Doppeldecker

Test: Eastman DT30 OM

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Dass eine Steelstring mit so viel klassischen Design-Elementen und ausgeprägtem Pre-War-Flair eine echte Innovation in sich trägt, würde man wirklich nicht vermuten – ist aber so.

Und das liegt eben daran, dass sich die Macher bei Eastman Guitars niemals auf ihren Lorbeeren ausruhen und unermüdlich ihre Gitarren weiterentwickeln. Dabei haben sie die Company, die es immerhin erst seit 1992 gibt, in kurzer Zeit zum Global Player aufgebaut und nebenbei dafür gesorgt, dass man die Wörter Highend und China in einem Satz unterbringen kann.

Anzeige

Bei der Biene abgeguckt

Dieses Orchestra Model entstammt der Traditional Serie – und so sieht es auch aus. Da gibt es gar kein Vertun, hier steckt ganz viel Vorkriegs-Martin-DNA drin: Die helle Fichtendecke mit Herringbone-Einfassung und Tortoise-Schlagbrett; Zargen und Boden aus Palisander mit elfenbeinfarbenem Binding abgesetzt; der zweiteilige Boden mit einer blitzsauber eingesetzten wunderschönen Einlage getrennt; der Mahagonihals mit eingefasstem Ebenholzgriffbrett versehen; dieses akkurat mit „Pearl Halleluja“-Inlays und 20 perfekt auf Hochglanz polierten Bünden besetzt – alles minutiös auf höchstem Niveau und nach alter Schule ausgeführt.

(Bild: Dieter Stork)

Am einen Ende liegen die Saiten auf einer Stegeinlage aus Knochen und werden mit Pins aus Ebenholz im Steg aus gleichem Holz fixiert. Nach 633 mm freier Schwingung gelangen sie zum makellos gefeilten Sattel aus Knochen und zur schlicht schönen Kopfplatte mit goldfarbenen offenen Tunern von Gotoh (SX 510). Am Übergang von Hals zu Kopfplatte sehen wir rückseitig die typische, kräftig ausgeformte Volute (Verstärkung) zur Stabilisierung dieses empfindlichen Bereiches.

Und was ist nun das revolutionär Neue an dieser Eastman DT30 OM? Da müssen wir nochmal zurück zur Decke, die bei Weitem kein herkömmliches Spruce-Top ist. Sie besteht aus zwei Lagen jeweils nur 1 mm dicker Fichte – dazwischen befindet sich eine ebenfalls hauchdünne Lage eines Materials, das der Hersteller Nomex nennt. Dieses harzartige Material wurde von DuPont ursprünglich für den Flugzeugbau entwickelt, weist die Struktur einer Bienenwabe auf (Honey Comb Core) und ist sowohl extrem leicht, als auch stabil und resonant. Das Ganze ist eine Innovation, die man leider nicht sehen kann – bin jetzt gespannt, ob man sie hört …

Nomex aus dem 3D-Drucker als Zwischenlage in der Decke (Bild: Eastman)

Summ Bienchen summ

Vorab für’s Protokoll: Der Hals liegt toll in der Hand – schon kräftig, aber keinesfalls klobig. Da hakelt oder kratzt nichts an den Bundenden, die Werkseinstellung von Saitenlage und Intonation sagt: ready-steady-play! Das erste E-Dur beeindruckt sofort erheblich. Mit der Wucht einer teuren eingespielten Dreadnought schickt sie den Akkord ans Ohr. Singlenotes perlen schnell und frisch aus dem Schallloch. Diese Mischung aus Attack, Dynamik, schierer Lautstärke, vollmundigem Klang und wirklich endlosem Sustain aus einem Orchestra Model lässt mir schon so ein bisschen die Kinnlade runterfallen.

Alle Achtung – diese Eastman klingt groß, teuer und alt! Die Grundeigenschaften der DT30 OM dürften wohl den verschiedensten Gitarristen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Der Bluegrass- Picker ohne Speed-Limit freut sich über die schnelle klare Ansprache, der Singer/Songwriter über den opulenten Klangteppich, den er mit Plektrumspiel weben kann, der Fingerstyler über die enorme Dynamik und Frische im Sound, die die Stilistik des Künstlers unverfälscht übertragen. Auch mit Kapo an hohen Bünden, mit Slide und/oder Open-Tuning – die Eastman liefert immer einen inspirierenden Klang. Und hey, wo ich da so mit offenen Stimmungen rumexperimentiere, finde ich doch tatsächlich etwas zu meckern. Mich stört, wie nah die Stimmwirbel an der Kopfplattenkante sind. Die Achsen dürften gerne etwas länger sein.

Resümee

Tolles Handwerk, perfekte Lackierung, klassisches Design, innovative Konstruktionsmerkmale, überzeugender Klang. Ich kann nur sagen: unbedingt ausprobieren!

PLUS

  • Design, Finish
  • Hölzer, Hardware
  • Deckenkonstruktion
  • Verarbeitung, Lackierung
  • Werkseinstellung
  • Bespielbarkeit, Haptik
  • voluminöser Klang, Attack, Dynamik, Sustain

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.