Der Lack ist ab!

Test: Delago Model 2, Custom Special Run

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(Bild: Dieter Stork)

Blacky, frisch aus dem Schlamm gezogen. Relic to go? Oh ja, bei Delago Guitars kann man das Artificial Aging richtig gut, und eigentlich sollte auf dem Beipackzettel noch stehen: Kann Spuren von Nick Page enthalten.

Hinter Delago Guitars steht Tom Berger. Tom betreibt in Wuppertal schon lange erfolgreich den Laden Hardline Music, hat sich aber seit einiger Zeit auch schon mit eigenen Gitarrenlinien ins Gespräch gebracht. Im Prinzip handelt es sich dabei um klassische Modelltypen, die der rührige Tom nach eigenem Gutdünken, aber auch nach jedwedem Dünken seiner Kunden, gestaltet, ausstattet, überhöht oder nach gewünschtem Grad altert. Spezialität ist tatsächlich diese möglichst authentische Alterung von Instrumenten, wobei das immer aber einer möglichst optimalen Funktion nachgeordnet ist.

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VINTAGE CONDITION, WORN OUT, DISTRESSED

Schmutzfuß-Strat von hinreißender Optik – so viel kann man der vorgelegten Delago-Strat vorab auf jeden Fall schon einmal zugestehen. Obwohl das ja niemand zwingend braucht, ist der Charme geageter Instrumente einfach nicht von der Hand zu weisen. Und die unkomplizierte Handhabung – au contraire: mach bloß keinen Kratzer auf den Glanzlack und zieh doch bitte Handschuhe an – wollen wir auch nicht geringschätzen.

Vergessen wir nun aber die provokative Optik und wenden uns Material und Technik zu: Da wäre zunächst der Korpus aus Sumpfesche, zweiteilig gefügt und vor allem schön leicht. Die bekannten Komfortkonturen finden wir an den richtigen Stellen und die dünne mattschwarze Lackierung mit Nitrocellulose lässt die Holzmaserung gut durchscheinen. Vermeintliche Kampfspuren wurden dem Body an den üblichen Stellen recht offensiv zugefügt. Dieses Manöver ist fraglos gut ausgeführt.

Für die Halsaufnahme wurde der Korpus im Bereich der Neckplate abgeflacht gestaltet. Der höchst präzise eingepasste Schraubhals aus Ahorn verfügt über ein Griffbrett aus Palisander mit Compound-Radius von 9,5“ auf 12“. 21 mittelstarke Bünde aus so gut wie verschleißfreiem Edelstahl erweisen sich mit bester Kantenverrundung als hochklassig verarbeitet. Der Halsrücken wurde im Nutzungsbereich komplett vom Lack befreit und mit Öl versiegelt.

Der parallel herausgeführte Kopf ist mit Kluson-Vintage-Style-Mechaniken ausgestattet. Die Saiten laufen über den traditionell schmalen Knochensattel mit 648-mm-Mensur hinüber zur Delago Mod Vintage Tremolo Bridge mit Stahlblock und Titansätteln. Positiv zu erwähnen ist die gratfreie Oberfläche ohne vorstehende Madenschrauben.

Delago Mod Vintage Tremolo mit Titan-Sätteln (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: In HSS-Konfiguration finden wir auf das dreilagige, künstlich gealterte Pickguard geschraubt zwei Amber-Mistral-Single-Coil-Pickups in Hals- und Mittelposition und einen Amber-Nick-Page-Signature-Humbucker am Steg. Über einen 5-WegeMega-Switch sind die Pickups konventionell aktivierbar, Clou der Schaltung ist aber die über das untere Poti stufenlos regelbare Splitcoil-Funktion. Das Poti dient dabei als kalibrierbarer Widerstand bis die zweite Spule dann komplett an Masse liegt mit vollständigem Coil Split.

(Bild: Dieter Stork)

Pickguard, Potiknöpfe und alle Metallparts wurden, wie Body und Hals einem sehr gründlichen Aging unterzogen. Und was die Handhabung und das Spielgefühl angeht, können wir die volle Punktzahl vergeben.

 

INNERE WERTE

Mick Jagger und Keith Richards tragen ihre Falten mit Stolz. Wie die in ihrem Alter die Bühne rocken, ist ehrfurchtsgebietend. Dagegen täuscht ein Relic-Instrument wie das vorliegende seine Verdienste durch Imitation von Erfahrung nur vor, was aber innere Werten natürlich keineswegs ausschließt.

So eine leichte Sumpfesche sorgt zunächst einmal für ein ausgesprochen angenehmes Gewicht von hier 3,1 kg, bildet darüber hinaus aber auch die beste Grundlage für ein Instrument dieser Kategorie. Zusammen mit dem sehr schön griffig profilierten Hals, der dank seiner sauberen Edelstahlbundierung im aufsteigend abflachenden Griffbrett plus perfekt eingerichtetem Setup beste Spielbedingungen garantiert, haben wir eine sonor und schwingaktiv aufgestellte Strat in Händen, die sofort nach angemessener professioneller Anwendung verlangt. Na, dann mal los:

Die Delago ist wie beschrieben mit einer HSS-Bestückung ausgerüstet, wobei uns die Wahl zwischen rein traditioneller und mehr moderner Ausrichtung belassen wird. Der Humbucker am Steg lässt sich nämlich über das untere Poti stufenlos in Richtung Single Coil bewegen, oder umgekehrt. Eine flexible Coil-Split-Option, die neben klassischen Strat-Sounds auch die Kraft eines Humbucker Lead-Pickups bereitstellt, von den Farbabstufungen dazwischen ganz zu schweigen.

Die Amber-Mistral-Single-Coil-Pickups in Hals- und Mittelposition sind etwas stärker als Standard gewickelt und vermitteln authentische, attraktive Sounds. Knackig und gut konturiert im Bass und wunderbar frisch in den Höhen sind in beiden Positionen geradezu exemplarische Strat-Sounds zu haben, die clean gespielt vital und höchst präsent aus den Speakern springen.

Mit saftigem Anriss und kraftvoller Präsenz überzeugen die Amber-Pickups dank ihres gehobenen Outputs dann auch im Overdrive. Der Hals-Pickup gibt stramme Powerchords heraus und setzt die Plektrumaktion mit differenziert abgebildeten Linien absolut griffig um. Ganz ähnlich agiert der bestens angeglichene Mittel-Pickup in leicht angehobener Klangfarbe.

Wechseln wir auf den Steg-Pickup im vollen Humbucker-Modus, so springt der Ton erwartungsgemäß vor und wir wechseln in ein anderes, volleres Tonambiente, geprägt von guter Kompression und kompakter, fokussiert mittenorientierter Darstellung. Damit steht uns ein drückender Ton zur Verfügung, der aber dennoch etwas vom klanglichen Charme der Stratocaster-Konstruktion transportiert.

Die Custom-Delago Model 2 bietet allerdings, wie oben schon angerissen, die Möglichkeit, ausgehend von der einzelnen Spule (Coil Split) den Sound in Richtung Humbucker stufenlos zunehmend bis zur Volllast der zweiten Spule anzudicken, was neben einem amtlichen Lead-Sound auch klangfarblich fein abgestufte Zwischenbereiche ermöglicht. Auch macht das zusätzliche Sound-Facetten in der Kombination von Mittel- und Steg-Pickup möglich. Tolle Regel-Option!

Die traditionell ausgerichtete Mod Vintage Tremolo Bridge hat mit ihrem Stahlblock und den Titansätteln sicherlich auch noch ihren Anteil an der modelltypischen Klangbildung, funktioniert vor allem aber im Rahmen dieses Systems auch tadellos. Den wackligen Eindreharm haken wir mal unter Vintage ab.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Vorzeitig gealtert, aber höchst vital. Mit dem Model 2, Custom Special Run in schwarzer Distressed-Optik präsentiert Delago Guitars aus Wuppertal sich als überzeugender Hersteller von traditionell fundierten Electrics, die ja heute auch niemand mehr neu erfinden muss. Die Kunst liegt eher in der Auswahl und Kombination bester Zutaten und deren harmonischer Verbindung.

Präzise Verarbeitung hier, Widmung für das Detail dort und die ein oder andere Finesse, wie in diesem Fall Edelstahlbünde, optimiertes Vibratosystem (abgesehen vom Wackelhebel) und insbesondere das stufenlose Überblenden von Single Coil zu Humbucker machen aus dem alten Konzept ein Instrument, in dem sich traditioneller Charme mit moderner Anwendung erfreulich schlüssig arrangieren. Handhabung, Schwingverhalten, Ansprache, elektrische Potenz, Heavy Relic Optik – in allen Aspekten geht der Daumen hoch!

PLUS

● Relik-Optik
● Pickups, Humbucker mit Coil-Split-Blendfunktion
● Sounds, authentisch bis modern
● Schwingverhalten
● Hals, Bundierung
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung/Setup

MINUS

● Vibrato-Arm etwas wackelig

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Eine Gitarre die unglaublich gut zu spielen ist und wahnsinnig gut klingt. Die Optik ist der Knaller. Ich habe mir die Gitarre bei Hardline in Wuppertal gekauft, konnte mich aber nicht zurückhalten und habe, da ich das Telecaster-Gegenstück dort auch testete nicht entscheiden können – die ist ebenfalls grandios – und habe mir deshalb beide zugelegt. Ein unfassbares tolles Duo. Dazu gibt es noch, und das wird im Bericht nicht erwähnt, jeweils einen professionellen Delago Koffer für die perfekte Sicherheit der guten Stück.

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    1. vielen Dank für die Rezension! Und das mit dem Koffer oder wenigstens Gig Bag ist ein wichtiges Kriterium. Ich habe mir letztes Jahr eine Duke 12 String gekauft und musste einen GEWA Koffer zusätzlich kaufen, weil Duke bei einem Instrument für 2.000 Euro nicht genug an einer Tasche verdient hat und diese nicht mehr liefert.

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    2. Gratuliere Andreas! Ich hatte eine Irish Style (Rory) von Delago mal in den Händen…. Meine Fender CS Rory Gallagher ist ein Furz dagegen. Das Aging von Delago ist perfekt, das von Fender sieht im Vergleich dazu wie made in China aus…

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  2. Bei allem Respekt, aber warum müssen neue Gitarren unbedingt wie aus dem Müll gezogen, gestaltet werden? Entweder ich kann mir eine original gealterte Klampfe leisten, oder eben nicht. Aber dieses Aginggetue geht mir persönlich gewaltig auf den Nerv. Für mich sind das Blenderklampfen. Alle meine Gitarren sind zwischen 10 und 45 Jahre alt. Ihr Aging ist durch realen Gebrauch entstanden. Wenn ich kein Sammler bin und ein Instrument nur wegen seines Klanges und seiner Spielbarkeit besitze, kommt das Aging von allein.

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    1. Klaus, da sprichst Du mir aus der Seele. Vor allen Dingen werden ja da auch Reihenfolgen verkehrt. Eine vielgespielte, daher mutmaßlich gute Knifte darf dann auch irgendwann nach 100.000 Gigs, Proben etc. aussehen. Daß nun eine vorab runtergerockte Gitarre automatisch diese Qualitätsmerkmale aufweisen muß, ist ein Fehlschluß.
      Sämtliche mir bekannten Musiker gehen auch allesamt sehr pfleglich mit ihren Instrumenten um, vor allem wenn Sie gut und wertvoll sind. Daß tolle Instrumente von daher automatisch hinter dem Tourbus hinterher gezogen werden, sollte mal kritisch hinterfragt werden.
      Ob nun ein Instrument trotz künstlichem Aging hochwertig sein kann, ist eine gänzlich andere Frage.

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    2. Antworten auf ihre Frage: weil es geil aussieht! Weil die heutigen Polygelackten Klampfen auch in 40 Jahren keine emotionale Patina haben werden – metallische Teile mal ausgenommen. Was stresst sie an dieser Geschäftsidee?

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    3. Ich bin auch kein Fan abgerockten Gitarren.
      Ich habe E-Gitarren die wurden 30 Jahre gespielt und die kommen noch nicht mal in die Nähe dieser Alterung.
      Jetzt kommt es: Ich habe mir eine Aging-Delago gekauft. Die Gitarre ist einfach nur klasse. Wenn man bedenkt, dass so ein Instrument von Fender unrealistisch teuer ist, ist diese Gitarre eine Alternative. Leider kann ich sie jetzt längere Zeit nicht spielen aber ich freue mich wieder darauf.@ Andreas: Wahnsinn. Habe ich auf Instergram gesehen.

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    4. Hallo Klaus, das interessante an den Delago Gitarren die ich gekauft habe ist, das mir die Optik egal war. Ich bin im Laden in Wuppertal gewesen und habe einfach mal die Gitarren ausprobiert und festgestellt, daß sie fantastisch zu spielen sind und ebenso fantastisch klingen. Die Optik ist mir eigentlich egal. Es sind einfach sensationelle Gitarren. Im übrigen habe ich auch 50 Jahre alte Gitarren, die noch nicht alt aussehen. Das finde ich auch nicht schlimm. Es geht einfach um einen guten Ton und dem Wohlbefinden auf dem Instrument und das ist individuell verschieden und sollte auch nicht verurteilt werden.😎

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    5. Ich stimme Dir grundsätzlich zu, Punkt! Leichtes sanftes Aging, muss ich zugeben, gefällt mir allerdings inzwischen schon, auch das künstlerische was Paoletti Guitars macht auch. Auch meine Strat und die Tele (von AGL) haben inzwischen ein völlig echtes natürliches Aging, einfach durch viel Spielen und auf Tour unterwegs erhalten, super!
      Ansonsten halte ich die Sache des Heavy Relic- Aging auch für extremen Unfug, weil niemand wirklich seine teuren Feilen hinten an den Tourbus hängt und mitschleift. Stimme auch dem Kollegen hier zu, der schreibt, das Aging bei Fender sieht aus wie China: Volltreffer!

      Aber Gott, wenn´s halt gefällt 😉 :-))

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