Nicht ganz sauber

Test: Daredevil Bootleg Dirty Delay & Drive-Bi

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(Bild: Petia Chtarkova)

In seiner Firma Daredevil lebt Chef Johnny Wator die Liebe zu klassisch-orientierten Drive-Pedalen aus. Mit dem Bootleg Dirty Delay stellt er sein erstes Echo vor – und bleibt dabei dem Geschäftskonzept treu. Dazu gibt es mit dem Drive-Bi einen weiteren Verzerrer. Dessen Motto: klein, aber oho.

In „Windy City“ Chicago schraubt und lötet Johnny Wator Effektgeräte für die US-amerikanische Heimat und den Rest der Welt zusammen – und signiert diese dann auch noch persönlich. Bei beiden Probanden finden sich auf der Innenseite der Bodenplatte von Hand notierte Seriennummern, Produktionsdaten und das Kürzel des Firmengründers. Wenn man die Zahlen abgleicht, ergibt sich eine Produktionsmenge von rund vier Geräten pro Tag. So viel vorab zum Thema „handgebaut“.

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Gut ein Dutzend Modelle sind aktuell im Programm, der klare Fokus liegt dabei auf Drive-Aggregaten. Es gibt mit dem Atomic Cock ein Fixed Wah, der Rest kümmert sich um mehr oder weniger extreme Zerrsounds, bevorzugt Fuzzes. Angesichts dieser Palette ist es fast logisch, dass auch das erste Delay-Pedal der Company nicht ganz sauber daher kommt: Dem Bootleg Delay wurde ebenfalls eine Zerroption beigefügt. Daneben schauen wir uns in diesem Text mit dem Drive-Bi einen nicht nur auf den ersten Blick simpel gehaltenen Overdrive/Distortion an, der allerdings, so viel sei vorab verraten, eine beachtliche Bandbreite an Rechteck-Sounds abdeckt.

Johnny Wator bezeugt auf der Daredevil-Homepage, dass seine Vorlieben den handverdrahteten Effekten aus den 60er- und 70er-Jahren gelten, den „Muscle Cars der Rock’n’Roll-Pedale“. Wie dem Rest seiner Kollektion hat er auch den beiden jüngsten Kreationen einen eher schmutzigen Charakter auf den Leib geschneidert.

BOOTLEG DIRTY DELAY

Sämtliche Echo-Einheiten der Gitarrengeschichte, ob Bandechos mit ihrem Leiern, Analog-Treter mit Eimerkettentechnologie und zunehmend muffigen Wiederholungen oder auch die klinisch-sauberen Digitalvarianten mit ihren langen Delay-Zeiten, haben ihre Freunde und die entsprechenden Anwendungsgebiete. Johnny Wator hat darauf verzichtet, diesen Gruppen ein weitere konventionelle Version hinzuzufügen und geht mit dem Bootleg einen eigenen Weg – bei seinem Echo verlieren die Wiederholungen keine Höhen, sie gewinnen sie eher hinzu, vor allem aber klingen sie dezent oder auf Wunsch auch reichlich verzerrt. Cleane Delays gibt es ja nun auch schon mehr als reichlich.

Basis des Pedals ist der digital arbeitende Princeton 2399 IC, der das Signal laut Firmenchef von analog zu digital und wieder zurück wandelt, um die Eimerketten-Stilistik analoger Einheiten zu emulieren, und das ohne die Nebengeräusche deren Chips.

Gesteuert wird das Pedal über vier Potis: Reps kümmert sich um die Anzahl der Wiederholungen, Time um die Verzögerungszeit – bis zu 560 ms bietet das Pedal an – Blend regelt die Lautstärke der Echos, Dirt zerrt sie zunehmend an. Selbst bei Linksanschlag sind die Wiederholungen nicht vollends clean, was dem Pedal einen sehr eigenen Charakter verleiht. Zu den Buchsen für Ein- und Ausgang kommt links ein Anschluss für einen Tap-Tempo-Schalter, rechts auf gleicher Höhe befindet sich die etwas auslandende Netzbuchse. Da das Pedal nicht mit Batterie betrieben werden kann, sollte man diesen Platz bei der Planung und Bestückung seines Boards mit einplanen. Die gleiche Buchse verwendet auch das Drive-Bi, hier ist allerdings auch Batteriebetrieb möglich.

Gemeinsam haben beide Pedale auch ihre True-Bypass-Signalführung. Als Tap kam im Test ein Boss FS-5U zum problemlosen Einsatz. Zwei Dinge fielen bzw. stachen dabei ins Auge: Die zeitanzeigende LED blinkt ziemlich hell, was bei kurzen Delays zunächst etwas unruhig wirken kann, dazu haben Johnny und seine Mitarbeiter dem Bootleg ein spezielles Tapping-Konzept mitgegeben. Mit nur zwei Taps kann die Zeit bestimmt werden, die maximale Range von Viertelnoten liegt bei 560 Millisekunden bei einem Tempo von 108 bpm. Wird schneller getreten, halbiert sich der Wert automatisch. Tippt man also etwa 600 ms ein, gibt das Gerät eine Verzögerung von 300 ms wieder.

Heißt auch: Maximal 1,12 Sekunden dürfen zwischen den Taps liegen, damit das Gerät sie verwenden kann. So viel zur Theorie, nun zur Praxis: Als Erstes fällt auf, dass das Bootleg in der Tat sehr analog klingt und auch mit zugedrehtem Dirt-Regler schon eine ganz eigene Farbe mit sich bringt. Im Vergleich mit der Analog-Option des Boss DD-7, überzeugt das Bootleg mit mehr Charakter und Leben und lässt die Emulation aus Fernost überraschend blass dastehen – vorausgesetzt natürlich, man mag seine Wiederholungen schmutzig.

Und noch etwas unterscheidet das Testteil von seinem Vergleichsobjekt: Beim Daredevil wird das Echo abgeschnitten, sobald man das Pedal ausschaltet. Das kann bei manchen Einsätzen etwas unrund wirken, zumal es im Speicher bleibt – schaltet man das Pedal bei aufgedrehtem Reps-Regler kurz darauf wieder an, hört man die Wiederholungen weiter klingen.

Diese sind bei Mittelstellung des Blend-Reglers in etwa gleich laut, mit zunehmender Rechtsdrehung übertönen sie das Originalsignal, hier sind also schon mal ein paar Einsatzoptionen drin. Der Clou ist aber natürlich die Drive-Sektion, die mir ihren zunehmend angezerrten Echos ganz neue Komponenten ins Spiel bringt. Das Bootleg ist damit das etwas andere Delay-Pedal, das mit schlanken und tendenziell bissigen Sounds Gitarristen anspricht, denen es schnell mal zu clean ist. Sein Spektrum reicht vom dezenten Slapback mit minimalem Zerranteil (Psychobilly!) bis zu abgefahrenen Echoorgien für Indie- und Experimentalbands abseits des Mainstreams. Mit diesem außergewöhnlichen Konzept könnte es Gitarristen zu ganz neuen musikalischen Ideen anregen. Und nicht nur die – im Test kam auch ein Synthesizer zum Einsatz. Auch hier waren die Ergebnisse ebenso außergewöhnlich wie inspirierend.

(Bild: Petia Chtarkova)

DRIVE-BI

In das gleiche Guss-Gehäuse, aber mit anderer Farbe und mit einem anderen, raueren Finish versehen, hat Johnny Wator sein jüngstes Drive-Pedal gepackt. Lediglich mit zwei Potis für Lautstärke und Zerranteil versehen, sollten die Möglichkeiten des Drive-Bi doch überschaubar sein – wo doch noch nicht mal ein Klangregler an Bord ist. Wäre da nicht der dazwischen platzierte Hi/Lo-Switch, der das Pedal in Sachen Gain-Reserven und damit Charakter umschaltet. Mit seinem Op-Amp-basierten Schaltkreis haben es die Entwickler für mittelstarke bis deftige Zerreinsätze konzipiert und ihm dabei ein, der Firmenpolitik entsprechendes, rohes Wesen mit reichlich Biss eingepflanzt. Sein Spektrum reicht im Lo-Betrieb mit einer Singlecoil-bestückten Tele von fast clean bis in satte Crunch-Regionen, im Hi-Modus geht es von dort aus nahtlos weiter, im zweiten Teil des Regelwegs ertönen dann satte Hardrock-Klänge mit räudiger Note und reichlich Punch.

Mit einer Les Paul klingt das Ganze (wenig überraschend) noch mal einen Tacken fetter, aber durch die eher schlanke Abstimmung untenrum nie verwaschen – und generell so rund, dass man einen EQ-Regler nicht wirklich vermisst und sich stattdessen über die Bandbreite und einfache Bedienbarkeit dieses per Volume-Poti an der Gitarre sehr feinfühlig dosierbaren Zerrpedals freut. Das Drive-Bi belegt damit wieder einmal die Tatsache, dass man sich nicht von der Ausstattung blenden lassen sollte. Mit seiner Abstimmung liefert es die tonale Grundlage für ein breites Spektrum an Rocksounds.

Leider muss man sich im Live-Einsatz für einen der beiden Grundcharaktere entscheiden. Aber das verbuchen wir mal unter dem Schlagwort „Luxusproblem“. Fazit: Mit dem Drive-Bi schickt Johnny Wator ein weiteres Drive-Pedal der obersten Güteklasse ins Rennen.

RESÜMEE

Sowohl das Bootleg als auch das Drive-Bi können im Einzelbetrieb absolut überzeugen. Da ist es kein Wunder, dass auch die Kombination der beiden Pedale hochgradigen Spielspaß vermittelt. Allerdings muss man für dieses exklusive Paket rund € 500 auf den Tisch legen. Dafür bekommt man zwei handgebaute Effektgeräte mit eigenem Charakter und jeder Menge Inspirationspotential. Well done, Mr. Wator!

PLUS

  • Sounds
  • Konzept Bootleg
  • Bandbreite Drive-Bi

MINUS

  • nicht ganz billig

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

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