Ruhm & Nitro

Test: Fame Forum IV Classic Aged TSB und GT

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(Bild: Dieter Stork)

Ganz neue Gitarren, die so aussehen, als ob sie schon seit langer Zeit gespielt worden wären, sind recht lange schon sehr angesagt. Kaum ein anderer Trend polarisiert so wie dieser, aber die Lager der Befürworter und Gegner des Agings scheinen in etwa ausgeglichen zu sein, da sonst wohl nicht so viele Hersteller auf die Idee kämen, ihre eben erst gebauten Gitarren noch durch einen aufwendigen künstlichen Alterungsprozess zu schicken.

Die Fame Forum IV gibt es seit über 25 Jahren. Das Gitarrenmodell, das auf den ersten Blick einem bekannten amerikanischen Design sehr ähnlich sieht, hat sich im Laufe der Jahre durch eigene konzeptionelle Twists zu einem eigenständigen Modell entwickelt, das eine beachtliche Qualität zu einem attraktiven Preis bietet. Dabei setzt der Music Store, dessen Hausmarke eben Fame ist, auf eine Kleinserienfertigung made in Europe. Und geht mit der neuen Forum IV den nächsten Schritt, denn diese sind nicht nur mit Nitrocellulose-Lack versiegelt, sondern auch noch ge-aged …

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BLICKWINKEL

Die neue Fame Forum IV Classic wird in der Tschechischen Republik bei der renommierten Fabrik NBE gebaut, die auch Instrumente anderer bekannter Marken herstellt. Die Tschechische Republik verfügt über eine jahrhundertealte Tradition im Instrumentenbau und ein großes Reservoir an Fachleuten, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben – einschließlich der alten Lackiermethoden, zu denen auch die Arbeit mit Nitrolacken gehört.

Und tatsächlich steht die Lackierung und das damit eng verbundene Aging im Mittelpunkt dieser neuen Forum IV, denn zum ersten Mal in der Geschichte dieser Marke werden Gitarren in Nitro lackiert. Nitrolack – der Stoff, aus dem die Träume sind? Nun, man sollte es nicht übertreiben, denn alles hat seine Vor- und Nachteile.

So ist ein Nitrolack oft dünner als ein Polyurethanlack und verdunstet mit der Zeit, wodurch typische Risse in der Oberfläche entstehen. Polyurethan-Lacke hingegen härten aus und behalten ihre Festigkeit, schützen die Gitarre also auch langfristig wirksam vor Feuchtigkeit und Schmutz. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass Poly-Lacke keine wirklich gute Basis für das beliebte Aging sind; hier ist die weichere Nitro-Lackierung klar im Vorteil, wie auch diese Forum IV beweist.

Simulierte Haarrisse und Spielspuren auf der Decke (Bild: Dieter Stork)

Der Music Store hat sich für eine eher dezente künstliche Alterung entschieden. Auf der Vorderseite, vor allem auf der Goldtop, finden sich hier und da einige Kratzer in den Bereichen, wo man mit dem Plektrum entlanggefahren sein könnte. Auf der Rückseite gibt es die typischen Nitro-Risse im Lack und auch etwas „belt buckle wear“. Die Forum IV in Tobacco Sunburst zeigt noch weniger Aging, hauptsächlich an der Deckenkante und auf der Rückseite im Bereich der Gürtelschnalle. Das war es dann aber auch schon – am Hals, am Griffbrett und an der Hardware sind keine Alterungsspuren zu entdecken.

Spuren einer virtuellen Gürtelschnalle (Bild: Dieter Stork)

Natürlich werden im Laufe der Jahre echte Spuren der Zeit hinzukommen – das macht eine Nitro-Lackierung ja gerade spannend; mehr Risse, mehr Dongs durch den Spielbetrieb, und irgendwann ist das beim Erwerb mitgekaufte Aging eben ein persönliches Aging geworden.

Dezente Abnutzungsspuren an der Korpuskante (Bild: Dieter Stork)

Schauen wir uns nun aber einmal an, wie die Forum IV Classic grundsätzlich aufgebaut ist. Bei der Materialwahl spielt die weltweit verbreitete Mahagoni-Familie eine wichtige Rolle. Der einteilige Hals ist aus Sapelli gefertigt und mit dem Korpus über einen „long tenon“ verleimt, der bis zur Hinterkante der Hals-Pickup-Fräsung reicht. Der Hals-Korpus-Übergang erfolgt am 21. Bund, was der Greifhand in den oberen Lagen reichlich Platz bietet, zumal sie durch die intensive Konturierung des unteren Cutaways noch mehr Freiraum erfährt. Bis in die höchsten Lagen am 24. Bund lässt es sich bequem jubilieren!

Und ja, wir haben es hier mit 24 Bünden zu tun, und die kommen im handlichen Medium-Format. Die Bundierung ist tadellos, sowohl was die Abrichtung, die Politur als auch die Entgratung der Griffbrettflanken betrifft. Schön auch, dass die beiden E-Saiten genügend Abstand zur Griffbrettkante haben. So können auch diese Saiten weit und gefühlvoll gezogen werden, ohne in Gefahr zu laufen, vom Griffbrett abzurutschen.

Am Übergang vom Griffbrett zur Kopfplatte sitzt der optimal abgerichtete Sattel aus Black TUSQ, dessen Schmiereigenschaften die Stimmstabilität der Gitarre fördern. Die Saiten verlaufen vom Sattel fast schnurgerade zu den leichtgängigen und präzise arbeitenden Gotoh-Mechaniken, und zur Verstärkung der stets bruchgefährdeten Stelle am Übergang vom Hals zur Kopfplatte befindet sich auf der Rückseite ein deutlich ausgearbeiteter Kragen in genau der richtigen Größe: klein genug, um das Spiel in den ersten Lagen nicht zu behindern, groß genug, um dieser kritischen Stelle Halt zu geben.

Und ja – wer bei einer so klassisch ausgerichteten Gitarre immer noch Palisander als Griffbrettholz erwartet, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Palisander ist längst selten, teuer und reglementiert. Bemerkenswert, dass Fame hier nicht auf preisgünstige Alternativen wie Lorbeer, Nussbaum, Jatoba oder Pau Ferro zurückgreift, sondern auf das zweite klassische Griffbrettholz der Geschichte: Ebenholz.

Interessanterweise hat die Mensur der Forum IV typische Gibson-Maße: 628 mm. Bei diesem Design hätte man eigentlich eine längere Mensur erwartet. Aber – diese Mensurlänge ist eben einer der oben erwähnten Twists, die die Kölner ihrem Doublecut-Design verpasst haben. Ein anderer ist die ausgesprochen schwungvolle Wölbung der Decke, aber auch die deutliche konvexe Konturierung des Deckenrandes und die geschmackvollen Vertiefungen in der Decke für die je zwei Potis (Master-Volume, Master-Tone) und Schalter (Pickup-Toggle, Split-Coil).

Über den massiven Tune-o-matic-Steg, der auf 8 mm starken Bolzen in Gewindehülsen sitzt, laufen die Saiten schließlich zu einem handelsüblichen Stop-Tailpiece und werden dort verankert.

Die Wahl der Korpusmaterialien folgt einem klassischen Muster: Khaya-Mahagoni als solide Basis, darauf eine massive Ahorndecke, die sich durch ein „natural binding“ optisch von der dunklen Zarge abhebt. Die Decke der Tobacco-Sunburst-Version zeigt zusätzlich eine intensive Riegelmaserung, die Goldtop verbirgt die Maserungsqualitäten ihrer Decke hinter einem deckenden, wirklich gelungenen Goldton. Insgesamt geben beide Forum IV optisch ein richtig gutes Bild ab.

Ein bewährtes Pickup-Paar von Seymour Duncan – der SH-2 „Jazz“ am Hals und sein Partner in crime, der SH-4 „Jeff Beck“ – ist für die Klangübertragung zuständig. Beide basieren auf Alnico-V-Magneten und sind seit über 40 Jahren auf dem Markt.

Das rückseitige E-Fach ist mit elektrisch leitendem Lack und Alufolie auf der Abdeckung abgeschirmt, letztere ist bündig in die Kunststoffabdeckung eingelassen. Die Elektrik selbst besteht aus Teilen fernöstlicher Fertigung, u. a. finden wir hier zwei Potis der kleineren Bauform des koreanischen Herstellers Sung Ill. Das ist OK-Qualität, lässt aber noch Luft nach oben.

Auf der nächsten Seite geht’s weiter!

Die Rückseite der Tobacco-Sunburst-Version ist schwarz, die der Goldtop transparent lackiert. (Bild: Dieter Stork)

KLANGVOLL

Ergonomisch ist dieses Design mit das Beste, was man sich umschnallen kann. Hier sitzt einfach alles an der richtigen Stelle, die Forum IV ist rundherum sehr komfortabel zu spielen. Hatte ich eigentlich schon die „Bierbauch“-Kontur auf der Rückseite erwähnt? Zum Stil der Gitarre passt auch ihr Halsprofil – nicht schlank, nicht fett, sondern irgendwo in der Mitte zwischen den viel zitierten 59er- und 60er-Gibson-Maßen.

Die kurze 628-mmMensur schickt zudem den linken Arm nicht zu weit nach links, und verstärkt damit das Gefühl, mit dieser Gitarre eine Einheit, eine verschworene Gemeinschaft bilden zu können. Dazu dieses mit knapp 44 mm wirklich nicht zu schmale Griffbrett, die flache Saitenlage und die gute Verarbeitung von Bünden und Griffbrettkanten … all dies trägt dazu bei, dass diese Gitarre erstklassig in ihrer Handhabung ist.

Den Klangcharakter der Fame IV würde ich eindeutig in Richtung Les Paul einordnen. Er ist grundsätzlich fett und hat sowohl im cleanen wie auch im verzerrten Bereich eine deutlich vernehmbare, eigene Stimme, einen ausgeprägten vokalen Sound, der vom Einschwingverhalten der Saiten und dem beachtlichen Sustain der Classic profitiert. Dieses im besten Sinne fette Klangbild hat zudem eine gute Dynamik und einen stets präsenten und satten Obertongehalt, sozusagen die Kirsche auf der Sahnetorte.

Dank der Pickup-Kombination SH-2/SH-4 werden nicht nur Vintage-Sounds, sondern auch härtere Gangarten bedient. Der SH-2 glänzt mit warmen, runden, glockigen Tönen und erinnert damit deutlich an eine gute Les Paul. Im Zerr-Modus profitiert er von seiner durch den 24-Bund-Hals etwas nach hinten verlagerten Position, die den tiefen Frequenzen mehr Transparenz und Definition verleiht, das gesamte Klangbild nach oben öffnet und belebt.

Bewährt und aus gutem Grund beliebt: Seymour Duncan SH-2 in Kombination mit dem SH-4 am Steg (Bild: Dieter Stork)

Durch seine Position und Konstruktion ist der Steg-Pickup SH-4 für ein mittig orientiertes Klangbild verantwortlich, das stets druckvolle, drahtige und luftige Töne mit breitem Obertonspektrum aus dem Ärmel schüttelt. Im verzerrten Modus beweist der SH-4 großes Durchsetzungsvermögen mit straffen, konkreten Bässen, kraftvollen Mitten, klaren Höhen und einer exzellenten Dynamik, auch bei High-Gain-Sounds. Die Sounds beider Pickups lassen sich durch Anschlagsstärke, Anschlagsposition, Vibrato und andere Spieltechniken leicht individualisieren, ein ausdrucksstarkes Spiel ist nicht nur problemlos möglich, sondern wird von dieser Gitarre geradezu herausgefordert.

Fast hätte ich vor lauter Humbucker-Welten den Split-Coil-Schalter vergessen. Er aktiviert die beiden inneren Spulen der Humbucker für ein dünneres und drahtigeres Klangbild – ein nettes Extra, das man sicher hier und da einsetzen kann, das aber der Kernkompetenz der Forum IV, nämlich satte, cremige und durchsetzungsstarke Humbucker-Sounds, nicht den Rang ablaufen kann. Immerhin sind die gebotenen Singlecoil-Sounds erfreulich nebengeräuschfrei.

RESÜMEE

Die neue Fame Forum IV hat in allen Bereichen überzeugt. Ihre Verarbeitung erreicht ein hohes Niveau, Setup und Handhabung sind bis ins kleinste Detail perfekt. Das Aging dieser Fame-Gitarren ist auf eine so dezente Weise gestaltet, dass dies selbst Anti-Aging-Befürwortern nichts ausmachen sollte – wenn sie sich denn für die vielen wichtigeren Werte dieser Gitarre interessieren sollten.

Wie zum Beispiel für die angenehme Halsbreite, die großartige Ergonomie, die gute Hardware und diese Seymour-Duncan-Pickups, die genau das übertragen, was die neue Forum IV auszeichnet: ausdrucksstarke, kraftvolle Humbucker-Sounds, die in fast allen Musikgenres ihren Platz finden können. Solch eine Over-all-Qualität ist in dieser Preisklasse eine absolute Ausnahme.

Übrigens unterscheiden sich die beiden hier getesteten Gitarren trotz identischer Features in einigen, wenigen Details. Die TBS-Version ist um 400g leichter und bietet dadurch ein etwas offeneres Klangbild mit subtileren Nuancen. Die Goldtop ist schwerer, hat einen etwas dickeren Hals und dadurch eine insgesamt rockigere Ausstrahlung. Sie hängt einfach lieber tiefer am Gurt!

PLUS

● Sounds
● Verarbeitung
● Nitro-Lackierung
● Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich persönlich finde es erbärmlich, wenn man die “Patina” kauft. Das ist was für Poser. Echte Gitarristen verdienen sich die Gebrauchtspuren selber, indem sie ihre Gitarre spielen.

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    1. Dem stimme ich voll zu und möchte sogar noch eins draufsetzen: Dieser ganze Aging- oder Relicing-Wahn ist ein Symptom der spätbürgerlichen Dekadenz und Saturiertheit, was sich im übrigen auch darin widerspiegelt, dass es viele Menschen chic finden, sich bereits zerrissene Jeans zu kaufen…
      Besonders lächerlich aber wird es, wenn die “geagten” Oberflächen einer Gitarre mit Klarlack überzogen werden. Das habe ich vor Jahren im Gibson Factory Shop in Memphis mir eigenen Augen gesehen. Absurd! Und die Absurdität wird noch auf die Spitze getrieben, wenn Branchenneulinge Gitarren auf den Markt bringen, die so abgeranzt aussehen, als seien über zig Jahre eher missbraucht als gespielt worden – und das bei einer Marke, die vielleicht gerade mal drei Jahre auf dem Markt ist. Dieser Trend lässt sich zwar nicht aufhalten, aber man muss dieses dekadente Spiel ja nicht mitspielen.

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  2. Statt Geld für das Aging würde ich bessere Qualität bei der Elektronik bevorzugen.
    Was waren das noch für Zeiten als Musikinstrumente noch durch täglichen Gebrauch abgenutzt wurden…..

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    1. Irgendwann wird das Thema hoffentlich mal durch sein. Gebrauchte Gitarren sollen eigentlich billiger sein als neue 😉

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  3. Künstlich gealterte Gitarren für Soft-Eggs. Erst wenn das Ahorngriffbrett, wie damals bei Danny Gaddon, durch ständiges Üben so aussieht als wäre es Rosewood hat die alte Axt Stil.

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  4. Warum kann man die Gitarre nicht einfach mit neuwertigem Nitrolack auf den Markt bringen? Wenn ich die Risse sofort haben möchte, kaufe ich einen Ice-Spray oder lasse die Gitarre eine Nacht auf dem Balkon liegen. Die komischen Dings und Dongs will ich gar nicht vom Anfang an haben. Es gibt jedoch nur die Option mit Aging. Das verstehe ich weder bei Fame, noch bei Maybach. Spart euch doch bisschen Arbeit…

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  5. Diese ganzen wütenden Menschen, die sich immer über Entscheidungen von Unternehmen echauffieren. Eine Firma hat das Ziel Geld zu verdienen. Wenn zahllose Stunden in Marktanalyse und Co gesteckt wurden, wenn man sich sicher ist “Es gibt Leute, die das kaufen wollen”, erst dann wird sowas produzierte oder gar so weit gedacht, dass man es produzieren könnte. Es sind die Spieler:innen, die das wollen. Find ich zwar auch komisch, aber in einer derart rückwärtsgewandten Kultur, wie die des Gitarrenspiels, wundert es nicht. Mal im Ernst: Es gibt sogar Leute, die kaufen noch Gibson und Fender, die seit über einem halben Jahrhundert jeglichen Fortschritt verweigern.

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