Best of both worlds

Test: EVH SA-126 Special Stealth

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(Bild: Dieter Stork)

Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Nun, in Sachen Virtuosität auf sechs Saiten muss Wolfgang Van Halen niemandem mehr beweisen, dass er eindeutig der Sohn seines überlebensgroßen Vaters ist. Bei der Entwicklung seiner ersten eigenen Signature-Gitarre unter dem EVH-Label fällt der Apfel schon etwas weiter.

Wer hier eine bloße Neuauflage der guten, alten Wolfgang-Signature-Gitarre (gesprochen: Woolfgäng – Eddie benannte damals sein eigenes Signature-Modell nach seinem Sohn) von Peavey oder EVH erwartet, wird schwer enttäuscht. De facto hat die SA-126 Special nicht wirklich viel mit der legendären Gitarre des Vaters zu tun, sondern legt den Grundstein für eine komplett eigenständige Serie.

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Doch schon der Name der Gitarre weist auf das Erbe Eddie Van Halens hin: SA steht für „Semi Acoustic“, 126 für den 26.01.1955, den Geburtstag des revolutionären Gitarristen. Eddie seinerseits hat damals den Song „316“ nach dem Geburtstag seines Sohnes benannt. Enge Familienbande also.

SEMI-HOLLOW AUF STEROIDEN

Das wuchtige und edel anmutende (leider aber auch brutal synthetisch stinkende) Ivory-Hard-Case macht einen ziemlich stabilen Eindruck und stimmt mich schon mal darauf ein … diese Gitarre ist wirklich groß! Der ausladende Korpus misst an seiner breitesten Stelle ganze 38,5 cm. Zum Vergleich: meine Yamaha Pacifica liegt an dieser Stelle bei schlanken 31 cm.

Grundsätzlich ist die SA-126 Special durchaus als Semi-Hollow-Gitarre zu werten: Der ganze Bereich unter dem E-Hole (ein weiteres Tribut an Eddie) ist ausgefräst, so dass sich ein großzügiger Hohlraum auf der oberen Korpushälfte ergibt.

Während der gesamte Korpus aus Mahagoni gefertigt ist, fiel die Wahl für den durchgehenden Centerblock auf Linde. Das Ganze ist dann wiederum mit einer Decke aus Ahorn versehen. Fans von Eddies verschiedenen Signature-Gitarren werden sich erinnern, dass auch seine Wahl bereits bei der Zusammenarbeit mit Music Man Anfang der 90er-Jahre auf eben diese Kombination aus Linde und Ahorn fiel.

Der verschraubte Mahagoni-Hals ist mit vier Schrauben arretiert und trägt ein ca. fünf Millimeter starkes Griffbrett aus hellbraunem Ebenholz, das mit einem Compound-Radius von 12″ auf 16″ und dreiteiligen Inlays versehen wurde. Die 22 Jumbo-Bünde sind sauber abgerichtet und verkront, sodass die Enden sichtbar bleiben, jedoch keinerlei scharfe Kanten spürbar sind.

Ein Gurtpin wurde auf eine der vier Halsschrauben aufgesetzt. Ein zweiter Pin befindet sich als Alternative am oberen Horn. (Bild: Dieter Stork)

Auch der GraphTech-TusQ-Sattel ist sauber aus- und abgerichtet, sodass die Saiten freien Lauf zu den sechs EVH-Keystone-Mechaniken haben. Auf dem Body verschraubt ist ein Stop-Tailpiece sowie ein moderner Nachbau der guten, alten Harmonica-Brücke (beides in schwarz), wie man sie häufig bei Gibson-Style-Gitarren aus den 70er-Jahren finden konnte. Waren vor allem die japanischen Kopien dieser Zeit von eher zweifelhafter Qualität, ist die Variante der EVH SA-126 Special natürlich vollkommen auf Höhe der Zeit und wurde aus massivem Messing gefräst.

EVH-Keystone-Mechaniken auf matt in „Stealth Black“ lackierter Kopfplatte (Bild: Dieter Stork)

Für die beiden EVH-SA-126-Humbucker ist eine klassische Les-Paul-Schaltung mit je einem Volume- und einem Tone-Regler zuständig, während der am oberen Horn sitzende Toggle-Switch die Pickups wählen lässt. Zwar sind bei dem Instrument klassische Rahmen um die Humbucker verbaut – diese dienen jedoch nur der Optik, da die Tonabnehmer darunter direkt in den Centerblock der Gitarre geschraubt sind. Etwas unschön, dass bei den Rahmen nun ein überflüssiges Loch geblieben ist, in dem normalerweise die Schraube für die Aufhängung der Pickups sitzen würde.

Während der graphitverstärkte Hals nur mit einer hauchdünnen Lackschicht versiegelt wurde, sind Korpus und Kopfplatte (inklusive der Rückseite) mit einer matten „Stealth Black“-Lackierung versehen, die zusammen mit dem fünflagigen Binding schlicht aber schön aussieht.

Mit einem Gewicht von ca. 3,7 kg ist die Testgitarre zwar kein Leichtgewicht; angesichts der Größe hat man dennoch nicht das Gefühl, dass hier unnötig viel Material am Gurt hängt. Insgesamt macht die in Mexiko gebaute EVH SA-126 Special einen absolut soliden Eindruck. Die Verarbeitung mag im Detail zwar nicht die Finesse amerikanischer Serienmodelle oder gar japanischer Custom-Shop-Gitarren aufweisen – insgesamt gibt es jedoch keinerlei funktionelle Kritikpunkte.

 

RIESENSOUND!

Um es gleich klarzustellen: Die Größe der EVH SA-126 könnte für eher kleine Gitarrist:innen durchaus ein Thema sein. Für mich mit 1,94 m lässt sich das Instrument zwar problemlos spielen – kleinere Menschen können die Größe möglicherweise jedoch als hinderlich empfinden. Die 42 mm starke Zarge, die aufgrund der Konstruktion natürlich ohne ein Arm-Shaping auskommt, könnten diesen Eindruck noch verstärken.

Ziemlich smart finde ich die Position der beiden vorderen Gurtpins: während Nummer eins direkt am oberen Horn positioniert wurde, findet man, auf eine der Halsschrauben aufgesetzt, einen zweiten Pin, mit dem die Gitarre etwas höher und auch ausgewogener am Gurt hängt. Vor allem das Spiel in den obersten Lagen wird so spürbar bequemer.

Der Hals mit seinem „EVH Modified C Shape“ liegt mir gut in der Hand und ich habe weder das Gefühl, hier zu viel oder zu wenig Holz zwischen den Fingern zu haben. Mit dem Feeling der klassischen EVH-Wolfgang hat diese Gitarre freilich wenig zu tun. Der riesige, kantige Body, die Brückenkonstruktion und nicht zuletzt auch die kurze Mensur von 628 mm, sorgen für ein Handling, das viel mehr an eine konventionelle Semi-Hollow-Gitarre erinnert.

Auch klanglich liefert die EVH SA-126 Special das, was man von ihrer Konstruktion zunächst einmal erwarten würde: Akustisch gespielt sind vokale, sehr kräftige Mitten sowie eine schöne, brillante Auflösung der Höhen hörbar, während die Bässe ein ganzes Stück zurücktreten und Platz für ein lautes, kraftvolles Klangbild machen.

Die gesamte Gitarre zeigt sich resonant und schwingt gleichmäßig mit einem gesunden Sustain aus. Am Verstärker staune ich ein wenig, dass es sich bei den verbauten EVH-SA-126-Humbuckern keineswegs um superheiße Power-Aggregate, sondern viel mehr um klassische Medium-Output-Tonabnehmer im besten Sinne handelt.

Clean gespielt liefert der Halstonabnehmer ein schönes, aufgeräumtes Klangbild, das dank der eher schlanken Bässe, sehr brillant und knackig rüberkommt. Die lautstarken Mitten der Gitarre treten auf dieser Position nicht so präsent auf, wie ich akustisch gespielt zunächst vermutet hätte.

Dies ändert sich schlagartig beim Umschalten auf die Stegposition: Hier liefert das Instrument einen mittig-rotzigen, angriffslustigen Ton, der die Ärmel bis zu den Schultern hochgekrempelt hat und nur darauf wartet, dass ich in den Zerrkanal wechsele. Hier platzt die SA-126 regelrecht vor knackiger Präsenz, gepaart mit einer gewaltigen Portion explosiver Obertöne.

Simple Powerchords und Quartgriffe entwickeln eine beeindruckende Durchschlagskraft, ohne dass der Sound jedoch unangenehm komprimiert wird. Aber auch komplexere Akkorde werden wunderbar aufgelöst und selbst bei deutlich tieferen Tunings, bietet die EVH eine bemerkenswerte Transparenz, die man einer Semi-Hollow-Gitarre so erst einmal nicht zuschreiben würde.

Bedenkt man, dass Wolfgang Van Halen seine eigenen Instrumente ebenfalls tiefer stimmt und auch am Gain-Regler seiner EVH-Amps wahrlich nicht zimperlich ist, ist diese Eigenschaft seines Signature-Models keineswegs verwunderlich.

Besonders bemerkenswert finde ich, dass das Attack der SA-126-Special hörbar tiefer sitzt, als beispielsweise das meiner Fender-MIM-Telecaster. Wo die Tele mit „Knack“ und „Twang“ punktet, liefert die EVH-Gitarre ein fettes, druckvolleres Attack, dessen Impuls weiter unten im Frequenzspektrum sitzt, einem dafür aber einen gezielten Haken in die Magengrube verpasst.

Besonders im Distortion-Betrieb und in Verwendung des Steg-Humbuckers macht sich diese druckvolle Eigenschaft positiv bemerkbar. Dabei schafft es die EVH SA-126 Special, dass das tragfähige Attack auf den Diskantsaiten durchweg ein sattes Fundament liefert, auf den Basssaiten aber trotzdem schnell und transparent bleibt. Wer also angesichts der Bauweise nur den warmen Händedruck einer freundlichen Jazz-Gitarre erwartet hat, wird staunen, wie druckvoll, explosiv und angriffslustig die SA-126- Special daherkommt. Was für ein Rockbrett!

Stabiles Case, optimal passend, allerdings mit Geruchsproblemen (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ja, der Apfel fällt hier wirklich ziemlich weit vom Stamm und das ist auch gut so. Die EVH SA-126 Special geht gänzlich eigene Wege, schafft es aber, bei all den Veränderungen gegenüber dem restlichen EVH-Portfolio, ihre Wurzeln nicht zu vergessen. Die Form des Korpus lässt sofort an die klassische Wolfgang denken, ohne jedoch wie ein erneuter Aufguss von Eddies Signature-Model zu wirken.

Hier ist es Wolfgang Van Halen und dem EVH-Team gelungen, etwas eigenständiges auf die Beine zu stellen. Die Tatsache, dass die EVH SA-126 Special speziell für laute, harte Gitarrenmusik entworfen wurde, ist natürlich umso erfreulicher. Genau wie bei den älteren Wolfgangs hat man hier das Gefühl, dass jeder Aspekt des Instruments wirklich durchdacht wurde.

Das Design und die Größe der Gitarre mögen vielleicht nicht jeden Geschmack treffen – dafür bekommt man hier ein ausgesprochen charaktervolles Instrument, das zudem auch preislich so angesiedelt ist, dass es für viele Gitarrist:innen durchaus erschwinglich sein dürfte. Was für ein gelungener Startschuss – bitte mehr davon!

PLUS

● Design und Konzept
● Optik
● Klangqualität
● Verarbeitung
● Tonabnehmer
● zweiter Hals-Gurtpin

MINUS

● synthetischer Geruch des Cases

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

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