Der Lack ist ab!

Test: Delago Model 2, Custom Special Run

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INNERE WERTE

Mick Jagger und Keith Richards tragen ihre Falten mit Stolz. Wie die in ihrem Alter die Bühne rocken, ist ehrfurchtsgebietend. Dagegen täuscht ein Relic-Instrument wie das vorliegende seine Verdienste durch Imitation von Erfahrung nur vor, was aber innere Werten natürlich keineswegs ausschließt.

So eine leichte Sumpfesche sorgt zunächst einmal für ein ausgesprochen angenehmes Gewicht von hier 3,1 kg, bildet darüber hinaus aber auch die beste Grundlage für ein Instrument dieser Kategorie. Zusammen mit dem sehr schön griffig profilierten Hals, der dank seiner sauberen Edelstahlbundierung im aufsteigend abflachenden Griffbrett plus perfekt eingerichtetem Setup beste Spielbedingungen garantiert, haben wir eine sonor und schwingaktiv aufgestellte Strat in Händen, die sofort nach angemessener professioneller Anwendung verlangt. Na, dann mal los:

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Die Delago ist wie beschrieben mit einer HSS-Bestückung ausgerüstet, wobei uns die Wahl zwischen rein traditioneller und mehr moderner Ausrichtung belassen wird. Der Humbucker am Steg lässt sich nämlich über das untere Poti stufenlos in Richtung Single Coil bewegen, oder umgekehrt. Eine flexible Coil-Split-Option, die neben klassischen Strat-Sounds auch die Kraft eines Humbucker Lead-Pickups bereitstellt, von den Farbabstufungen dazwischen ganz zu schweigen.

Die Amber-Mistral-Single-Coil-Pickups in Hals- und Mittelposition sind etwas stärker als Standard gewickelt und vermitteln authentische, attraktive Sounds. Knackig und gut konturiert im Bass und wunderbar frisch in den Höhen sind in beiden Positionen geradezu exemplarische Strat-Sounds zu haben, die clean gespielt vital und höchst präsent aus den Speakern springen.

Mit saftigem Anriss und kraftvoller Präsenz überzeugen die Amber-Pickups dank ihres gehobenen Outputs dann auch im Overdrive. Der Hals-Pickup gibt stramme Powerchords heraus und setzt die Plektrumaktion mit differenziert abgebildeten Linien absolut griffig um. Ganz ähnlich agiert der bestens angeglichene Mittel-Pickup in leicht angehobener Klangfarbe.

Wechseln wir auf den Steg-Pickup im vollen Humbucker-Modus, so springt der Ton erwartungsgemäß vor und wir wechseln in ein anderes, volleres Tonambiente, geprägt von guter Kompression und kompakter, fokussiert mittenorientierter Darstellung. Damit steht uns ein drückender Ton zur Verfügung, der aber dennoch etwas vom klanglichen Charme der Stratocaster-Konstruktion transportiert.

Die Custom-Delago Model 2 bietet allerdings, wie oben schon angerissen, die Möglichkeit, ausgehend von der einzelnen Spule (Coil Split) den Sound in Richtung Humbucker stufenlos zunehmend bis zur Volllast der zweiten Spule anzudicken, was neben einem amtlichen Lead-Sound auch klangfarblich fein abgestufte Zwischenbereiche ermöglicht. Auch macht das zusätzliche Sound-Facetten in der Kombination von Mittel- und Steg-Pickup möglich. Tolle Regel-Option!

Die traditionell ausgerichtete Mod Vintage Tremolo Bridge hat mit ihrem Stahlblock und den Titansätteln sicherlich auch noch ihren Anteil an der modelltypischen Klangbildung, funktioniert vor allem aber im Rahmen dieses Systems auch tadellos. Den wackligen Eindreharm haken wir mal unter Vintage ab.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Vorzeitig gealtert, aber höchst vital. Mit dem Model 2, Custom Special Run in schwarzer Distressed-Optik präsentiert Delago Guitars aus Wuppertal sich als überzeugender Hersteller von traditionell fundierten Electrics, die ja heute auch niemand mehr neu erfinden muss. Die Kunst liegt eher in der Auswahl und Kombination bester Zutaten und deren harmonischer Verbindung.

Präzise Verarbeitung hier, Widmung für das Detail dort und die ein oder andere Finesse, wie in diesem Fall Edelstahlbünde, optimiertes Vibratosystem (abgesehen vom Wackelhebel) und insbesondere das stufenlose Überblenden von Single Coil zu Humbucker machen aus dem alten Konzept ein Instrument, in dem sich traditioneller Charme mit moderner Anwendung erfreulich schlüssig arrangieren. Handhabung, Schwingverhalten, Ansprache, elektrische Potenz, Heavy Relic Optik – in allen Aspekten geht der Daumen hoch!

PLUS

● Relik-Optik
● Pickups, Humbucker mit Coil-Split-Blendfunktion
● Sounds, authentisch bis modern
● Schwingverhalten
● Hals, Bundierung
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung/Setup

MINUS

● Vibrato-Arm etwas wackelig

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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