von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
RIESENSOUND!
Um es gleich klarzustellen: Die Größe der EVH SA-126 könnte für eher kleine Gitarrist:innen durchaus ein Thema sein. Für mich mit 1,94 m lässt sich das Instrument zwar problemlos spielen – kleinere Menschen können die Größe möglicherweise jedoch als hinderlich empfinden. Die 42 mm starke Zarge, die aufgrund der Konstruktion natürlich ohne ein Arm-Shaping auskommt, könnten diesen Eindruck noch verstärken.
Anzeige
Ziemlich smart finde ich die Position der beiden vorderen Gurtpins: während Nummer eins direkt am oberen Horn positioniert wurde, findet man, auf eine der Halsschrauben aufgesetzt, einen zweiten Pin, mit dem die Gitarre etwas höher und auch ausgewogener am Gurt hängt. Vor allem das Spiel in den obersten Lagen wird so spürbar bequemer.
Der Hals mit seinem „EVH Modified C Shape“ liegt mir gut in der Hand und ich habe weder das Gefühl, hier zu viel oder zu wenig Holz zwischen den Fingern zu haben. Mit dem Feeling der klassischen EVH-Wolfgang hat diese Gitarre freilich wenig zu tun. Der riesige, kantige Body, die Brückenkonstruktion und nicht zuletzt auch die kurze Mensur von 628 mm, sorgen für ein Handling, das viel mehr an eine konventionelle Semi-Hollow-Gitarre erinnert.
Auch klanglich liefert die EVH SA-126 Special das, was man von ihrer Konstruktion zunächst einmal erwarten würde: Akustisch gespielt sind vokale, sehr kräftige Mitten sowie eine schöne, brillante Auflösung der Höhen hörbar, während die Bässe ein ganzes Stück zurücktreten und Platz für ein lautes, kraftvolles Klangbild machen.
Die gesamte Gitarre zeigt sich resonant und schwingt gleichmäßig mit einem gesunden Sustain aus. Am Verstärker staune ich ein wenig, dass es sich bei den verbauten EVH-SA-126-Humbuckern keineswegs um superheiße Power-Aggregate, sondern viel mehr um klassische Medium-Output-Tonabnehmer im besten Sinne handelt.
Clean gespielt liefert der Halstonabnehmer ein schönes, aufgeräumtes Klangbild, das dank der eher schlanken Bässe, sehr brillant und knackig rüberkommt. Die lautstarken Mitten der Gitarre treten auf dieser Position nicht so präsent auf, wie ich akustisch gespielt zunächst vermutet hätte.
Dies ändert sich schlagartig beim Umschalten auf die Stegposition: Hier liefert das Instrument einen mittig-rotzigen, angriffslustigen Ton, der die Ärmel bis zu den Schultern hochgekrempelt hat und nur darauf wartet, dass ich in den Zerrkanal wechsele. Hier platzt die SA-126 regelrecht vor knackiger Präsenz, gepaart mit einer gewaltigen Portion explosiver Obertöne.
Simple Powerchords und Quartgriffe entwickeln eine beeindruckende Durchschlagskraft, ohne dass der Sound jedoch unangenehm komprimiert wird. Aber auch komplexere Akkorde werden wunderbar aufgelöst und selbst bei deutlich tieferen Tunings, bietet die EVH eine bemerkenswerte Transparenz, die man einer Semi-Hollow-Gitarre so erst einmal nicht zuschreiben würde.
Bedenkt man, dass Wolfgang Van Halen seine eigenen Instrumente ebenfalls tiefer stimmt und auch am Gain-Regler seiner EVH-Amps wahrlich nicht zimperlich ist, ist diese Eigenschaft seines Signature-Models keineswegs verwunderlich.
Besonders bemerkenswert finde ich, dass das Attack der SA-126-Special hörbar tiefer sitzt, als beispielsweise das meiner Fender-MIM-Telecaster. Wo die Tele mit „Knack“ und „Twang“ punktet, liefert die EVH-Gitarre ein fettes, druckvolleres Attack, dessen Impuls weiter unten im Frequenzspektrum sitzt, einem dafür aber einen gezielten Haken in die Magengrube verpasst.
Besonders im Distortion-Betrieb und in Verwendung des Steg-Humbuckers macht sich diese druckvolle Eigenschaft positiv bemerkbar. Dabei schafft es die EVH SA-126 Special, dass das tragfähige Attack auf den Diskantsaiten durchweg ein sattes Fundament liefert, auf den Basssaiten aber trotzdem schnell und transparent bleibt. Wer also angesichts der Bauweise nur den warmen Händedruck einer freundlichen Jazz-Gitarre erwartet hat, wird staunen, wie druckvoll, explosiv und angriffslustig die SA-126- Special daherkommt. Was für ein Rockbrett!
RESÜMEE
Ja, der Apfel fällt hier wirklich ziemlich weit vom Stamm und das ist auch gut so. Die EVH SA-126 Special geht gänzlich eigene Wege, schafft es aber, bei all den Veränderungen gegenüber dem restlichen EVH-Portfolio, ihre Wurzeln nicht zu vergessen. Die Form des Korpus lässt sofort an die klassische Wolfgang denken, ohne jedoch wie ein erneuter Aufguss von Eddies Signature-Model zu wirken.
Hier ist es Wolfgang Van Halen und dem EVH-Team gelungen, etwas eigenständiges auf die Beine zu stellen. Die Tatsache, dass die EVH SA-126 Special speziell für laute, harte Gitarrenmusik entworfen wurde, ist natürlich umso erfreulicher. Genau wie bei den älteren Wolfgangs hat man hier das Gefühl, dass jeder Aspekt des Instruments wirklich durchdacht wurde.
Das Design und die Größe der Gitarre mögen vielleicht nicht jeden Geschmack treffen – dafür bekommt man hier ein ausgesprochen charaktervolles Instrument, das zudem auch preislich so angesiedelt ist, dass es für viele Gitarrist:innen durchaus erschwinglich sein dürfte. Was für ein gelungener Startschuss – bitte mehr davon!