Straight To Heaven

Test: Engl Savage 120 Mark II

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Engl Savage 120 Mark II(Bild: Dieter Stork)

Bei Engl-Verstärkern denkt man unweigerlich an moderne, oftmals vierkanalige Topteile – nur das ursprüngliche Aushängeschild der Firma wollte nicht ganz diesem Klischee entsprechen. Zeit für ein Update!

Nachdem sowohl der sehr viel jüngere Invader, als auch der Powerball aus dem Hause Engl schon vor Jahren eine zünftige Aktualisierung auf die Version II bekommen haben, war es wohl nur folgerichtig, den Klassiker Savage 120 nun auch einem Facelifting zu unterziehen. Augenscheinlich hat sich zunächst einmal nicht viel verändert, beim neuen Savage 120 Mark II.

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Ein paar Regler auf der Frontseite hat er dazubekommen und farblich eine an das aktuelle Sortiment angepasste, schwarze Frontblende; zudem einen nun blau leuchtenden „On“-Schalter. Also alles nur Make-Up? Weit gefehlt!

einmal alles neu, bitte!

Wenn man schon mal dabei ist, dann kann aus einem kleinen Facelifting auch ganz schnell ein großes werden, dachte sich das Entwicklungs-Team um Horst Langer. Der neue MK II ist ein von Grund auf neu designter Verstärker mit neuem Ausgangsübertrager und neuem Netztrafo sowie einer Vielzahl an zeitgemäßen Features, wie zum Beispiel einem Noisegate, sehr viel umfangreicheren MIDI Steuerungsoptionen als beim Vorgänger-Modell, (midi-)schaltbare High- /Low-Eingangsempfindlichkeiten, einen total anders klingenden Smooth-Modus für die beiden Overdrive-Kanäle – hierzu später mehr – oder aber auch ein Update der Einschleifwege.

Das von Engl bekannte „Power Tube Monitor“ System zur visuellen Kontrolle der Funktion der Endstufenröhren und deren Sicherungen, hat genauso wie die typische, als „Serial Amp Control“ oder „S.A.C.“ bezeichnete Anschlussbuchse für den optionalen Engl Z9 Fußschalter beim aktuellen Savage 120 MK II Einzug gehalten.

bedienelemente

Wie bei einem waschechten „großen“ Engl-Verstärker aktueller Bauart üblich, befinden sich die Regler für den Clean-Kanal und den Crunch-1-Kanal in der oberen Reihe der Frontblende und die der beiden Overdrive Kanäle darunter. Wer schon mit dem Powerball, Invader oder auch den Victor-Smolski- und Steve-Morse-Signature-Amps gearbeitet hat, wird sich auf Anhieb problemlos zurechtfinden.

Zwischen den Gain-, Lautstärke- und Equalizer-Reglern der jeweiligen Kanäle befinden sich (in nachvollziehbaren Positionen) auf der Frontblende viele kleine Drucktaster für die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten der globalen, wie auch kanalspezifischen Verschaltungsoptionen. Hier kann zunächst zwischen hoher und niedriger Eingangsempfindlichkeit und auch Offenheit des Verstärkereingangs durch Hi/Lo- und den Bright-Schalter gewählt werden oder aber auch via Preshape, und Contour-Funktionen die grundsätzliche klangliche Ausrichtung der ersten beiden Kanäle umgeschaltet werden.

Zudem können mit dem Mid-Lean/Bold-Schalter zwei unterschiedlich klingende Mitten-Regler für den ersten Equalizer gewählt werden, die mal breitbandig, mal schmalbandig zupacken.

Die beiden unteren „heißen“ Kanäle Crunch II und Lead profitieren neben den ebenfalls per MIDI schaltbaren Hi/Lo-Gain-, Contour-on/off- und Rough/- Smooth-Optionen vor allem vom integrierten Noisegate, das sich auf der Rückseite des Savage neben den beiden frei belegbaren, nach üblichen Maßstäben transparent und neutral klingenden und programmierbaren Einschleifwegen des Amps befindet.

Engl Savage 120 Mark II(Bild: Dieter Stork)

mach heiß!

Eingeschaltet und Crunch II – also den dritten von vier Kanälen angewählt. Ich teste zunächst ganz klassisch; nehme mir eine Paul Reed Smith CE 24, die alte Variante von 1990 mit HFS-Stegpickup und ein Orange PPC412 Cabinet mit Vintage 30. Erst einmal sind wir ja gespannt, wie der Verstärker im Heavy-Bereich funktioniert, denn der ursprüngliche Savage 120, sowie sein Ableger, der Savage Special Edition, waren in den Neunzigern nicht gerade dafür bekannt, dass sie von Blues-Gitarristen bevorzugt wurden.

Der Name ist Programm: Savage, zu Deutsch „der Wilde“, springt sofort ins Gesicht. Der Sound ist trocken, kompromisslos komprimiert, gescooped und dennoch in den oberen Mitten zu Hause. Knarziges Attack, kurze, straffe Bässe und dazwischen „glattes“ Gain.

Hier klingt gar nichts nach Blues, Jazz oder Retro-Rock. Das ist schnell und sportlich. Palm-Mutes kommen direkt, Powerchords haben Wucht, ohne dass man beim Spielen das Gefühl bekommt, man würde jetzt Tempo aus der Sache nehmen müssen. Alles will nach vorne – auch mein eigenes Micro Timing. Unweigerlich verändert die messerscharfe Wiedergabe des Verstärkers mein eigenes Spiel. Schneller, höher, weiter, doller, böser!

Engl Savage 120 Mark II(Bild: Dieter Stork)

Noch bevor mir mit diesem Sound, den ich als eine Art wirklich gutmütige „Spielhilfe“ empfinde, langweilig werden kann, nehme ich mir eine Telecaster und überprüfe, ob das der Amp oder die Gitarre war. Bei gleich hoher Gain-Einstellung verhungert diese leider in einem viel zu trockenen Crunch mit modernem Anstrich, aber sobald man das Gain um ein, zwei Stunden auf der Uhr erhöht und zudem den Gain-Taster von „Lo“ auf „Hi“ umstellt, landet man ebenso im Bereich des modernen Metal.

Zunächst ist mir das etwas zu dünn – Telecaster halt – aber mit einem Schuss mehr Mitten im Equalizer und betätigtem Contour-Schalter, stellt sich ein ordentlich schiebendes Brett ganz leicht binnen weniger Sekunden ein. Das Wechselspiel zwischen Hi/Lo Input, Hi/Lo Gain und Contour-Tastern ist wirklich flexibel vom Team Engl gelöst worden. Chapeau!

Etwas Sub-Bass fehlte mir noch und ich suche nach dem für Engl typischen Depth-Regler. Leider nein. Da gibt es nur einen Depth-Boost-Schalter. Das ist schade, denn genau dieses Feature wäre für mein Empfinden bei einem solch großen Update durchaus wünschenswert und auch zeitgemäß gewesen. Somit bin ich hier etwas eingeschränkt und muss etwas länger mit dem Dreiband-Equalizer und dem Presence-Poti „herumpuzzeln“, bis bei aktiviertem Depth-Taster schlussendlich auch aus einer Telecaster genügend Bässe herauskomprimiert werden.

Letzten Endes funktioniert aber auch das und mein ursprünglicher Verdacht bestätigt sich. Das „sportliche“ Spielgefühl wurde vom Verstärker erzeugt. Es scheint egal zu sein, welche Solidbody-Gitarre ich hier benutze. Der „Wilde“ zieht beharrlich an der Kette. Jetzt will ich es wissen und traue mich, den Lead-Kanal zu aktivieren, trotz des leichten Singlecoils in der Stegposition.

Spätestens jetzt empfiehlt sich die Benutzung des integrierten Noisegates. Erfahrungsgemäß funktionieren die Engl-Rauschbremsen für mein eigenes Spiel bei einer eher defensiven Einstellung des Threshold-Reglers von „so um die neun Uhr“. Das klappt auch hier wieder ganz hervorragend für meine Zwecke. Die Engl-Entwickler haben übrigens bei dieser Bauteilgruppe nicht einfach bei einem ihrer anderen Verstärker kopiert, sondern nochmals ganz genau hingehört und das integrierte Gate so abgestimmt, dass es perfekt in den Kanälen Crunch I, II und Lead zupackt.

Insofern stört es bei diesem Design nicht wirklich, dass weder drei unterschiedliche Regler für die Overdrive-Kanäle einstellbar sind, noch, dass der globale Threshold-Regler auf der Rückseite des Amps zu finden ist. In der Praxis zeigt sich einmal mehr, dass ein gutes Design nicht zwangsläufig komplex bedienbar sein muss.

Der Lead-Kanal ist für mein Dafürhalten als eben solcher geeignet. Hier wird der Savage etwas schmierig, verliert leicht an Tiefmitten im Vergleich zum Crunch-II-Kanal und lädt eher zu Legato-Spieltechniken, Tapping und Sweep-Arpeggios über den Halstonabnehmer ein, als zum Palm-Muting-Downstroke-Massaker.

Mir gefällt das recht gut, denn ein weiterer Crunch-II-Kanal – nur mit noch mehr Gain – wäre redundant, da fast alle Drucktaster zur Beeinflussung der Kompression und des Frequenzganges eh schon via MIDI schaltbar sind und man somit kurzerhand den Crunch-II-Kanal in diversen Varianten per Fußschalter abrufbar machen könnte, sofern man denn diese Artenvielfallt von Heavy-Rock- bis Tech-Death-Metal-Rhythmusgitarrensounds in einer Live-Situation überhaupt gebrauchen kann.

Apropos schaltbare Taster: Für die beiden High-Gain-Kanäle gibt es die Option, vom regulären Savage-Klangbild „Rough“ auf „Smooth“ umzuschalten. Hierbei wird der Dreiband-Equalizer weitgehend überbrückt und der „Tone Balance“-Regler wird als zusätzliches Klangbearbeitungswerkzeug in den Signalweg geschaltet. Zunächst einmal stellt sich hiermit ein völlig anderes Klangbild der beiden Kanäle ein. Es wird rund, mittig, etwas nasal.

Ich fühle mich einerseits dezent an Carlos Santana erinnert, suche andererseits sofort nach dem Mitten-Regler um ein halbwegs vergleichbares Klangbild zum Rough-Modus zu erzeugen. Fehlanzeige. Es tut sich in diesem Modus fast gar nichts mehr am Equalizer und auch beim Drehen des Tone-Balance-Reglers, der im Smooth-Modus in den Signalweg geschaltet wurde, verändert sich das Klangbild kaum. Ein Blick in die mitgelieferte Bedienungsanleitung hilft.

Engl Savage 120 Mark II(Bild: Dieter Stork)

Beim Aktivieren des Smooth-Tasters werden Bässe und Höhen – zugunsten einer starken Mittenanhebung – stark reduziert und daher verliert der Equalizer an Wirkung. Ich frage dennoch telefonisch bei Engl nach, da mir dieser extreme Wirkungsgrad-Verlust der drei Equalizer-Regler suspekt vorkommt. Hat unser Testmodell einen Defekt? Die Antwort vom Hersteller ist umfang- wie auch aufschlussreich. (Vielen Dank an Jürgen Gimpel und Horst Langer an dieser Stelle!)

Dass der Equalizer kaum noch den Klang beeinflussen kann, ist dem Design geschuldet, denn der Smooth-Schalter funktioniert ganz ähnlich wie beim alten Engl Straight. Bei diesem Ur-Engl-Verstärker konnte die traditionelle Klangregelung mit einem Schalter vollständig aus dem Signalweg genommen werden. Beim neuen Savage 120 Mark II wird ein ähnliches, leicht verfeinertes Schaltungskonzept verwendet, dass den passiven Dreiband-Equalizer zu großen Teilen aus dem Signalweg nimmt und hierdurch einen gehörigen Boost in den Mitten erzeugt. Man nutzt hier also die Tatsache, dass ein klassischer, passiver Treble-Middle-Bass-Schaltkreis in sich schon ganz viele Mitten absenkt, sofern er im Signalweg ist.

Für den astreinen Metalhead wird dieser Smooth-Modus vermutlich höchsten als „merkwürdiger Megaphon-Klang“ oder als reichlich kreativer Lead-Sound funktionieren, aber sobald man den Gain-Regler eine gehörige Portion zurücknimmt, erhält man hierdurch ein paar sehr musikalische Blues-Rock-Sounds, die teilweise sogar an den Engl Steve Morse Signature erinnern – und mit sehr wenig Gain wird sogar der Equalizer wieder etwas wirkungsstärker. Das Feature ist also durchaus sinnvoll und erweitert das klangliche Spektrum des MK II enorm.

Nachdem all die Klangformungsmöglichkeiten der beiden unteren Kanäle ergründet worden sind, sollen hier natürlich auch der Clean-Kanal und der Crunch-I-Kanal beschrieben und bewertet werden. Dem Kanal 1 kann man attestieren, dass er recht stabil clean bleibt, Punch hat und sehr perkussiv klingen kann. Was wir hier nicht finden, sind Fender-artige Clean-Sounds. Soweit ist das eigentlich nichts Neues.

Entweder ich baue einen Verstärker mit sehr „weicher“ Endstufe und dann taugt der Amp wenig für Metal, oder ich baue einen High-Gain-Verstärker mit sehr trockener, straffer Wiedergabe und dann leidet eben der Clean-Kanal ein wenig. Das ist hier nicht anders und im Ergebnis hat Engl dem Savage 120 MKII einen typischen, sehr knalligen Basiskanal, der für effektbeladene Sounds prädestiniert ist, spendiert. Einen Klang, so luftig und obertonreich wie bei einem 1965er Fender Deluxe darf man allerdings nicht erwarten.

Die eigentliche Überraschung kommt zum Schluss: Crunch I ist durch die umschaltbaren Lean/Bold-Mitten-Regler der absolut flexibelste und zudem auch einer der direktesten Engl Rhythmuskanäle, der mir bisher untergekommen ist. Mit entsprechenden Einstellungen lassen sich Sounds einstellen, die sehr stark nach Klassikern wie dem Marshall JCM800 (geboostet mit einem Tube Screamer) oder einem JCM900SLX klingen – nur sehr gut produziert.

Anders eingestellt, kann der Crunch-I-Kanal aber auch nach „Engl Blackmore Signature trifft im Vorbeigehen einen Diezel Hagen erinnern. Der Kanal ist alles andere als eine Spielhilfe. Das ist für Männer! … oder für Produzenten, die selbstverständlich gut darauf verzichten können und wollen, dass das Attack stark komprimiert ist und die Eigenschaften des spielenden Gitarristen verwischen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir alsbald genau diesen Kanal auf dem einen oder anderen Album zu hören bekämen.

alternativen

Im direkten Vergleich zum Savage 120 MKII klingen viele Engl-Verstärker ähnlich, aber keiner trifft den Nagel so sehr auf den Kopf wie der Mark II. Ein Fireball hat nicht die Direktheit – gleiches beim Powerball. Beide Amps klingen räumlicher und eher fett als schnell. Ein Invader transportiert tiefere Bässe und wirkt träger. Somit müssen wir schon über den Tellerrand gucken.

Ein schnelles, tightes Spielgefühl mit gutmütigster Kompression transportiert die Mesa/Boogie-Mark-Serie und tatsächlich sehe ich hier die ähnlichste Alternative zum Engl Savage. Ein Mark V im „Extreme“ Kanal rückt dem Crunch-II-Kanal des Savage gefährlich auf die Pelle, kostet aber leider hierzulande ein kleines Vermögen.

Engl Savage 120 Mark II(Bild: Dieter Stork)

resümee

Hat es das Engl-Amplification-Entwickler-Team geschafft, einen würdigen Nachfolger des klassischen Savage 120 Head zu designen? Eindeutige Antwort: Ja! Der Savage 120 Mark II kann tatsächlich fast alles besser als sein Vorgänger und schafft es dabei dennoch, die Liebhaber des alten Designs abzuholen. Wer den Savage 120 oder auch den Savage Special Edition mochte, wird den MKII aller Voraussicht nach lieben.

Jeder passionierte Metal-Gitarrist sollte diesem zeitlosen Verstärker zumindest ein halbes Stündchen seiner Zeit opfern und diesen Boliden testspielen – und sei es einfach, um den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern. So ein schnelles, trockenes und direktes Spielgefühl wie beim Engl Savage 120 Mark II transportieren nur sehr wenige Verstärker. Ein echter Charakterdarsteller

PLUS
• großartiges Spielgefühl
• hohe Flexibilität
• sehr transparent und tight
• umfangreiche, zeitgemäße Features
MINUS
• kein Depth-Regler
• Clean Kanal ist sehr trocken

Engl Savage 120 Mark II

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