„Dieses Modell ist simpel, aber auf Stereoiden …“

ESP LTD EC-01FT Deluxe im Test: One for the money …

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(Bild: Dieter Stork)

… two for the show, undsoweiterundsofort … ! Wobei – die blauen Wildlederschuhe holen wir jetzt aber nicht aus dem Schrank, sondern steigen lieber in coole Bikerstiefel, um uns ausgiebig mit dieser neuen, spartanischen Axt zu beschäftigen.

Gitarren mit nur einem Pickup sind – im Gegensatz zu blauen Wildlederschuhen – voll im Trend, und ESP schickt mit der LTD EC-01FT ein ganz spezielles Modell dieser Spezies ins Rennen. Dem Wunsch vieler ESP-Spieler:innen nach einer rohen, abgespeckten Variante der ESP Eclipse wurde nun Rechnung getragen. Und eins der typischen Details findet sich denn auch gleich im Namen wieder – das ‚FT‘ bedeutet nichts anderes als ‚Full Thickness‘.

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LOHNENDE UPGRADES

1996 hatte der japanische Hersteller ESP sein Sub-Label LTD gegründet, um auch im unteren Preissegment Instrumente anzubieten. Viele der gerade im Hard’n’Heavy-Bereich sehr erfolgreichen ESP-Gitarren und -Bässe gab es fortan dank Produktionsverlagerungen u. a. nach Indonesien und China unter der LTD-Flagge zu erschwinglichen Preisen. ESP ließ sich von Anfang an nicht lumpen, stellten sie doch jedes Jahr eine schier unglaubliche Anzahl an neuen Modellen vor und ist bis heute damit sehr erfolgreich. In der großen ESP- und LTD-Vielfalt sticht die Eclipse heraus, ESPs eigene Antwort auf das klassische Single-Cut-Design, die sich mittlerweile eine riesige Fan-Base erspielt hat.

Die neue LTD Deluxe EC-01FT, unser Review-Modell, hat die Body- und Kopfplatten-Silhouetten der Eclipse mitbekommen, stößt allerdings mit ihrer flachen Decke und der allgemeinen Reduzierung in der Ausstattung die Tür zu einem Land ganz weit auf, in dem „Rock’n’Roll“ in lauten Großbuchstaben geschrieben wird – das Land der One Pickup Guitars, in dem ehrlicher, handgemachter Musik und einem kompromisslosen Sound ohne überflüssigen Schnickschnack gehuldigt wird. „One pickup and the truth“ ist das Rezept, nach dem hier die meisten Musikanten ihr heißes Süppchen kochen.

Beim Rock’n’Roll hilft bekanntlich eine gute Stimmung, denn sonst ist‘s schnell vorbei mit der guten Stimmung. Dabei helfen der EC-01FT Locking-Mechaniken, die natürlich auch einen schnellen Saitenwechsel unterstützen. Normalerweise sind solche Backlocking-Mechaniken eher groß und schwer, aber diese LTD-eigenen sind schicker, kleiner und leichter als der Durchschnitt.

Die leicht nach hinten abgewinkelte Kopfplatte kommt natürlich ohne Saitenniederhalter aus und trägt neben dem LTD-Logo und der Modellbezeichnung den Hinweis ‚Deluxe‘ auf der Vorderseite, die den Unterschied zur günstigeren Schwester EC-201FT auch optisch klarstellt.

Der 43 mm breite, schwarze Kunststoffsattel bietet der Greifhand viel Platz auf dem Griffbrett, sehr schön! Eclipsetypisch ist die bruchempfindliche Stelle, an der sich der Zugang zum Halsstab stattfindet, auf der Rückseite mit einer Verdickung deutlich verstärkt, was die Sollbruchstelle solcher Halskonstruktionen sehr effektiv stabilisiert.

Die Saiten verlaufen über 22 perfekt abgerichtete Edelstahl-Bünde und ein Ebenholz-Griffbrett, das auf einem dreiteiligen Mahagoni-Hals sitzt. Die Halskonstruktion ist nicht durchgehend, wie man erwarten könnte, sondern der Hals ist tief in den Korpus eingeleimt. Eine solche „Set Thru“-Halskonstruktion ermöglicht einen ergonomisch-geschmeidigen Hals-Korpus-Übergang, was hier perfekt umgesetzt ist.

Versenkter TOM-Steg und Saitenführung durch den Korpus (Bild: Dieter Stork)

Der vom US-Hersteller TonePros stammende Steg im Tune-o-matic-Stil ist um rund fünf mm in den Body hinein versenkt, wodurch der Abstand zwischen Decke und Saiten recht gering und auch der Winkel, den die durch den Korpus geführten Saiten hin zum Steg beschreiben, weniger steil ist. Laut ESP sei dieser geringe Saitenabstand zur Decke sowie eine flache Saitenlage ein deutlicher Wunsch der ESP-/LTD-Gemeinde gewesen, die meist auch Gitarren mit Floyd-Rose-Systemen spielt und von daher diese Features gewöhnt seien. Abgesehen davon schätzen viele Musiker:innen auch die bequeme Handablage auf einer niedriger positionierten Brücke.

BLACK WINTER & MORE

Seymour Duncan liefert mit seinem Beitrag zur EC-01FT (und zu einigen anderen ESP- und LTD-Modellen) einen ganz besonderen Humbucker, der in Zusammenarbeit mit ESP entstanden ist und exklusiv für ESP gebaut wird. Dieser Custom 14 basiert auf dem Duncan-Humbucker für die ganz harten Jungs, dem Black Winter, für dessen Beschreibung Seymour Duncan folgender Text aus der Feder geflossen ist:

„Ein erbarmungsloser, passiver Humbucker mit hohem Output, wie geschaffen für eisigen Black Metal, Death Metal oder jeden anderen extremen Stil. So brutal wie der skandinavische Winter.“

Hui – da weht doch gleich ein eisiger Wind durch des Autors einsame Stube.

Der exklusiv für ESP von Seymour Duncan gebaute Custom 14 Humbucker übernimmt sehr gekonnt die Tonwandlung (Bild: Dieter Stork)

Der Black Winter wurde bei Seymour Duncan nach den Vorstellungen von ESP etwas heller abgestimmt. Das Ergebnis dieser Kooperation wurde Custom 14 getauft, wobei das 14 für den Wert des Gleichstromwiderstands steht, der etwa 14 kOhm beträgt. ESP Brand-Manager Blue Wilding beschreibt den Custom 14 wie folgt:

„Der Custom 14 ist eine Art Schweizer Taschenmesser für das ESP-Klientel. Er ist genauso brutal wie der Black Winter, aber ein bisschen klarer in den Höhen und bietet brauchbare Split- und Clean-Sounds.“

Die Basis des Custom 14 ist, wie zu erwarten, ein Keramikmagnet, denn nur der kann diese kompromisslose Bandbreite von brutaler Verzerrung bis hin zu crisper Klarheit bei gleichzeitiger guter Durchsetzungsfähigkeit liefern. Eine Split-Coil-Funktion, die durch Hochziehen des Master-Volume-Potis aktiviert wird, erhöht zudem die Anzahl der bereitgestellten Grund-Sounds auf immerhin zwei und erweist sich als wirklich sinnvolle Dreingabe.

Praxistest und Resümee auf Seite 2

SPIELPLATZ

Die LTD EC-01FT hängt perfekt ausbalanciert am Gurt. Gleich von Anfang an wird klar, dass hier eine richtig ausgewachsene Gitarre am Start ist. Wer mit ihr also eine Les Paul Jr. oder eine SG Jr. assoziiert, ist auf dem Holzweg, denn diese Ein-Pickup-LTD will und kann mehr. Mehr Lautstärke, mehr Attitude, mehr Aggressivität – und will hart rangenommen werden.

So ist das Halsprofil, obwohl in den Werks-Specs als „thin U“ angegeben, eher als kräftigeres C mit fleischigen Schultern zu verstehen, füllt die Greifhand stimmig aus und fordert im Zusammenspiel mit den Jumbo-Bünden durchaus ein kräftiges Zupacken. Was ja auch zum Musik-Genre passt, dem sich die meisten Fans von ESP und LTD zugehörig fühlen.

Der „Set Thru“-Hals verspricht einen druckvollen, straffen Sound ohne Bass-Gegrummel, und dieses Versprechen wird von der Führung der Saiten durch den Korpus unterstützt. Akustisch gespielt, fällt die Ausgewogenheit der Saiten-Lautstärke in allen Lagen positiv auf, aber auch der fette Ton der Single Notes. Verstärkt wird dieser Eindruck nicht nur bestätigt, sondern noch deutlicher präsentiert. In allen Bereichen zwischen clean und vollzerrend ist der Klang der LTD EC-01FT kompakt, druckvoll und ultrakonkret.

Single Notes haben einen ausdrucksstarken, vokalen Charakter – wie überhaupt diese Gitarre auch in der Lage ist, bluesig klingende Töne von sich zu geben. Auf den Jumbo-Bünden bendet es sich natürlich hervorragend, und ja – es klingt dann nicht gerade nach einem bitterkalten skandinavischem Winter, sondern auch ein wenig nach dem schwül-warmen Mississippi-Delta. Aber klar, ich weiß, dass diese Gitarre für anderes als Blues gebaut wird, aber wollte mit diesem Beispiel nur beschreiben, welche Qualität dieser Duncan Custom 14 mit sich bringt.

Der verhält sich tatsächlich bis etwa zur Hälfte des Regelweges des Volume-Potis wie in guter PAF-Typ, reagiert wunderbar dynamisch, lässt jeden Ton singen und in einem langen Sustain fett und breitbandig ausklingen – da vergisst man schnell mal, dass man es hier ja nur mit einem Steg-Pickup und sonst nichts zu tun hat. Dreht man das Poti weiter auf, gelangt man schön gleichmäßig in sukzessiv mehr zerrende Gefilde bis, je nach Einstellung von Amp und Pedalen, auch in ultraharte Bereiche, ohne dabei die beschriebene Straff- und Kompaktheit aufzugeben.

Nicht immer machen Singlecoil-Schaltungen von Humbuckern eine gute Figur, hier jedoch schon. Das Hochziehen des Volume-Potis verleiht dem Gesamtsound eine leichte Crispness, die gerade bei verzerrten und auch sehr verzerrten Sounds sehr charakteristisch klingt und für noch mehr Durchsetzung in den oberen Frequenzbereichen sorgen. Daumen hoch!!

Elegante, hauseigene Locking-Mechaniken helfen der Stimmstabilität und beim Saitenwechsel (Bild: Dieter Stork)

ALTERNATIVEN

Na gut, die bescheidene Schwester der EC-01FT hatten wir oben schon einmal angesprochen. Sie ist eine Alternative fürs Auge, aber nicht wirklich eine Alternative auf Augenhöhe. Dafür kostet die EC-201FT auch nur rund die Hälfte und hat dementsprechend weniger zu bieten.

Wem aber die üppigen Ausstattungs-Details der EC-01FT wie Locking-Mechaniken, Ebenholz-Griffbrett, Edelstahl-Bünde, ein „Set Thru“-Hals, die versenkte Brücke und der hervorragende Seymour Duncan Custom 14 Pickup nichts sagen oder nichts bedeuten, der bekommt mit der EC201FT eine grundsolide Rock-Maschine mit ESP-typischem Hard’n’Heavy-Flair, die der EC01FT zumindest sehr ähnlich sieht.

RESÜMEE

Die ESP LTD EC-01FT ist eine rundum starke Gitarre, sowohl im realen wie im übertragenen Sinn. Wie viele One-Pickup-Gitarren verkörpert sie nicht nur perfekt die Möglichkeiten, die ein minimalistisches Konzept bietet, sondern geht noch einen Schritt weiter, indem sie aufgrund ihrer hervorragenden Konzeption mit tief eingeleimten Hals, herausragendem Pickup und einer „wunschlosglücklich“-Ausstattung keinerlei Einschränkung fühlen lässt. Ich zumindest habe in keiner Spielsituation, der ich die Testgitarre ausgesetzt hatte, etwa einen zweiten Pickup vermisst.

Diese Gitarre kann brutalen Rock und Metal, was das typische ESP-Klientel auch von ihr erwartet. Und sie fordert eine zupackende, kompromisslose Spielweise ein, was in diesem harten Genre auch gegeben ist. Aber sie ist auch für andere Spielarten des Rock und Rock’n’Roll sehr gut aufgestellt, weil sie einfach ein rundum gutes Instrument darstellt. Und um noch einmal ESP-Mann Blue Wilding zu zitieren: „Dieses Modell ist simpel, aber auf Stereoiden – so wie ein BMW.“

PLUS

  • druckvoller, dynamischer Rock und Metal-Sound
  • Kompromisslosigkeit
  • Pickup
  • breiteres Griffbrett (43 mm)
  • Hardware-Ausstattung
  • Design
  • Konstruktion

MINUS

  • kein Gigbag oder Koffer


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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