (Bild: Dieter Stork)

Der Single-Coil am Hals zeigt sich dem Anspruch gewachsen und eröffnet unseren Testreigen mit kraftvoll transparenter Tonumsetzung. Kernig im Bass, stimmig ergänzt von substanzreichen Mitten und offenen Höhen. Klare Saitentrennung und eine harmonische Interaktion der Stimmen geben Akkorden plastische Gestalt. Sehr schön glasig, aber auch mit Tiefgang lassen sich in klaren Einstellungen perlfrische Linien aufrufen. Im Overdrive beeindruckt die direkte Ansprache mit perkussiv markantem Aufriss und die charaktervoll dynamische Tonentfaltung.

Wechseln wir in die Schaltposition Mitte, so engt sich das Klangbild naturgemäß etwas ein, Farbgebung und Darstellung werden von etwas mehr Präsenz erhellt. Auch wenn dieser Pickup in der Regel eher als Kombipartner für die Kollegen nördlich und südlich von ihm betrachtet wird, macht er aber auch auf sich allein gestellt in jeder Hinsicht ebenfalls eine gute Figur.

Der Steg-Pickup springt dir dann ins Gesicht, gibt sich bissig und scharfkantig, die leicht gellen Spitzen lassen sich aber im Gegensatz zur früheren Schaltung mit dem zweiten Tonregler bestens abgleichen. Scharfzüngige, aber gut kalibrierbare Lead-Sounds haben wir damit aber auf jeden Fall im Anschlag.

Die Zwischenpositionen offerieren uns gewohnt kehlige Sounds mit schön seidigem Flair. Das sind ja immer höchst willkommene Klangfarben im Spektrum einer Strat.

Push/Push-Funktion im zweiten Tone-Regler aktiviert zusätzlich den Hals-Pickup. (Bild: Dieter Stork)

Bonus dieser Schaltung ist der per Push auf den unteren Tone-Regler den anderen Pickup-Positionen zufügbare Hals-Pickup. Damit sind der 70th Anniversary-Strat zwei Sounds mehr als Standard abzugewinnen. Der wohl wertvollste Zuwachs ist die Verlinkung wie bei einer Tele, also Steg- + Halspickup. Das hat etwas mehr Saft in den Bässen als das bei den anderen Kombi-Schaltungen der Fall ist, eine schöne Glocke obendrein und zeigt tatsächlich leichtes Tele-Flair.

In der „Knopfler-Position“, also der Kombi von Mittel- und Steg-Pickup hören wir bei angehobenem Tone-Regler alle drei Pickups zusammen. Eine etwas unauffälligere Variante, aber immerhin eine Farbe mehr auf der Palette. Das an drei Federn mit angenehmem Zug aufgehängte 2-Punkt-Tremolo (Vibrato) ist gut eingestellt und funktioniert selbst bei offensivem Gebrauch erfreulich stimmstabil. Dass sich der kleine Plastik-Griff vorn im Hebel trotz Gewinde nicht fixieren lässt, also einfach nicht bleibt wo er hingehört, nehmen wir mal als Ausnahme von der Regel.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die 70th Anniversary American Professional II Stratocaster feiert das Jubiläum ihres altehrwürdigen Ahnherren, macht sich nach achtungsvoller Verneigung dann aber doch auf den eigenen Weg. Ausgehend von der stimmigen Grundidee präsentiert sich diese sauber verarbeitete Anniversary-Version auf der Höhe der Zeit mit modernen Features, wie dem 22. Bund, einem toll geschnittenen Hals mit Palisandergriffbrett mit 9,5er Radius, Locking Tunern, weich abgeglichenem Hals-Korpusübergang und gut funktionierendem 2-Point-Vibrato. Die ausgefeilte Handhabung verdient ein Extralob, aber besonders erfreulich ist das über die Anniversary-Pickups zu erzielende hohe elektrische Klangniveau.

In Anlehnung an den klassischen Fender-Sound transportiert dieses Modell bestes Strat-Flair, bietet aber darüber hinaus noch zwei Extra-Sounds zur sinnvollen Klangerweiterung. In lockerer Referenz an die frühe Bauweise zeigt Fender mit der 70th Anniversary American Professional II Stratocaster souverän, wie man ein bewährtes Konzept fit macht für die Zukunft. Keine gewagte These: solange es elektrische Gitarren gibt, wird die Stratocaster eine tragende Rolle spielen!

PLUS

  • klassisches Design plus
  • Schwingintensität
  • 70th Anniversary Pickups
  • kompetente Strat-Sounds
  • Push/Push für Extra-Sounds
  • Halsprofil, Bundierung
  • optimierte Handhabung
  • seriöse Verarbeitung

MINUS

  • Tip vom Tremoloarm nicht fixierbar


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das ist mal wieder eine typische F. Holzheimer Besprechung!
    Was bitte ist ein “Deep-C Profil” und eine “ungemein seriöser Hals”?
    Wegen solchemn und ähnlichem Quatsch hab ich mein Abo gekündigt.
    Weiter so Herr Holtmann.

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    1. Also ich kann mit “Deep-C-Profil” etwas anfangen. Dies vorausgesetzt in der Folge dann auch mit der Begrifflichkeit “ungemein seriöser Hals”. So ein Spielbericht soll ja nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch ein Gefühl vermitteln und da wird’s im Ausdruck eben manchmal etwas blumig.

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    2. @Klaus: Du ersparst mir weitere Worte. Gibt es eigentlich einen speziellen Katalog von Begriffen für Redakteure von Musiknahen Zeitschriften? Klingt in meinem Ohr wie “etwas topfig in den Mitten” aus den Hi-Fi Magazinen. Nasal, Kehlig OMG.

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      1. Wer bezüglich dieser doch sehr speziellen Begriffserklärungen einfach mal im Internet in der bekannten Suchmaschine nachschaut,wird dabei sehr schnell auf die Fender-Seite gelangen,auf dieser sogar bildlich der Querschnitt der jeweiligen Halsprofile bei Fender E.-Gitarren sehr sachlich und allgemein gut verständlich dargestellt wird!!!

        Die unterschiedlichsten Halsprofile sind dort allesamt aufgelistet.
        Mein regionaler Gitarrenbauer versteht z.B. sehr genau,was ich unter einem „V“-Halsprofil (Jimmy Vaughan Signature Fender Stratocaster) meine. Und der Begriff „halbierter Baseballschläger“ steht sinnbildlich für einen extrem fetten Hals a lá „Jeff Beck Signature Strat“.

        Allerdings kann ich leider auch sehr wenig mit so sehr abstrakten Äußerungen,wie „ungemein seriöser Hals“ wirklich etwas anfangen. Da wird gar keine konkret verständliche Aussage getroffen.
        Eine „blumige“ Sprache in allen Ehren,aber mit echten Fachbegriffen hat dies m.E. absolut nichts mehr zu tun.

        Generell mag ich vorrangig nur Gitarren,die ich in ihrer Haptik und Klangeigenschaft als sehr angenehm empfinde. Und deshalb vertraue ich auch zukünftig weiter auf meine persönlichen Vorlieben bei einer Gitarre direkt vor Ort,denn Gitarren aus dem Hochregallager eines Schnellversandgroßhandels interessierten mich noch nie besonders.

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    3. Außerdem gibt’s noch ne seriöse Verarbeitung, lol! Für ne zusätzliche Ahornfurnierdecke und veränderter Schalttechnik 900 Euronen mehr verlangen als für die normale Professionel 2! Die ist mit ca. 1800€ für ein Massenprodukt auch zu teuer.

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    4. Auch wenn ich selber gerade bei FH nicht immer mit jeder Formulierung einverstanden bin, kann ich die scharfe Kritik bezüglich der Bezeichnung”Deep C” nicht nachvollziehen. C-Profil ist kein “Quatsch”, sondern eine gebräuchliche Beschreibung eines eher gleichmäßig gerundeten Profils mit nicht zu fülligen Flanken in Abgrenzung zum “D”, das – wie das große D in vielen Schriftarten – in der Mitte der Rundung etwas flacher wird. Und wenn Fender (wohlgemerkt nicht Holtmann) das als “Deep” bezeichnet, ist es doch durchaus nachvollziehbar, dass das etwas dicker sein wird als die flachen D-Profile vieler Metal-Gitarren. Die genauen Maße finden sich übrigens im Datenkasten; ich persönlich finde allerdings, dass Messwerte ohne eine Beschreibung des Profils eher weniger aussagen als umgekehrt.

      Sprache ist immer von Konventionen abhängig, um verstanden zu werden. Und wenn man solche Tests schon länger liest, und speziell die des Autors, dann weiß man doch auch, was er mit “ungemein seriös” meint. Übrigens sollte man bei Kritik auch genau zitieren – hier steht nämlich gar nicht “Hals”, sondern “ungemein seriöses Spielgefühl”. Das beschreibt er also mit einem subjektiven Ausdruck, wie denn auch sonst?

      Haptik beschränkt sich halt nicht nur auf messbare Daten, es muss auch alles “zusammenpassen”. Und wenn sich die Oberfläche ebenso gut anfühlt wie die Bundkanten, Maße und Politur der Bünde und der Griffbrettradius, dann ergibt sich ein bestimmter Gesamteindruck. Und genau für den lese ich sowas, weil er mir erfahrungsgemäß mehr Information vermittelt als Datenblätter.

      Geometrisch betrachtet hat eine Mexico-Player heute einen ganz ähnlichen Hals wie die Pro II, und den finde ich auch richtig gut. Aber ich teile den Eindruck des Autors durchaus, dass sich die Ami-Strat (bei korrektem Setup) noch ein Stück stimmiger und erwachsener anfühlt. Ob man das unbedingt braucht, sei mal dahingestellt, aber mit “seriös” fand ich es eigentlich ganz gut umschrieben.

      Ersetzt das jetzt das persönliche Antesten? Nein, aber das kann auch kein Video. Ich lasse mir aber ganz gerne ein paar Anregungen geben, ob es sich für mich lohnen könnte.

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  2. Mir ist auch schleierhaft, warum es nicht einfach eine Abbildung des Querschnitts und Angaben in Millimetern gibt, damit man eine Vorstellung vom Halsprofil bekommt. Bei Warmoth geht das doch auch.

    Als jemand, der dicke Hälse mag, hatte ich lange das Problem, eine vergleichsweise „günstige“ Gitarre mit dickem Hals zu finden, weil es in den Besprechungen und auch bei den Onlinehändlern meistens keine exakten Angaben gibt (das gleiche gilt übrigens für die Lackierung). Stattdessen eher Wischiwaschi wie „nicht zu dick und nicht zu dünn“ etc. „Seröser Hals“ ist auf dieser Wischiwaschiskala jetzt noch eine Potenz höher.

    Habe dann im Geschäft eine PRS McCarty 594 SE Singlecut mit „Pattern Vintage“ Profil gespielt, obwohl ich mit dem Blingbling von PRS eigentlich so überhaupt nichts anfangen kann. Aber genau mein Hals, allerdings lackiert.

    Ob es in der Preisklasse noch andere Gitarren mit ähnlichen Hälsen (und ohne Blingbling) gibt? Keine Ahnung. In den Besprechungen in den einschlägigen Zeitschriften erfährt man es leider nicht, bei den Onlinehändlern kann man nicht nach Halsprofil oder Dicke (oder Lackierung) filtern. Also ab ins Musikgeschäft und ausprobieren, wie früher auch.

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    1. Hallo Olaf, schau mal in unserer Übersicht am Ende des Tests! 😉
      Wir geben die Halsdicke immer an drei Stellen gemessen an, damit man z.B. mit einem Messschieber zuhause vergleichen kann.
      Die Form des Halsprofils können unsere Autoren natürlich nur beschreiben, mit einem Querschnitt können wir leider nicht dienen.
      Grüße aus der Redaktion!

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      1. Hallo Lars,
        ja, stimmt, die Angaben gibt es inzwischen. Zu alten Fachblatt-Zeiten aber noch nicht, wenn ich mich richtig erinnere … ?
        Und bei den meisten Händlern im Internet eben auch nicht. Bezüglich eines Querschnitts des Profils frage ich mich auch eher, warum die Hersteller so etwas nicht angeben / mitliefern. Wenn die Hälse ja vermutlich sowieso – jedenfalls die aus der Massenproduktion – cnc-gefräst sind, dürfte das doch eigentlich kein Aufwand sein.
        Beste Grüße

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  3. Interessant wäre es ja mal,über ältere Fender U.S.-Strats zu berichten,die heute leider (völlig zu Unrecht!) in Vergessenheit geraten sind.

    Da wären solche Stratocaster Modelle,wie z.B. die damalig sehr akkurat in den U.S.A. gefertigten,und mit der typischen FN-Serienkennzeichnung auf der Headstock-Rückseite versehenen Fender Classic Floyd Rose Stratocaster mit H.-S.-S. Pickup Bestückung und Sunburst-Lackierung sehr informativ! Der besagte,absolut top klingende Humbucker in der Bridge-Position stammte damals von DiMarzio,und nannte sich „The Fred“.

    Die Verarbeitung war wirklich super,und die Auflage anscheinend limitiert.
    Im voraus vielen Dank!

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