Test, Facts & Interview: Die neue Fender American Pro Series
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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Fender Update News: die American Professional Series repräsentiert die aktuelle Entwicklungsstufe in der langen Geschichte der amerikanischen Traditionsfirma. Wer erklärtermaßen Musikinstrumente lebt und atmet und – „we never rest“ – niemals ruht, dem fällt natürlich auch immer wieder Neues ein. Sieht doch aus wie immer? Dann schau und hör halt mal etwas genauer hin!
Die offiziell im Januar 2017 eingeführte und mit 92 Gitarren- und Bassmodellvarianten bemerkenswert umfangreiche American Professional Series löst die seit 1987 existierende American Standard Series ab. Natürlich sind Fender-Instrumente weiterhin wie gewohnt mit Erlenoder Eschekorpus und mit Ahorn- oder Palisandergriffbrettern zu haben. Abgesehen von den neuen Farben Sonic Gray, Mystic Seafoam, Antique Olive und der Einbindung der Modelle Tele Deluxe, Jazzmaster und Jaguar sind die meisten Neuerungen wenig augenfälliger Natur: Mit den V-Mod Singlecoil-Pickups und dem Re-Design der ShawBucker werden Updates der klassischen Fender-Sounds verfügbar gemacht, das Halsprofil wurde nochmals überarbeitet, die Bundierung verfeinert, Knochensattel ist wieder Standard und noch einiges mehr an zeitnaher Aufwertung wurde realisiert, wie wir gleich sehen werden.
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Traditioneller Look –zeitgemäße Optimierung
Die Form und Erscheinung der Fender- Modelle ist gesetzt. Die aktuelle Differenzierung bezieht sich folglich auf die vielen technischen Details, welche sich auf den Klang und die Handhabung auswirken. Bei den vorgelegten Stratocaster- Modellen handelt es sich um Ausführungen mit historischer Singlecoil-Bestückung und einteiligem Ahornhals einerseits und SSH-Pickup-Konfiguration mit Humbucker in der Stegposition und Ahornhals mit Palisandergriffbrett andererseits. Dazu gesellt sich noch ein Telecaster- Modell mit Standard SC-Bestückung – ein nettes Clübchen also.
Der Korpus beider American-Pro-Strat- Varianten mit den bekannten Konturen besteht aus Erle. Die Pro Telecaster in der vorliegenden Ausführung (Two Tone Sunburst/ einteiliger Ahornhals) kommt mit einem Korpus aus Esche, wie immer flache Planke (es gibt natürlich auch verschiedene Ausführungen mit Erlenkorpus). Alle Hälse unserer Probanden sind mit dem neuen „Deep C Neck Profile“ ausgestattet. Dazu bekamen sie mit den Narrow- tall Frets auch ein neues Bundmaterial. Die detailgenaue Verarbeitung mit optimaler Verrundung der Griffbrettkanten und perfekt daran angeglichenen Bundenden kann man nur großartig nennen. Trotz der Standard-Cast/Sealed- Staggered-Mechaniken mit gestaffelten Wickelzylindern sorgt bei allen drei Modellen ein zusätzlicher Stringtree auf der wie üblich parallel nach hinten versetzten Kopfplatte für verbesserten Andruck auf den Sattel aus Knochen.
Das aktualisierte 2-Point Synchronized Tremolo mit Saitenreitern aus Bugstahl bei den American Pro Strats bekam einen neuen Pop-in Tremolo Arm, der in seiner Beweglichkeit mittels einer kleinen Inbus-Schraube im Stahlblock justierbar ist.
Die neue Telecaster Bridge dagegen verfügt über drei „Compensated Brass Barrel Saddles“ für eine saubere Intonation und dazu noch einen überarbeiteten „Ashtray“ mit flach ausgearbeiteten Außenseiten der stählernen Bodenplatte. Elektrik: Die neuen V-Mod Stratocasterund V-Mod Telecaster-Pickups wurden von Tim Shaw mit verschiedenen Alnico- Magneten auf die jeweilige Position im Set hin abgestimmt. Auch Tims ShawBucker Pickup in der SSH Strat-Version erhielt ein Re-Design zur harmonischen Angleichung. Die Schaltung der Am-Pro-Strat-Modelle ist identisch. 5-Position Blade Switch: Position 1. Bridge Pickup, Position 2. Bridge and Middle Pickups, Position 3. Middle Pickup, Position 4. Middle and Neck Pickups, Position 5. Neck Pickup. Master Volume mit Treble-Bleed, Tone 1. (Neck/Middle Pickups), Tone 2. (Bridge Pickup).
Bei der Am Pro Tele haben wir einen 3-Position Blade Switch: Position 1. Bridge Pickup, Position 2. Bridge and Neck Pickups, Position 3. Neck Pickup. Verwaltet wird hier per Master Volume mit Treble- Bleed und Master Tone. Durch den Treble Bleed Circuit in allen Modellversionen soll beim Zurückregeln der Lautstärke das „High End“ im Klangbild unabhängig von der Reglerposition erhalten bleiben. Die vorgelegten Gitarren sind detailgenau und in jeder Hinsicht klaglos sauber verarbeitet und lackiert. Der jeweilige Korpus und die Greifflächen bei den Ahornhälsen wurden mit einem Gloss Urethane Finish in Perfektion versiegelt, die Halsrückseiten bekamen ein Satin Urethane Finish. Geliefert wird in einem Elite Molded Case und natürlich wurde auch dieses überarbeitet.
Tolle Halsprofile – kraftvolle Sounds – überarbeitete Elektrik mit Treble Bleed Circuit
So verschieden ihre Ausstattungen im Detail auch sein mögen, die Hälse der vorliegenden American Pro-Kandidaten fallen mit fast identischer Profilierung sehr ähnlich aus. Die aktuellen Instrumente werden überdies nun auch mit neuem Bundmaterial ausgestattet. Die Narrow-tall Frets sind etwas höher und schmaler im Vergleich zu den herkömmlichen Medium Jumbo-Bünden. Zusammen mit dem „Deep C Neck Profile“, das im Schulterbereich etwas stärker ausgebaut ist und sich insgesamt leicht fleischiger als das Slim C-Profil anfühlt, spielen sich die Hälse aller drei Modelle ganz wunderbar. Dazu trägt nicht zuletzt auch die hervorragende Verrundung der Griffbrettkanten mit weich abgefasten Bundenden bei – besser geht das kaum.
Die Stratocaster-Varianten liegen vom Gewicht her nah beieinander, unterscheiden sich akustisch abgehört aber doch recht deutlich durch die unterschiedliche Halsbeschaffenheit. Die am alten Standard orientierte Version mit SSS-Pickup- Konfiguration ist etwas leichter und bringt den stringenten, leicht knochigen Touch eines einteiligen Ahornhalses effektiv in das Tonambiente ein. Die Gitarre schwingt sehr frei und offen, zeigt typische Merkmale wie die schnelle Ansprache mit perkussiver Note. Die SSH-Alternative bietet das etwas feinere Bild mit perfekter Auflösung der Stimmen im Akkord in einem leicht dunkleren Timbre. Beide Klangbilder sind mit atemreichem Schwingverhalten auf jeden Fall hochklassig zu nennen und wenden sich lediglich an differierende geschmackliche Präferenzen.
Die Pro Tele mit ihrem Eschekorpus und dem einteiligen Ahornhals klingt im direkten Vergleich – oops Äpfel und Birnen – etwas schlanker und hat deutlich mehr Draht im Ton. Hier wollen wir die spezifische Differenz nun aber wirklich loben, die dann elektrisch sicherlich noch größer werden wird. Auf jeden Fall können wir auch der Tele lebhafte Tonentfaltung und vital sonore Grundeigenschaften bestätigen.
Zeit nun für die vom langjährigen Fender- Mitarbeiter Shaw überarbeitete Elektrik – schicken wir erst einmal die Stratocaster- Modelle gegeneinander ins Rennen: Die American Pro SSS Strat verstärkt tatsächlich die zuvor schon gehörten akustischen Klangeigenheiten identisch hoch. Sehr schön transparent und seidig in der Auflösung kommen Akkorde zum Ohr, der Anschlag wird präzise und knackig akzentuiert umgesetzt. Die V-Mod Stratocaster Singlecoil Pickups zeichnen kraftvoll durch und stehen dabei bestens ausgeglichen zueinander. Es sind keine Sprünge oder Verluste beim Durchwechseln zu hören, lediglich das Farbambiente ändert sich positionsbedingt. Bemerkenswert ist dabei die gute Höhenrundung. Selbst dem Steg-Pickup geht übermäßige Schärfe ab. Das Tonambiente greift auf klassische Vintage-Qualitäten zurück (Bell Tone), die sich besonders in klaren Verstärkereinstellungen in allen Schaltstellungen überzeugend und differenziert in Szene setzen lassen.
Gehen wir auf Drive, so knurrt der verzerrte Ton in den Bässen mit leicht kehligem Ausdruck. Trocken und knochig, aber im Zweiklangverhalten angenehm harmonisch ertönen charaktervolle Powerchords. Sehr schön dynamisch lässt sich die Zerrintensität mit dem Plektrum steuern. Nach dem Anschlag ist der Ton sofort ganz vorn, federt leichtfüßig vom Griffbrett und hat diese spritzige, leicht hohle und höchst präsente Attitüde, die in dieser Güte erst das Zusammenwirken von stimmiger Konstruktion, besten Materialien und potenter Elektrik möglich macht. So tiefkehlig und konturstark der Hals- Pickup umsetzt, so pointiert kontert der Kollege am Steg. Das ist wohl etwas pikant in klaren Einstellungen, beißt aber dann auch in Zerrpositionen mit enormer Präsenz und scharfer Angriffslust ganz formidabel ins Ohr. Trocken und durchsetzungsstark lässt sich damit abdrücken, ohne dass uns gleich das Blut aus dem Ohr tropft. Stark!
Die akustisch etwas feiner und leicht dunkler tönende American Pro HSS Strat steht der traditionellen Schwester in der elektrischen Potenz kaum nach. Am Verstärker punktet sie mit plastischer Akkordumsetzung und festem Single- Note-Ton. Sehr schön rund und definiert tönen die Einspuler, bieten Fender- Sounds par excellence mit bester tonaler Rundung. Das zahlt sich natürlich auch in Zerrpositionen des Amps aus, auf die die Gitarre mit festem, kernig markantem Ton reagiert. Tendenziell ist der Ton im Vergleich zur SSS-Schwester etwas geschlossener, hat nicht deren stark perkussiv geprägten Aufriss, ist sozusagen eleganter. Der ShawBucker am Steg ist nun keineswegs auf krasse Leistung gewickelt, geht aber dynamisch doch deutlich nach vorn, separiert sich folglich im Lautstärkeniveau von den anderen Pickups.
Bei schnellem Flip/Flop-Schaltwechsel leuchtet er stark auf, was schon für sich allein gesehen einen interessanten Effekt darstellt. Grundsätzlich ist ja der Humbucker in Stegposition für viele Spieler eine echte Option, früher war er gar Kennzeichen einer sogenannten Super Strat, da er das Sound-Repertoire einer herkömmlichen Stratocaster doch deutlich erweitert. Der aktuelle ShawBucker bleibt nun in der Fender-Spur, indem er das Tonambiente der Gitarre aufnimmt, es verdichtet und leicht komprimiert darstellt. Damit ist dank guter Höhenausstattung und nicht zu weicher Auflösung im Bass auch im Clean-Modus noch bestens zu arbeiten, lässt aber im Overdrive dann doch jenen fetten, deutlich mittigeren, aber zugleich obertonsatten und vokal definierten Strahl zu, der die SSH-Strat für unbedingt mehr als die gewohnt traditionelle Klangauslegung qualifiziert.
Die American Pro Telecaster kann sich ebenfalls auf von Tim Shaw überarbeitete Pickups berufen. Nicht ganz unerwartet trumpft sie mit scharfem Biss auf. In der Tonentfaltung ist sie noch schneller als die SSS-Strat, bildet Anschlagsfacetten und -positionen perfekt ab. Der V-Mod Singlecoil am Hals beeindruckt mit Präsenz und Tiefgang zugleich. Der Ton ist komplex, obertonreich und mit schöner Hohlkehle gesegnet. Damit setzen wir schon bei leichtem Anschlag sehr schön ausgewogene, runde Akkorde in Szene. Bei härterem Attack kommt der Ton mit markant perkussivem Akzent spontan in Schwingung und singt dann ganz ausgezeichnet. Gehen wir in den Zerrmodus, so reagiert das Instrument auf die leichteste Fingerbewegung geradezu freudig erregt, was Hammer-Ons und Pull-Offs zum reinen Vergnügen macht. Linienspiel erhält durch die perkussiv umgesetzten Anschläge eine besonders griffige Struktur, die Spieltechnik wird plastisch umgesetzt. Über den Steg-Pickup gespielt, bringt sie dann auch noch einen gehörigen Twang ins Rennen. Ist der schon in klaren Einstellungen frech und präsent vorn, so drückt er im Overdrive bissig spontan heraus, als käme der ohne Umwege direkt aus den Fingern. Das ist so geradlinig wie angriffslustig, damit kann man locker ein Dach abreißen. Kein Bedarf? Nun, der Ton lässt sich alternativ auch perfekt mit den Reglern abgleichen und bewahrt sich dann sogar ein überraschend angenehmes Vintage-Flair.
Sehr schönes spieltechnisch relevantes Detail noch: die flach ausgearbeiteten Außenseiten der neuen „Ashtray“-Bodenplatte geben der rechten Hand ungehinderten Aktionsradius. Wer gern funky Rhythmen spielt oder in härteren Gangarten auf Bashing steht, der freut sich, dass er nun endlich ohne blutige Hand davonkommt. Apropos Blut: tatsächlich arbeitet auch der Treble Bleed Circuit in der Schaltung aller Testkandidaten ganz ausgezeichnet. Die Höhen bleiben folglich beim Zurücknehmen der Lautstärke präsent und vital – sehr schön!
Das Synchronized Tremolo in den Strats arbeitet gut, das kennen wir ja, aber jetzt fehlt mir am Ende doch glatt der Platz, um den neuen Pop-In Tremoloarm noch angemessen zu würdigen. Trotz der gebotenen Kürze – so viel Zeit muss sein: er popt in – yeah!
Resümee
Die vorgelegten Instrumente aus der neuen American Professional Series dokumentieren Fenders ungebrochenen Optimierungswillen. „The Evolution of a Revolution“, wie Fender das selbst nennt, beschreibt den Stand der Dinge ziemlich gut, das ruhelose Leben und Atmen von Instrumenten zeigt also tatsächlich Wirkung. An erster Stelle ist die nochmals optimierte Fertigung zu nennen, der wir vor allem dank toller neuer „Deep C“-Halsprofilierung mit perfekt gemachter Narrow- tall-Frets-Bundierung schlicht wunderbar zu spielende Gitarren verdanken. Dem gesellen sich die überarbeiteten Pickups organisch hinzu, welche mit bester Abgleichung auf ihre Positionen runde und von Vintage-Flair elegant durchwobene Sounds bieten. Im Vergleich differenzieren sich die Instrumente immer noch nach ihrer bautypischen Ausstattung, bieten klassische Fender- Sounds mit Luft und knackigem Attack (Ahornhals) einerseits, oder – etwas runder und innerlich fester – stringente satte Tonentfaltung mit tollem Humbucker- Bonus (Palisander) andererseits, ganz zu schweigen vom bissigen Super-Twang der angriffslustigen, wunderbar perkussiv agierenden Telecaster. Schön die Wahl zu haben und ja, so lassen wir uns das gerne gefallen: Fender verpasst seinen alten Zugpferden in der American Professional Series ein zeitnahes Lifting, das nicht nur optisch nach Beifall heischt. Für die Widmung an das Detail in spieltechnischer Hinsicht und die funktionsstarke Elektrik muss man sogar noch einen Extrastern vergeben. Fender in Bestform!