Was zählt, ist auf dem Platz!

Test: Fame SE Series TL Worn Out SH White

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(Bild: Dieter Stork)

Das künstliche Altern von E-Gitarren polarisiert seit der Stunde Null, als die ersten Gitarren dieser Art auftauchten. Was für die einen damals nur eine flache Modeerscheinung war, ist für die anderen immer noch der Heilige Gral zeitgenössischer Oberflächenbehandlung – vor allem, wenn dieser Prozess so authentisch wie möglich ausgeführt wird.

Namen wie beispielsweise Nash, Rebel Relic, Mark Jenny und natürlich der Fender Custom Shop, der diesen Style erfunden hat, wären ohne ihre profunden Alterungstechniken heute nur halb so viel wert. Denn trotz aller Unkenrufe erfreuen sich absichtlich vermackte Neu-Gitarren nach wie vor extrem großer Beliebtheit.

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Und nun taucht diese Fame TL auf und bietet uns einen von vornherein kompromisslosen Entwurf dieser Stilart. Hier bedarf es keiner langatmigen Erklärungen oder Analysen bezüglich Authentizität. Hier zählt nur: Daumen hoch oder Daumen runter … und das kurz nach dem ersten Blick! Wer grundsätzlich einen etwas derberen Gitarren-Geschmack besitzt und mit künstlerisch-abgehobenem Feingeist nicht so viel anfangen kann, der lese an dieser Stelle gerne weiter.

Korpus mit Shapings (Bild: Dieter Stork)

KUNST ODER KAPUTT?

Reliced, Aging, Distressed, Road Worn, Closet Classic, NOS, VOS, ja, selbst Heavy Relic erscheint wie ein Kindergeburtstag angesichts dieser Kreatur, die mir da aus dem Versandkarton entgegenblickt. Den Stil dieser künstlichen Alterung (fast hätte ich „künstlerisch“ geschrieben) bezeichnen die Jungs vom Music Store Köln mit „Worn Out“. Das ist recht semi-originell, Fender hat mit seiner bekannten Road-Worn-Serie hier auch in der Namensgebung vorgelegt. Aber immerhin stimmt der Sinn dieser Bezeichnung, denn „Worn Out“ bedeutet nichts anderes als abgenutzt, abgegriffen, verschlissen, verbraucht, am Ende …

Um diese Gitarre näher kennenzulernen, dekodieren wir mal schnell ihre Modellbezeichung. „SE Series“ steht für „Special Edition“, eine neue Fame-Serie, die in China gebaut wird (nicht zu verwechseln mit PRS, der seine in Korea gefertigte Ware ebenfalls mit SE kennzeichnet, was dort aber „Student Edition“ bedeutet). „TL“ weist auf die Fender Telecaster hin, die dieser Fame-Gitarre ihre bekannte Figur zur Verfügung stellt. „Worn Out“ bedeutet, wie oben schon gesagt, abgenutzt, „SH“ steht für die Pickup-Bestückung mit Fame-eigenen Singlecoil und Humbucker, und „White“ ist die Farbe, die den Body nur noch teilweise bedeckt.

Der dreiteilige Body, aber auch der Ahornhals samt dem unorthodox abgewetzten Ahorngriffbrett sind matt lackiert. Strat-typische Konturen auf Vorder- und Rückseiten des Bodys versprechen ein inniges Spielgefühl, und auch das Body-Holz ist überraschenderweise Ulme; sicherlich nicht das bevorzugte Tonholz für Sound-Gourmets, aber dafür günstig und solide. Ulme, der viele eine europäische Heimat zuordnen, ist tatsächlich auch in China beheimatet; dort gibt es nicht weniger als 21 verschiedene Ulmen-Arten, 14 davon sogar ausschließlich dort. Diese Ulme wiegt knapp 4 kg. Das ist mehr als beispielsweise feine Sumpfesche, aber mal im Ernst: Solch eine rustikale TL-Style-Gitarre muss einfach etwas schwerer sein, spricht sie doch von vornherein eher schwere Jungs und herzhaft zupackende Girls an.

Unorthodoxes Griffbrett-Aging (Bild: Dieter Stork)

Bei der Oberflächenbehandlung – man sollte hier nicht von Lackierung im üblichen Sinn sprechen – wurden die Schleifutensilien nicht bis hin zur feinsten Körnergröße ausgereizt. Insbesondere an schwer zugänglichen Stellen wie z. B. im Cutaway finden sich roh belassende Stellen, die darauf schließen lassen, dass das Schleifen nicht von Hand erfolgt. Der verwendete weiße Lack ist sehr dünn (eine Schicht?) aufgetragen, sodass der Faserverlauf der Maserung durchscheint. Dies unterstützt den rohen Charakter dieser Erscheinung natürlich noch zusätzlich. Sicher eine kostensparende Methode einer Versiegelung, aber stilistisch eine konsequente, die dieser Gitarre ihr eigentliches Gesicht gibt.

Schade, dass man dieser so exzessiv zerhackten TL noch fast neu erscheinende, ziemlich shiny aussehende Hardware montiert hat. Zwar hat die Hardware laut Hersteller-Info ein künstlich gealtertes Chrom-Finish erhalten – richtig, wenn wir ganz genau hinschauen, sehen wir die fast schon zärtlich anmutenden Spuren von Schleifpapier auf den Metalloberflächen von Humbucker, Controlplate und Steg-Grundplatte. Hier hätte ein ausgedehntes Bad in einer leckeren Salzsäure-Lösung jedoch für eine passendere Worn-Out-Patina sorgen können.

Vergleichsweise dezentes Worn-Out-Finish der Hardware (Bild: Dieter Stork)

CLEAN?

Genug erzählt, jetzt das Flanellhemd übergezogen und ran an die Axt! Akustisch macht die Fame TL einen recht lauten, für einen Tele-Typ leicht höhenbedämpften Eindruck, bei dem aber dafür der Mittenbereich im Mittelpunkt des Interesses steht. Und noch eins wird beim ersten Höreindruck auffällig: Ein richtig langes, gleichmäßiges Sustain, gepaart mit einem etwas gemütlichen Attack-Verhalten.

Beide PUs basieren auf Keramikmagneten, bekanntermaßen die günstigste Art, Pickups zu bauen. Dass dieses Material jedoch auch richtig gute Ergebnisse liefern kann, beweist nicht zuletzt Pickup-Gigant DiMarzio, der häufig Keramikmagneten einsetzt. Am Amp zeigt die Fame TL dann vor allem eins: Output! Meine eigene Vintage-Type-Tele verhält sich im Vergleich deutlich zurückhaltender, fast schon ängstlich.

Cleane Sounds überspringe ich in diesem Fall, sie würden diese TL auf ihrem Weg zu Fame und Ehre nur aufhalten. Der Fame-Singlecoil am Steg liefert angecruncht und verzerrt dementsprechend ein richtig amtliches Brett mit sattem Druck, einer guten Ausgewogenheit und damit einer breiten Angriffsfläche für Riffs, Powerchords & Co. In Kombination beider Pickups fächert der Sound schön auf und kann z. B. klangstark den Blues beschwören!

Der Humbucker am Hals will sich, wenn er auf sich allein gestellt ist, jedoch nie so wirklich von seiner Wolldecke trennen; mit höheren Frequenzen hat er es nicht so. Geben wir ihm ein fuzziges Zerr-Aggregat an die Hand, entsteht auf Knopfdruck sogar ein Clapton-Woman-Tone, obwohl das Tone-Poti voll auf ist. Wenn man das will, ist das gut. Wenn nicht, muss man sich auf die Klangwelten von Steg-Pickup und Kombinations-Sound konzentrieren. Das geht, und das macht sogar richtig Spaß. Denn hier entstehen gute, verzerrte Sounds, die sich im Band-Mix bestens durchsetzen, weil sie ihren TL-typischen, aggressiven Background nie verleugnen.

Nur um den Humbucker besser zu verstehen, höre ich mir ihn dann nun doch auch im Clean-Modus an. Dank seines hohen Outputs übersteuert dieser Pickup den Eingang meines (Röhren-)Amps recht früh und ist in herkömmlichen Stilarten dank fehlender Höhen-Glocke nur suboptimal einsetzbar. Vielleicht Jazz? Klanglich sicher eine Möglichkeit, aber spielst du Jazz mit solch einer heruntergekommenen Brettgitarre? Wer hingegen warme, volle Sounds mit einer gewissen Wolligkeit mag – zum Beispiel in Kombination mit Fuzz, Tremolo oder LoFi-Delays –, wird entsprechend interessant bedient.

Und noch ein Wort zur Spielbarkeit: Dank des gut gekerbten Kunststoffsattels, der flachen Saitenlage und den korrekt abgerichteten Bünden lässt sich die Fame TL sehr bequem spielen. Das eher flache C-Profil des Halses, das in den höheren Lagen kaum an Stärke zunimmt, in Verbindung mit dem flachen 12″-Radius des Griffbrettes erscheint am Anfang etwas ungewohnt, aber ermöglicht nach dem Kennenlernen ein müheloses Spiel und nahezu grenzenlose Bending-Möglichkeiten.

 

RESÜMEE

Diese Fame TL SE Worn Out, die so aussieht, als ob sie hinter einem Trecker über Feld, Wald und Wiesen geschleift wurde, steht selbstbewusst ihren Mann oder ihre Frau. Aber nur, wenn diese für solch ein kompromissloses Grobes Ganzes selbst bereit sind. Diese TL ist nämlich die wahre Axt im Gitarrenwald – optisch, aber auch klanglich! Sie mag dabei keine cleanen Sounds und ihr Humbucker dient vor allem den Zwischensounds und einer coolen Optik. Das gebotene Rockbrett kommt dagegen mit viel TL-Charakter und einer schönen Aggressivität und sattem Biss. Feingliedrige, hoch auflösende und transparente Sounds spielt man hier einfach nicht, denn damit kann man sich kaum breitbeinig in den Vordergrund drängen.

Ich persönlich beurteile Gitarren in erster Linie nicht nach ihrem Preisschild, sondern danach, ob sich eine Gitarre erstens gut spielen lässt, zweitens, ob sie zuverlässig funktioniert, und drittens, ob sie eine Geschichte zu erzählen hat. Sind diese drei Punkte erfüllt, ergibt sich Punkt vier fast von alleine: ob sie mich als Musiker zu Interessantem, nie zuvor Gespieltem inspiriert. Und tatsächlich – diese Fame TL Worn Out mit ihrem kleinen Preisschild kann alle diese Punkte erfüllen.

Dabei stört mich nicht, dass kaum eine Gitarre so derb gespielt wird, bis sie dermaßen abgerockt aussieht wie diese TL, und dass kaum ein Griffbrett in der Art beansprucht wird, wie mir solche Spielspuren weismachen wollen. Aber eine hundertprozentige Authentizität des künstlichen Alterungsprozesses sollte auch nicht das Aushängeschild dieser Fame TL Worn Out sein. Vielmehr wird hier das Thema Aging/Relicing so radikal interpretiert, dass dies sogar einen neuen, Stil begründen könnte. Eben den eigenen Worn-Out-Stil …

Es dürfte allen klar sein, dass dieser kompromisslose Look viele überfordert; aber es wird auch genug Musiker:innen geben, die sich von solch einer Radikalität direkt angesprochen fühlen. Zumal diese TL den, sagen wir mal, herzhaften, optischen Eindruck auch klanglich konsequent transportiert. Und was kümmert uns dann schon die leicht schief sitzende Halsplatte? Denn: Was zählt, ist auf dem Platz.

PLUS

● Rocksound
● Preis-Sound-Verhältnis
● Spielbarkeit
● Kompromisslosigkeit

MINUS

● halbherziges Worn-Out Finish der Hardware
● Sound des Humbuckers

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hier darf man getrost geteilter Meinung,bzw. herber Kritik oder strikter Abneigung sein!
    Was in letzter Zeit so alles an „abgerockten“ neuen „Worn“ Gitarrenmodellen auf den Markt geworfen wurde,grenzt bisweilen durchaus an Kuriosität.
    Wem es gefällt,der soll damit glücklich werden,mich persönlich,überraschten da viel eher die streng limitierten alten Redwood Strats und Tele von Fender aus Californien.Diese sind,aufgrund ihrer außergewöhnlichen Herkunft des edlen Holzkorpus aus uralten Restbeständen einer äußerst stabilen Brücke,die ab 1930 dazu diente,Lastwagen,Farmtiere und Menschen von einem Ende zum anderen zu transportieren.Und diese Brücke,bzw. aus diesem Holz des Mammutbaumes wurden 2014 u.a. nach dem Brückenabbau Solid Redwood Bodies für einige wenige Fender Stratocaster und Telecaster E.-Gitarren gefertigt! Das besagte,hierfür verwendete Redwood Korpusholz ist zweifellos sehr edel,die Klangeigenschaften und die Haptik atemberaubend! Müßig zu erwähnen,daß die Optik dieses nachträglich von Hand gewachsten/geölten Redwood Korpus einfach traumhaft daherkommt,und in der Maserung jeweils ein echtes Unikat darstellt! Ja,liebe Leute,so etwas nenne ich höchst außergewöhnlich,enorm wertbeständig,extra vagant,selten und einfach nur schön.Damit lieferte Fender U.S.A. damalig ein sehr ungewöhnliches Projekt,was an Eleganz,Seltenheitswert,Klangeigenschaft und Aussehen absolut nicht mehr zu tippen ist! Und die Nachhaltigkeit,oder besser noch,der Arten/-Umweltschutz wurde dabei zweifelsfrei exakt berücksichtigt,da es sich hierbei lediglich um uraltes gebrauchtes Holz handelte,was ja einst zum Bau einer Brückenkonstruktion aus den 1930er-Jahren verwendet wurde! Da sieht eine einfache,künstlich gealterte „Worn“ Elektrogitarre aus Ulmenholz,egal aus welcher Fabrikation hingegen wirklich echt „alt“ aus.Aber,wem es gefällt,der soll mit solch einer preisgünstigen Variante aus Polen,mit nachträglich abgewetzter weißer Farbe froh werden.
    Ehrlich gesagt,mein Ding wäre dies absolut nicht,da lobe ich mir schon viel lieber die erwähnte Solid Guitar der Fender Redwood Strat/Tele Limited Edition,die nun offiziell sowieso nicht mehr im Handel zu ordern wäre,- höchstens vielleicht noch gebraucht von einem Sammler,der dafür garantiert einige €uro Geldscheine mehr verlangen könnte,sie aber schlußendlich wohl doch nicht mehr verkaufen würde,da derartige Unikate eine sehr hohe Wertigkeit besitzen,die man dann als Collector besser selbst in seiner Raritäten Sammlung behält.Da spielt Geld eher eine zweitrangige Rolle,wenn man Besonderheiten ihrer Existenz wegen schätzt,und den finanziellen Aspekt dabei einfach mal abschaltet.Es gibt Gitarren,die gibt man niemals wieder her,- und eine seltene Fender Redwood Strat/Tele gehört ganz gewiss in diese Liga.

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  2. Bei der besagten exklusiven Fender Stratocaster handelt es sich um ein Fender Limited Special Run mit der exakten Bezeichnung „Fender Reclaimed Old Growth Redwood Stratocaster“. Insgesamt wurden weltweit lediglich nur 100 Exemplare aus Corona/U.S.A. an ausgesuchte Händler ausgeliefert.Der damalige Kaufpreis für diese sehr edle Strat lag bei etwa 1.600.-€uro.Und diese Strat klingt absolut traumhaft,wurde penibel verarbeitet und mit den besten Hardware Componenten bestückt,dies kann ich gerne bestätigen,denn ich besitze eine dieser mittlerweile hoch begehrten Special Stratocaster.Überhaupt gar kein Vergleich zu irgendeiner anderen „abgerockten“ und krampfhaft künstlich gealterten billigen Strat-Kopie aus Osteuropa! Die besagte Fender Edel Strat aus einteiligem Mammutbaumholz stammt aus den U.S.A. und gilt unter Kennern zu Recht als Non-plus-Ultra Stratocaster mit Wertsteigerungspotenzial bis zum Abwinken.Ich würde sie niemals veräußern!

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  3. Hätte man diese „preisgünstige“ neue Fame Tele Copy aus polnischer Fertigung sinnigerweise nachträglich extra nicht so arg malträtiert,wäre der Anreiz, eine völlig „unbeschädigte“ Gitarre für kleines Geld mit annehmbaren Klangeigenschaften zu ordern, vermutlich viel interessanter gewesen.Ich frage mich jedesmal erneut,wer solche absichtlich lädierten Gitarren ernsthaft toll findet?!? Kratzer,Schrammen,angelaufene Hardware und diverse Lackbeschädigungen kommen im Leben einer Gitarre,die häufig live im Einsatz ist,sowieso kostenfrei dazu.Den künstlichen Hype auf uralt getrimmte Gitarren empfand ich noch als nie besonders reizvoll.Es ist doch recht paradox,daß man als Gitarrenfabrikant zunächst eine nagelneue,unversehrte Gitarre fertigt,um sie dann im Nachhinein mit groben Werkzeugen optisch absichtlich zu beschädigen.Weshalb wurde diese merkwürdige Prozedur z.B bisher eigentlich noch nie bei einem hochpreisigen Sportwagen der oberen Luxusklasse angewendet? Es gibt sehr merkwürdige Sachen,die muß man wohl nicht unbedingt verstehen.Ich freue mich daher, daß die Mehrzahl der fabrikneuen Gitarren auch zukünftig nicht dieser fragwürdigen Tortur ausgesetzt wird! Aber,eventuell ist es in demnächst sogar „extrem geil“, wenn fabrikfrische Gitarren absichtlich ab Werk ohne jedwede Hardware und ohne Saiten ausgeliefert werden,aber,wer weiß, vielleicht löst das dann bei einigen wenigen „Insidern“ einen besonderen Kaufanreiz aus???

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