von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
(Bild: Dieter Stork)
Bei kaum einer anderen Band dürfte die Zusammenarbeit mit einem Effektgerätehersteller jemals für so viel Interesse in der Pedal-Szene gesorgt haben, wie im Falle von Sunn O))). Was es mit dem Life Pedal auf sich hat, wofür sich dieser Verzerrer eignet und wer die beiden finsteren Gestalten hinter Sunn O))) sind, klären wir hier.
Eigentlich war es schon lange überfällig: Stephen O’Malley (aka „SOMA“, Gitarre) und Greg Anderson (aka „The Lord“, ebenfalls Gitarre), die beiden Masterminds hinter dem Bandnamen „Sunn O)))“ (das „O)))“ ist stumm und erinnert lediglich an den gleichnamigen Instrumenten- und Verstärkerhersteller nach dem sich die Band benannt hat), haben endlich ein eigenes Signature-Distortion-Pedal. Genau genommen handelt es sich bereits um die dritte Auflage dieses Pedals, das in den verschiedenen Versionen stetig verbessert wurde. Um zu verstehen, was es mit diesem Gerät auf sich hat, ist ein wenig Kontext notwendig. Bühne frei für Sunn O))).
Anzeige
SOMA & THE LORD
Es ist ein Septemberabend im Jahr 2016. Ein tiefes, diffuses Brummen füllt die Turbinenhalle in Bochum. Obwohl es bereits nach 22 Uhr ist, strömen noch immer Leute in die Halle. Parallel dazu, wird von der Bühnenseite eine unglaubliche Menge Nebel in die Menschenmenge gepumpt, sodass die Sichtweite auf etwa zehn Meter reduziert wird. Irgendwann ist eine bizarr verkleidete Figur auf der Bühne auszumachen, die in einem komplett verspiegelten Gewand, schwer Verständliches in ein Mikrofon röchelt. Frontmann Attila Csihar – dem einen oder anderen Metalhead vielleicht durch seinen Job bei den Black-Metallern von „Mayhem“ bekannt – hat die Show eröffnet.
Nach und nach schlendern dann der Keyboarder Toz und die beiden Gitarristen Stephen O’Malley und Greg Anderson auf die Bühne – natürlich in den ikonischen Roben, die die Band seit ihren Anfangstagen trägt. Ab diesem Punkt wird es laut. Und damit meine ich wirklich LAUT. Zwar habe ich bis zu diesem Tag durchaus die eine oder andere klanggewaltige Band live gesehen – solch einem Feuersturm an Lautstärke war ich bis dato jedoch nicht ausgesetzt. Dabei sind es vor allem die ultratiefen Frequenzen, die meinem Körper das nahende Ende der physischen Existenz signalisieren.
Vor einer gigantischen Backline aus etwa 15 alten Sunn-Model-T-Verstärkern (mit jeweils zwei 4×12“-Boxen darunter) sowie einem ganzen Haufen Ampeg-SVT-Topteile mit passenden 8x10erBoxen stehend, walzen die vermummten Musiker unendlich langsam wirkende Riffs durch die Lautsprecher, die einem im wahrsten Sinne des Wortes den Magen auf links krempeln. Unterstützt wird diese Lärmorgie durch einen abgrundtiefen Synth-Bass, gelegentlich mal einer Posaune und der albtraumhaften Performance von Sänger Attila. Durch die geschickte Kombination aus hektoliterweise Kunstnebel und einer ausgesprochen geschmackvollen Beleuchtung, wirkt die gigantische Backline wie ein Gebirgsmassiv, vor dem sich demütig ein paar Menschen tummeln.
Gegen Ende des Konzertes gehe ich ein wenig nach hinten, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich der Sound in der Halle verteilt. Am Ende des Raumes stelle ich dann fest, dass es so laut ist, dass die Blechwand eines Schiebetors am Hallenende wie eine Art passive Membran schwingt. Möglichst ohne über die Gebäudestatik nachzudenken, gehe ich wieder Richtung Bühne, und stelle nach dem Abgang der Musiker und bei eingeschaltetem Putzlicht erstaunt fest, dass die Pedalboards der beiden Gitarristen gar nicht so überladen sind, wie man vermuten würde.
Während Greg Anderson ein altes Big-Muff-Pedal von Electro Harmonix zum zentralen Bestandteil seines Distortion-Sounds gemacht hat, fällt mir auf, dass beide Gitarristen eine alte ProCo Rat in ihrem Arsenal haben. Natürlich finden sich daneben weitere Overdrive- und Distortion-Pedale (im Falle von Stephen O’Malley sogar einige Geräte von Peter Cornish). Trotzdem ist es die Rat in Verbindung mit dem Model-T-Topteil, die seit dem ersten der Band den Sound von Sunn O))) maßgeblich geprägt hat.
LIFE PEDAL
Das EarthQuaker Devices Life Pedal (benannt nach dem 2019er Album „Life Metal“) orientiert sich in seinen Grundzügen an einer alten Rat, die mit dem Schaltkreis eines Shin-ei-FY2 bzw. -FY6 kombiniert wurde. Grundsätzlich ist das Pedal in drei Sektionen aufgeteilt, von denen jede separat fußschaltbar ist. Als Basis dient der „Magnitude“-Schalter, welcher die Distortion-Sektion aktiviert. Ausgestattet mit den Reglern „Amplitude“ (Lautstärke), „Filter“, „Distortion“ und „Clip“, bekommt man hier bereits viele Möglichkeiten, den Klang zu formen. Bei dem Clip-Poti handelt es sich genau genommen um einen Drehschalter, der zwischen symmetrischem bzw. asymmetrischem Clipping oder dem reinen Op-Amp wählen lässt.
Als Nächstes bekommt man einen zuschaltbaren Octave-Up-Regler, der dem Signal eine hohe Oktave beimischt. Zu guter Letzt gibt es mit dem „Magnitude“-Regler eine Boost-Sektion, die das Signal abermals verstärkt, ohne jedoch zusätzliche Verzerrung zu produzieren. Interessant ist Earth-Quakers Flexi-Switch-Technologie: Hält man den jeweiligen Fußschalter einfach gedrückt, ist der Effekt nur so lange aktiv, wie der Switch gehalten wird. Nimmt man den Fuß vom Schalter, wird der Effekt sofort wieder deaktiviert. Ein nettes Feature, wenn man beispielsweise nur eine kurze Passage klanglich ausschmücken möchte. Für noch mehr Spielspaß gibt es die Möglichkeit, die hohe Oktave über einen Expression-Pedal-Anschluss zu steuern.
Das grafische Design des Life Pedals bringt alles mit, was dem Sunn-O)))-Fan lieb und teuer ist: an alte Black-Metal-Alben erinnernde Frakturschrift in Gold, Kreuze (normal und umgedreht), ein riesiges rotes O)))-Logo, japanische Typografie, sowie ein edel wirkender, schwarzer Hintergrund. Über die Verarbeitung gibt es nichts als Lob zu berichten: satt drehende Potis, ein sauberer Aufdruck und die Soft-Style-Schalter (natürlich True Bypass) vermitteln einen hochwertigen Eindruck. Auch ein Blick auf die große, fast das gesamte Gehäuse ausfüllende Platine gibt keinen Grund zur Klage. Lediglich eine Batterie hat hier keinen Platz mehr.
Auf der nächsten Seite geht’s weiter!
(Bild: Dieter Stork)
STANDARD TUNING
Aufgrund des sehr speziellen Anwendungsbereichs des Life Pedals habe ich den Test dieses Mal in zwei Sektionen eingeteilt: Zunächst habe ich das Gerät mit einer normal gestimmten E-Gitarre getestet, um zu hören, wie sich das Pedal in einem normalen Setting verhält. Später bin ich dem Gerät dann mit einer auf Drop-A gestimmten Fender-Baritone-Telecaster zu Leibe gerückt. Meine Eindrücke dazu beschreibe ich im nachfolgenden Abschnitt.
Sunn O))) stimmen ihre Gitarren – eine Gibson Les Paul aus den 2000er Jahren mit DiMarzio-Super-Distortion-Humbuckern im P90- Format, sowie diverse Aluminium-Gitarren der Electrical Guitar Company – übrigens ebenfalls auf A. Im Test mit einer auf E gestimmten Hagstrom Swede (mit einem Seymour Duncan SH-4 am Steg) verhielt sich das Life Pedal zunächst erstaunlich „normal“.
Der Sound ist zwar schon bei allen Reglern in der Mittelstellung recht komprimiert und dicht, trotzdem reagiert das Pedal schnell auf das Attack des Plektrums. Frühe NWBHM-Sounds sind hier je nach Einstellung des Gain-Reglers ebenso möglich wie der legendäre Gitarrensound auf Sleeps ‚Sleep’s Holy Mountain‘. Dreht man das Gain-Poti weiter auf, wird der Sound auf dem letzten Viertel des Regelwegs wirklich aberwitzig verzerrt. Selbst meine Gitarre im Standard-Tuning klingt hier schon wirklich heavy!
Als ausgesprochen sinnvoll erweisen sich die drei Clipping-Settings: Während im „Symm“-Mode der Ton breitschulterige Mitten in den Vordergrund rückt, wird im „Asymm“-Setting der Sound etwas dichter, singender und „satter“. Laut Hersteller arbeiten nun zwei Silizium-Dioden und eine LED zusammen, was vor allem beim Spiel auf den Diskantsaiten für einen ausdauernden Ton sorgt. Im „Op-Amp“-Setting wird das Pedal deutlich lauter und der Klang wieder offener – das steht wiederum Riffs auf den tiefen Saiten sehr gut zu Gesicht. Alles in allem also ein ausgesprochen vielseitiges Distortion-Pedal, das so überhaupt kein One-Trick-Pony sein will.
DROP-A(BWÄRTS)
Nun aber in die Vollen gelangt: Ich schnalle mir die tief gestimmte Tele vor den Latz und aktiviere mit ehrfürchtigem Sicherheitsabstand zu meinem Fryette-Deliverance-120 das Life Pedal. Natürlich ist dieser Amp nicht mit einem alten Sunn-Model-T vergleichbar – trotzdem handelt es sich hier um ein unglaublich leistungsstarkes Topteil, das auch mit hohen Lautstärken und tief gestimmten Gitarren keinerlei Probleme hat. Mein erster Eindruck: Aua! Das tiefe A bahnt sich mit erbarmungsloser Gewalt seinen Weg durch meine 4x12er-Box und sofort steht eine Soundwand, die in der Tat an den unglaublich dichten Sunn-O)))-Sound erinnert. Der Volume-Regler des Verstärkers will hier auf jeden Fall mit Bedacht eingestellt sein.
Also ein „Drone in a box“-Pedal? Naja, ganz so einfach ist es nicht. Aber der Reihe nach: Das Life Pedal macht im Test mit der tief gestimmten Baritone-Gitarre eine ausgesprochen gute Figur. Das Gerät verhält sich ähnlich flexibel wie in Kombination mit meinem 2x12er-Test-Verstärker und der normal gestimmten Hagstrom. Möchte man nun etwas „Dreck“ hinzufügen, kann die Octave-Up-Option spannend sein: Hier bekommt man nicht etwa sauberes, digitales Pitch-Shifting, sondern wunderbar vor sich hin brutzelnde Octafuzz-Sounds, die vor allem in Kombination mit dem Halstonabnehmer meiner Gitarre ausgesprochen gut klingen.
Während der Sound in den tiefen Lagen im Octave-Modus deutlich fuzziger wird, ist um den 12. Bund herum die hohe Oktave gut hörbar. Klasse finde ich, dass EQD es geschafft hat, den Klang in Kombination mit der hohen Oktave nicht zu sehr auszudünnen – ein Problem, dass mir bei vielen Octafuzz-Pedalen dieser Gattung immer wieder auffällt.
Möchte man der klanglichen Urgewalt nun noch die Krone aufsetzen, bleibt einem noch der ebenfalls separat schaltbare Magnitude-Booster … Lieber Herrgott, hol mich zu dir, dieser Booster ist wirklich laut! Hier rate ich dazu, gerade bei leistungsstarken Verstärkern Vorsicht walten zu lassen. Durch den Booster wird natürlich die Vorstufe des Amps ordentlich zum Glühen gebracht, was abermals für mehr Verzerrung und Kompression sorgt. Hier sind in Kombination mit dem Octaver und den Clipping-Optionen unzählige Abstufungen in Bezug auf Klangdichte und Charakter möglich. Sehr schön finde ich, dass der Booster völlig separat vom restlichen Pedal nutzbar ist. So kann man beispielsweise den Boost als Grundsound zum Anheizen des Amps nutzen, und das restliche Pedal für bestimmte Passagen oder einzelne Songs zuschalten.
ANSPIELTIPPS
Wer es bis hierher geschafft hat, sich aber immer noch keine rechte Vorstellung vom Sound bzw. der Musik von Sunn O))) machen kann, dem möchte ich hier zwei Alben zum Einstieg empfehlen. Da wäre zum einen das bereits 2009 erschienene ‚Monoliths & Dimensions‘, das dank seines relativ klaren Sounds und dem vordergründigen „Gesang“ für meinen Geschmack recht zugänglich ist. Zum anderen finde ich das 2019 erschienene und von Steve Albini produzierte ‚Life Metal‘ wegen seiner etwas „melodiöseren“ Ausrichtung und dem authentischen Sound für geeignet, um sich dem Sunn-O)))- Kosmos zu nähern.
RESÜMEE
Braucht es dieses Pedal? Ja! Brauche ich als Sunn-O)))-Fan dieses Pedal? Unbedingt! Ist dieses Pedal ein reiner Fanartikel für Doomund Drone-Begeisterte? Auf keinen Fall! Um es kurz zu machen: Hier bekommt man ein vielseitiges Distortion-Pedal, dass zwar einen eher dreckig/fuzzigen Grundcharakter aufweist, jedoch keinesfalls nur für urgewaltige Zeitlupenriffs zu gebrauchen ist. Wer es gerne etwas räudiger mag, jedoch mit einer normal gestimmten Gitarre spielt, darf hier ebenso zugreifen wie die Doom- und Drone-Fraktion. Besonders die Clipping-Optionen sowie der Octave-Up-Effekt werten das Life Pedal massiv auf.